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Ist Demokratie politisch definierbar?

Arbeitsrecht – Erbrecht - Schulrecht

Ist Demokratie politisch definierbar?

Demonstration

Die NZZ veröffentlicht unter dem Titel

Die hysterische Republik: Die deutsche Linke will die Demokratie retten – was für eine Anmaßung,

einen Kommentar von Eric Gujer.

Dort heißt es:

Die Vorstellung, man müsse die Demokratie vor den Bürgern schützen, breitet sich wie eine Seuche aus. Sie grassiert ausgerechnet in zwei der wichtigsten westlichen Demokratien, in Amerika und in Deutschland.

Der Grundgedanke der selbsternannten Retter ist einfach. Die offene Gesellschaft bietet ihren Feinden die ideale Plattform, um die Demokratie von innen auszuhöhlen. Dem, so die nicht weniger simple Schlussfolgerung, muss mit allen Mitteln begegnet werden. Welcher Demokrat will schon die Feinde der Demokratie fördern?

Ist Demokratie politisch definierbar – von rechts, von links oder von der Mitte her?


Demokratie als zentrales Verfassungsprinzip: Warum sie nicht von einzelnen Akteuren oder Parteien definiert werden kann

Demokratie ist das Fundament der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist in Art. 20 Abs. 1 GG als unveränderliches Staatsstrukturprinzip verankert und durch die Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG gegen Abschaffung geschützt. Doch wer definiert eigentlich, was Demokratie ist? Können einzelne politische Akteure, Parteien oder Gruppen für sich beanspruchen, die Deutungshoheit über Demokratie zu besitzen? Die verfassungsrechtliche Antwort ist klar: Nein. Demokratie ist ein überindividuelles Prinzip, das sich nicht nach den Interessen einzelner richtet, sondern durch das Grundgesetz, die Rechtsstaatlichkeit und das Prinzip der Volkssouveränität bestimmt wird.


I. Demokratie als verfassungsrechtliches Prinzip

1. Verankerung im Grundgesetz

Die Bundesrepublik Deutschland ist eine repräsentative Demokratie. Dies bedeutet, dass politische Entscheidungsfindung durch gewählte Vertreter in Parlamenten erfolgt. Art. 20 GG legt dies als unumstößliches Prinzip fest:

  • Art. 20 Abs. 1 GG: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“
  • Art. 20 Abs. 2 GG: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“

Wichtig ist dabei, dass Demokratie als Verfassungsprinzip nicht von der jeweiligen Regierung oder einer bestimmten politischen Mehrheit definiert wird, sondern sich aus den Strukturen der Verfassung ergibt.

2. Demokratie als unveränderbares Prinzip

Art. 79 Abs. 3 GG schützt die Demokratie als unantastbares Fundament der Verfassung. Selbst eine demokratisch gewählte Mehrheit könnte die Demokratie nicht einfach abschaffen. Dies bedeutet:

  • Keine politische Partei, egal wie groß ihre Mehrheit ist, kann die Demokratie in ihrem Sinne „umdefinieren“.
  • Demokratie bleibt auch dann bestehen, wenn sich politische Mehrheiten ändern – sie ist kein Spielball politischer Interessen.

II. Die dienende Freiheit aus Art. 5 GG als Grundlage der Demokratie

1. Meinungsfreiheit als Basis der demokratischen Willensbildung

Art. 5 Abs. 1 GG schützt die Meinungsfreiheit, die Informationsfreiheit sowie die Presse- und Rundfunkfreiheit. Diese Freiheiten sind essenziell für eine funktionierende Demokratie, da sie es allen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, sich zu informieren und an der politischen Debatte teilzunehmen.

2. Medienfreiheit und Pluralismus

Die Medien nehmen eine Kontrollfunktion gegenüber der Politik wahr. Ihre Aufgabe ist es, verschiedene Meinungen abzubilden und den demokratischen Diskurs zu fördern. Die „dienende Freiheit“ der Presse bedeutet, dass der Staat Rahmenbedingungen schaffen muss, die eine unabhängige und vielfältige Medienlandschaft ermöglichen. Kein einzelner politischer Akteur kann daher für sich beanspruchen, die einzig wahre demokratische Wahrheit zu vertreten.


III. Die Rolle der Parteien in der Demokratie

1. Parteien als Mittler, nicht als Bestimmer

Art. 21 GG gibt politischen Parteien eine zentrale Rolle in der Demokratie, indem sie an der politischen Willensbildung mitwirken. Sie sind jedoch nicht die alleinigen Träger der Demokratie. Wichtige Prinzipien sind:

  • Parteien sind keine Staatsorgane, sondern private Vereinigungen, die dem Wettbewerb unterliegen.
  • Keine Partei kann für sich beanspruchen, „die Demokratie“ zu repräsentieren. Alle Parteien müssen sich an die demokratischen Spielregeln halten.
  • Das Bundesverfassungsgericht kann Parteien verbieten, die darauf abzielen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen (Art. 21 Abs. 2 GG).

2. Pluralismus als Schutzmechanismus

Demokratie lebt von Vielfalt. Es gibt keine „einzig wahre“ demokratische Lösung, sondern einen Wettbewerb unterschiedlicher Ideen. Deshalb gilt:

  • Weder eine Regierungspartei noch eine Oppositionspartei kann allein beanspruchen, für „die Demokratie“ zu sprechen.
  • Der politische Meinungsstreit ist essenziell, doch am Ende entscheidet das Wählervotum – nicht die Selbstzuschreibung von Parteien als „wahre Demokraten“.

IV. Gefahren einer parteigebundenen Definition von Demokratie

1. Demokratie kann nicht von Mehrheiten umdefiniert werden

Die Geschichte zeigt, dass Demokratien gefährdet sind, wenn politische Akteure versuchen, das System nach ihren eigenen Vorstellungen umzugestalten. Beispiele aus der Weimarer Republik belegen, dass es gefährlich ist, wenn Parteien die Demokratie nur als Mittel zum Zweck nutzen.

2. Der Missbrauch des Demokratiebegriffs

Ein häufiges Problem ist, dass politische Gruppen oder Parteien sich selbst als „die wahren Demokraten“ darstellen und andere als „Feinde der Demokratie“ brandmarken. Dies widerspricht dem Grundsatz der Pluralität:

  • Demokratie bedeutet Auseinandersetzung, nicht die Ausschaltung Andersdenkender.
  • Der politische Wettbewerb lebt von Meinungsvielfalt – nicht von der Definitionsmacht einer Partei oder Gruppe.

3. Verfassungsfeinde und die wehrhafte Demokratie

Das Grundgesetz schützt sich selbst gegen Feinde der Demokratie. Art. 18 GG erlaubt den Entzug von Grundrechten bei Missbrauch, und Art. 21 Abs. 2 GG erlaubt das Verbot von Parteien, die die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen wollen. Doch diese Entscheidungen trifft das Bundesverfassungsgericht – nicht eine einzelne Partei oder Regierung.


Demokratie gehört allen, nicht einzelnen Gruppen

Demokratie ist ein universelles Prinzip, das über den Interessen einzelner Akteure oder Parteien steht. Sie wird durch das Grundgesetz und die Rechtsstaatlichkeit definiert, nicht durch politische Mehrheiten oder ideologische Strömungen.

  • Demokratie ist ein übergeordnetes Verfassungsprinzip, das nicht durch politische Parteien oder Gruppen inhaltlich umdefiniert werden kann.
  • Die Meinungs- und Medienfreiheit schützt den demokratischen Diskurs und verhindert eine einseitige Deutungshoheit.
  • Parteien sind Akteure der Demokratie, aber nicht ihre alleinigen Besitzer. Sie müssen sich dem pluralistischen Wettbewerb stellen.
  • Demokratie kann nicht durch einzelne politische Akteure vereinnahmt werden. Wer dies versucht, läuft Gefahr, autoritäre Tendenzen zu befördern.

Demokratie ist ein Prinzip, das sich durch Vielfalt, Rechtsstaatlichkeit und Volkssouveränität definiert – nicht durch die Behauptung einzelner, sie alleine zu repräsentieren.

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