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Erbrecht

Wenn Ausschlagung zur Glaubensfrage wird – Grundbuchamt darf Erbschein verlangen trotz Ausschlagungserklärungen

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 16.09.2025 – 5 W 59/25

Sachverhalt:

Nach dem Tod der Erblasserin L. wurden ihre drei Kinder als Erben zu gleichen Teilen im Grundbuch eingetragen. Zwei der Geschwister schlugen das Erbe notariell aus, sodass der verbleibende Sohn (Beteiligter zu 1) die Berichtigung des Grundbuchs auf sich allein beantragte. Er berief sich auf das notarielle Testament von 2002 und hielt einen Erbschein für entbehrlich. Das Grundbuchamt sah dagegen Klärungsbedarf, da auch ein späteres privatschriftliches Testament aus dem Jahr 2011 vorlag und die Wirksamkeit der Ausschlagungen ungewiss sei. Gegen die Aufforderung zur Vorlage eines Erbscheins legte der Antragsteller Beschwerde ein.


Entscheidung:

Das Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung des Grundbuchamts: Eine Grundbuchberichtigung erfordert den Nachweis des Erbrechts in der Form des § 35 GBO, wozu grundsätzlich ein Erbschein gehört. Zwar kann bei öffentlichen Testamenten ausnahmsweise darauf verzichtet werden, doch hier bestehe wegen des ergänzenden privatschriftlichen Testaments erheblicher Klärungsbedarf. Zudem könne die Wirksamkeit der Erbausschlagungen – insbesondere im Hinblick auf eine mögliche vorherige stillschweigende Annahme – im Grundbuchverfahren nicht abschließend geprüft werden. Das Gericht betonte, dass nur das Nachlassgericht zu solchen Tatsachenermittlungen befugt sei. Daher bleibe es bei der Pflicht zur Vorlage eines Erbscheins, um die Erbfolge zweifelsfrei nachzuweisen.

 

Arbeitsrecht

EU-Arbeitsrecht stärkt Eltern behinderter Kinder – Arbeitgeber müssen auch für „indirekt Betroffene“ Rücksicht nehmen

EuGH, Urteil vom 11.09.2025 – C 38/24

Sachverhalt:
Eine italienische Angestellte verlangte von ihrem Arbeitgeber AB SpA eine dauerhafte Anpassung ihrer Arbeitszeiten, um ihren schwerbehinderten Sohn versorgen zu können. Trotz einzelner Entgegenkommen wie fester Arbeitsorte und vorübergehender Sonderregelungen lehnte das Unternehmen eine dauerhafte Lösung ab. Die Arbeitnehmerin klagte daraufhin wegen Diskriminierung und verlangte Schadensersatz sowie eine feste Vormittagsarbeitszeit. Nationale Gerichte wiesen ihre Klage ab, da sie selbst nicht behindert sei und der Arbeitgeber bereits „angemessene Vorkehrungen“ getroffen habe. Der italienische Kassationsgerichtshof legte dem EuGH die Frage vor, ob auch Eltern behinderter Kinder vor mittelbarer Diskriminierung wegen der Behinderung ihres Kindes geschützt sind.

 

Entscheidung:
Der EuGH entschied, dass das Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung auch Arbeitnehmer schützt, die ein behindertes Kind betreuen. Eine mittelbare „Mitdiskriminierung“ liegt vor, wenn Arbeitsbedingungen solche Betreuung faktisch erschweren. Arbeitgeber müssen daher angemessene Vorkehrungen treffen, um den Gleichbehandlungsgrundsatz zu wahren – etwa flexible Arbeitszeiten oder Versetzungen –, sofern diese Maßnahmen keine unverhältnismäßige Belastung darstellen. Der Gerichtshof stützte sich dabei auf die EU-Grundrechtecharta und das UN-Behindertenrechtsübereinkommen, wonach Familien behinderter Menschen Schutz und Unterstützung verdienen. Damit erweitert das Urteil den Diskriminierungsschutz auf Eltern und Betreuungspersonen von Menschen mit Behinderung deutlich.

Beamtenrecht

Schlag durchs Gitter, Schock im Kopf – Gericht erkennt Angststörung nach Gefangenenangriff als Dienstunfall an

VG Bremen, Urteil vom 09.09.2025 – 7 K 185/24

Sachverhalt:

Ein Justizvollzugsbeamter wurde während seines Dienstes in einer JVA durch die Kostklappe einer Zellentür von einem Gefangenen ins Gesicht geschlagen und am Hemd gepackt. Kurz darauf entwickelte er Angstzustände, Herzrasen und eine akute Belastungsreaktion, die ärztlich dokumentiert wurden. Die Behörde erkannte den körperlichen Vorfall zwar als Dienstunfall an, lehnte jedoch die Anerkennung der psychischen Folgen ab, da der Angriff nicht außergewöhnlich traumatisch genug gewesen sei. Der Beamte wehrte sich hiergegen mit dem Hinweis, der Angriff sei für ihn völlig unerwartet und erschütternd gewesen. Nachdem der Widerspruch erfolglos blieb, klagte er vor dem Verwaltungsgericht Bremen.

Entscheidung:

Das Verwaltungsgericht gab dem Kläger recht und verpflichtete die Behörde, auch die psychischen Folgen als Dienstunfall anzuerkennen. Es stellte fest, dass Angststörung und akute Belastungsreaktion ärztlich ausreichend belegt und zeitlich klar mit dem Angriff verknüpft seien. Entgegen der Auffassung der Behörde erforderten diese Krankheitsbilder kein traumatisches Ereignis „katastrophalen Ausmaßes“, sondern könnten auch durch unerwartete Übergriffe ausgelöst werden. Das Gericht betonte, dass auch typische Gefahren eines Berufs nicht automatisch von der Unfallfürsorge ausgenommen sind, wenn sie im Einzelfall zu ernsthaften psychischen Schäden führen. Da der Hausarzt des Klägers die Diagnose nachvollziehbar gestellt habe, sei ein weiteres Gutachten entbehrlich gewesen.

Kommunalrecht

„Roll im Wingert“ gestoppt – Gericht untersagt E-Scooter-Weinbergstouren in Bad Dürkheim

VG Neustadt, Beschluss vom 08.09.2025 – 5 L 971/25.NW

Sachverhalt:
Ein Unternehmer aus Bad Dürkheim, der bislang Lama-Wanderungen anbot, erweiterte sein Gewerbe um E-Scooter-Touren durch die Weinberge. Die Stadt untersagte ihm diese Fahrten auf gemeindeeigenen Feld- und Waldwegen, da dort das Verkehrszeichen 250 („Verbot für Fahrzeuge aller Art“) gelte und die Wege laut Satzung nur land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken sowie als Fußweg dienen dürften. Der Betreiber argumentierte, seine langsamen E-Scooter mit maximal 6 km/h seien rechtlich als Krankenfahrstühle anzusehen und dürften daher auf Fußwegen fahren. Zudem rügte er einen unverhältnismäßigen Eingriff in seine Berufsfreiheit. Nach mehreren Beschwerden von Winzern über die Touren beantragte er gerichtlichen Eilrechtsschutz gegen die Untersagungsverfügung.

 

Entscheidung:
Das Verwaltungsgericht Neustadt lehnte den Eilantrag ab und bestätigte die Untersagung der Stadt. Zwar seien die eingesetzten E-Scooter rechtlich teilweise als Krankenfahrstühle einzustufen, diese dürften grundsätzlich dort fahren, wo Fußgängerverkehr erlaubt ist. Die Gemeinde dürfe jedoch über ihre Feld- und Waldwege im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts verfügen und deren Nutzung auf land- und forstwirtschaftliche Zwecke beschränken. Gewerbliche Eventtouren mit E-Scootern stellten keine zulässige Nutzung nach der Feld- und Waldwegesatzung dar und könnten daher untersagt werden. Das Gericht sah die Maßnahme als verhältnismäßig an, da die Sicherheit und der Vorrang der landwirtschaftlichen Nutzung gegenüber den wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers überwögen.

News diese Woche:

Urteil: Deutschland muss mehr gegen Nitrat im Grundwasser tun

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Bundesregierung verpflichtet, ein wirksames Aktionsprogramm gegen die Nitratbelastung des Grundwassers zu erstellen und in die Düngeverordnung aufzunehmen. Ziel ist es, den EU-Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter künftig einzuhalten, der derzeit an rund jeder vierten Messstelle in Deutschland überschritten wird. Hauptverursacher der Belastung ist die Landwirtschaft, insbesondere die Überdüngung durch Gülle aus der industriellen Tierhaltung. Die Deutsche Umwelthilfe, die das Verfahren angestrengt hatte, sprach von einem „historischen Erfolg für sauberes Wasser“. Auch Wasserverbände begrüßten das Urteil und forderten nun deutlich strengere Düngeregeln und mehr Transparenz bei Nährstoffbilanzen.

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