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GO-SH: Abwahl eines Bürgermeisters – Teil 4

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GO-SH: Abwahl eines Bürgermeisters – Teil 4

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Wird die Aufgabenverteilung zwischen Verwaltung und Selbstverwaltung aufgehoben?

Gemäß § 57d Abs. 3 GO-SH scheidet mit Ablauf des Tages, an dem der Abstimmungsausschuss die Abwahl feststellt, der Bürgermeister aus dem Amt und tritt in den einstweiligen Ruhestand.

Die Stellvertreter des Bürgermeisters übernehmen bis zur Neuwahl eines Bürgermeisters die Amtsgeschäfte. Die Stellvertreter werden nach § 57 e GO-SH aus der Mitte der Gemeindevertretung gewählt.

Damit wird ein Mitglied der Selbstverwaltung zum amtierenden Bürgermeister und zum Leiter der Verwaltung gemäß § 55 GO-SH.

Es stellt sich die Frage nach den Kompetenzen des so amtierenden Bürgermeisters, denn die Kompetenzen zwischen Verwaltung und Selbstverwaltung sind in der GO-SH deutlich voneinander abgegrenzt.

So heißt es in § 55 Abs. 3 GO-SH:

Die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister legt ihren oder seinen Vorschlag zur Verwaltungsgliederung und Vorschläge zur Änderung der Verwaltungsgliederung der Gemeindevertretung vor. Diese kann dem Vorschlag widersprechen. Der Beschluss bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Gemeindevertreterinnen und -vertreter. Widerspricht die Gemeindevertretung dem Vorschlag der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters, so hat diese oder dieser der Gemeindevertretung einen neuen Vorschlag vorzulegen.

 

Kann also ein stellvertretender Bürgermeister als Teil der Selbstverwaltung nun in der zeitlichen Zwischenphase bis zur Wahl eines neuen Bürgermeisters diese Kompetenzabgrenzung umgehen, und der Selbstverwaltung die Möglichkeit zur Schaffung eine eigenen Verwaltungsgliederung nach den Wünschen der Selbstverwaltung verschaffen?

Die Kommunalaufsicht in Schleswig-Holstein findet ja. Der Stellvertreter hat trotz seiner Mitgliedschaft in der Selbstverwaltung das Recht, alle Kompetenzen des Bürgermeisters als Verwaltungsleiter wahrzunehmen.

Zitat Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport des Landes Schleswig-Holstein, Referat Kommunales Verfassungsrecht, Wahlen und Abstimmungen:

„Ich weise klarstellend darauf hin, dass im Verhinderungsfall die gewählten Stellvertreterinnen und Stellvertreter die Bürgermeisterin oder den Bürgermeister in der Reihenfolge ihrer Wahl vertreten. Zweck der Stellvertretungsregelung ist, dass das Organ „Die Bürgermeisterin“ oder „Der Bürgermeister“ kontinuierlich handlungsfähig ist.

Die Stellvertretung umfasst im Vertretungsfall grundsätzlich alle Aufgaben des Organs. Damit ist die stellvertretende Bürgermeisterin auch berechtigt zur Wahrnehmung der Aufgaben nach § 65 der Gemeindeordnung. Die Gemeindeordnung begrenzt die Vertretungsbefugnis insoweit gerade nicht.“

 

Dabei sind §§ 55 und 65 GO-SH identisch und gelten jeweils für Gemeinden oder Städte.

 

Diese Ansicht kann nicht richtig sein, weil sie die Kompetenzverteilung zwischen zwei demokratisch gewählten Organen einer Gemeinde – Bürgermeister und Gemeindevertretung – zugunsten der Gemeindevertretung verschiebt, die in einer Phase zwischen Abwahl und Neuwahl eines Bürgermeisters plötzlich alles ohne jede Kontrolle durch einen frei gewählten Leiter der Verwaltung darf.

Sie darf damit auch eine Verwaltungsneugliederung schaffen, die der dann neu gewählte Bürgermeister nicht wieder verändern kann, wenn die Selbstverwaltung eine Veränderung ablehnt. Denn in § 55 Abs. 3 GO-SH steht: „Widerspricht die Gemeindevertretung dem Vorschlag der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters, so hat diese oder dieser der Gemeindevertretung einen neuen Vorschlag vorzulegen.“

Gegen den Willen einer Gemeindevertretung kann ein neu gewählter Bürgermeister keine Veränderungen in der Verwaltung vornehmen, selbst wenn Entscheidungen vor seiner Wahl durch einen amtierenden Stellvertreter und die Gemeindevertretung völlig unsinnig waren und z.B. 100 neue Verwaltungsstellen in 4 neuen Fachbereichen geschaffen hätten.

Auch ist es fraglich, wie § 43 GO-SH mit der Auffassung der Kommunalaufsicht in SH vereinbar sein soll. Dort wird bestimmt, daß ein Bürgermeister Beschlüssen der Gemeindevertretung binnen 2 Wochen widersprechen muß, wenn geltendes Recht verletzt wurde.

„Verletzt ein Beschluss der Gemeindevertretung das Recht, so hat ihm die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister zu widersprechen.“

Aber der Stellvertreter des Bürgermeisters ist genau Teil dieser Gemeindevertretung und soll sich somit selbst widersprechen?

Wenn die Kommunalaufsicht die GO-SH wie oben beschrieben interpretiert, bedarf es eine rechtliche Klarstellung durch den Gesetzgeber. Die Zeit zwischen Abwahl und Neuwahl eines Bürgermeisters kann für die Selbstverwaltung weder schrankenlos noch kontrollfrei sei. Die Auffassung der Kommunalaufsicht lädt geradezu zum Mißbrauch ein.

Eine Gemeinde oder eine Stadt leidet nicht nachhaltig bei den laufenden Aufgaben, wenn zwischen Abwahl und Neuwahl eines Bürgermeisters die ausdrücklichen Kompetenzen eines gewählten Bürgermeisters für wenige Monate ruhen.

Etwas anderes gilt für § 43 GO-SH. Hier muß die Kontroll- und Überwachungsfunktion eines Bürgermeisters aktiv durch die Kommunalaufsicht wahrgenommen werden, um den Bürger vor rechtlich fragwürdigen Beschlüssen der Gemeindevertretung zu schützen.

 

 

 

 

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