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Sofortvollzug des COMPACT-Verbots teilweise ausgesetzt

Arbeitsrecht – Erbrecht - Schulrecht

Sofortvollzug des COMPACT-Verbots teilweise ausgesetzt

Zeitschriften

Es war auf vielen Nachrichtenportalen am 14.8.2024 die erste Nachricht:

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Compact-Verbot der Bundesinnenministerin bis zur Hauptverhandlung ausgesetzt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Sofortvollzug des Verbots der COMPACT-Magazin GmbH teilweise ausgesetzt, nachdem das Magazin gegen die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums (BMI) geklagt hatte. Das Gericht begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass es Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Verbots habe. Während bestimmte Inhalte von COMPACT menschenverachtend und verfassungsfeindlich sein könnten, sei das Verbot möglicherweise nicht gerechtfertigt, da nicht alle Veröffentlichungen des Magazins diese Kriterien erfüllen. Insbesondere wurde betont, dass das Verbot eines Presseorgans auf Grundlage des Vereinsrechts rechtlich problematisch sein könnte, vor allem im Hinblick auf die Pressefreiheit.

Das BMI hatte die COMPACT-Magazin GmbH als rechtsextremistische Organisation eingestuft und unter anderem wegen ihrer engen Verbindungen zur Identitären Bewegung und anderen rechtsextremistischen Gruppen das Verbot ausgesprochen. Das Gericht ließ jedoch durchblicken, dass die verfassungsfeindlichen Tendenzen möglicherweise nicht ausreichend prägend für das gesamte Magazin sind, um ein vollständiges Verbot zu rechtfertigen.

Die endgültige Entscheidung wird in einem späteren Hauptsacheverfahren getroffen, und bis dahin darf das Magazin vorerst weiter erscheinen​ (Legal Tribune Online) (RSW) (BMI Bund).

Prof. Christoph Degenhart, ein renommierter Staatsrechtler, äußerte erhebliche Bedenken bezüglich des Verbots des COMPACT-Magazins durch das Bundesinnenministerium. Er bezeichnete das Verbot als „rechtlich in hohem Maße problematisch“, insbesondere weil es einen massiven Eingriff in die Pressefreiheit darstelle. Degenhart argumentierte, dass selbst wenn strafbare Inhalte verbreitet werden, diese lediglich einzelne Ausgaben betreffen sollten und nicht ein Totalverbot eines gesamten Mediums rechtfertigen könnten. Zudem betonte er, dass das Presserecht in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt und das Vereinsrecht hier möglicherweise nicht das geeignete Mittel ist.

Degenhart zweifelte daran, ob dieses Verbot einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standhalten würde, da die Verhältnismäßigkeit des Verbots stark in Frage gestellt werden muss, insbesondere im Kontext der Pressefreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes​ (Evangelische Zeitung) (Schweizer Radio und Fernsehen (SRF)).

Nach dem vorläufigen Scheitern des Verbots der COMPACT-Magazin GmbH wurden Rücktrittsforderungen gegen Bundesinnenministerin Nancy Faeser laut. Besonders aus Reihen der FDP und CDU gab es scharfe Kritik. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sagte bereits vor der Entscheidung, dass Faeser zurücktreten solle, falls das Verbot gerichtlich aufgehoben werde, da dies ihre Amtsführung in Frage stelle. Auch andere Politiker, wie die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg und der CDU-Abgeordnete Christoph Ploß, bezeichneten die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts als “Blamage” und forderten Faesers Rücktritt.

Die Kritik konzentriert sich vor allem auf die Frage, ob das Vereinsrecht hier korrekt angewendet wurde und ob das Vorgehen mit den Prinzipien des Rechtsstaates und der Pressefreiheit vereinbar ist. Einige Kommentatoren sehen in der gerichtlichen Entscheidung einen schweren Rückschlag für Faeser und werfen ihr vor, demokratische Prinzipien missachtet zu haben​ (Kölner Stadt-Anzeiger) (Cicero Online) (JUNGE FREIHEIT) (Signal Online).

Hintergrund der Entscheidung ist die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit aus Art. 5 GG, die nicht über den Umweg über das Vereinsrecht unverhältnismäßig eingeschränkt werden dürfen:

Meinungsfreiheit ist ein grundlegendes Menschenrecht, das in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und in Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland verankert ist. Es gewährt jedem Menschen das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten, ohne Zensur oder Einschränkungen durch den Staat befürchten zu müssen.

Im Detail bedeutet Meinungsfreiheit:

  1. Äußerungsfreiheit: Menschen dürfen ihre Gedanken, Ideen und Überzeugungen in Wort, Schrift, Bild oder anderen Medien frei äußern.

  2. Informationsfreiheit: Menschen haben das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu informieren.

  3. Schutz vor Zensur: Der Staat darf die Äußerungen von Meinungen nicht vorab kontrollieren oder verbieten.

Die Meinungsfreiheit ist jedoch nicht uneingeschränkt. Sie findet ihre Grenzen dort, wo sie die Rechte anderer verletzt, wie zum Beispiel durch Beleidigung, Verleumdung oder das Verbreiten von Hassreden. In Deutschland wird sie durch gesetzliche Bestimmungen wie das Strafgesetzbuch (StGB) eingeschränkt, um die persönliche Ehre, die öffentliche Sicherheit und die Menschenwürde zu schützen.

Meinungsfreiheit ist ein Eckpfeiler der Demokratie, da sie den freien Austausch von Ideen und Informationen ermöglicht und es den Bürgern erlaubt, Kritik an der Regierung und anderen Institutionen zu üben.

Pressefreiheit ist ein Grundrecht, das in Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland verankert ist. Es schützt die Freiheit der Presse, also das Recht, Nachrichten und Meinungen ohne Zensur oder staatliche Kontrolle zu verbreiten. Dieses Recht umfasst die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film und ist eine spezifische Ausprägung der allgemeinen Meinungsfreiheit.

Die Pressefreiheit ist ein elementarer Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft, da sie die freie Meinungsbildung der Bevölkerung sicherstellt. Sie ermöglicht es den Bürgerinnen und Bürgern, sich aus einer Vielzahl von Quellen zu informieren und sich eine eigene Meinung zu bilden. Dies ist essenziell für die politische Willensbildung und die Kontrolle staatlicher Macht.

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass die Pressefreiheit als „dienende Freiheit“ zu verstehen ist, die dem Schutz der Meinungsfreiheit und der Meinungsvielfalt dient. Das bedeutet, dass die Pressefreiheit nicht nur das Recht der Medien schützt, frei zu berichten, sondern auch das Recht der Bürger, umfassend informiert zu werden​​.

 

Jeder sollte sich eine eigene Meinung bilden können – deshalb die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts im Wortlaut, Quelle:

https://www.bverwg.de/de/pm/2024/39

Dem Antrag der COMPACT-Magazin GmbH, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) wiederherzustellen, hat das Bundesverwaltungsgericht heute mit bestimmten Maßgaben stattgegeben. Demgegenüber hat das Gericht die Anträge weiterer Antragsteller abgelehnt.

 

Mit Verbotsverfügung vom 5. Juni 2024 – vollzogen am 16. Juli 2024 – stellte das BMI unter Berufung auf § 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 2, § 17 Nr. 1 Var. 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 Var. 2 GG fest, dass die Antragstellerin zu 1 – die COMPACT-Magazin GmbH – und ihre Teilorganisation, die Antragstellerin zu 2, sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten, deshalb verboten würden und aufgelöst seien. Die Antragsteller zu 3 bis 10 werden in der Verbotsverfügung als Mitglieder genannt. Zur Begründung führte das BMI an, die Vereinigung lehne die verfassungsmäßige Ordnung nach ihren Zwecken und ihrer Tätigkeit ab und weise eine verfassungsfeindliche Grundhaltung auf. Dies komme u. a. in zahlreichen Beiträgen des monatlich erscheinenden “COMPACT-Magazin für Souveränität” zum Ausdruck. Hiergegen haben die Antragsteller zu 1 bis 10 am 24. Juli 2024 Klage erhoben, über die der Senat noch nicht entschieden hat. Zugleich haben sie jeweils Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, die vor allem darauf abzielen, den Betrieb als Presse- und Medienunternehmen während der Dauer des anhängigen Klageverfahrens fortführen zu können.

 

Bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Verbotsverfügung erweisen sich die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin zu 1 als offen. Zwar bestehen keine Bedenken gegen die Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf die in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierte und als Presse- und Medienunternehmen tätige Antragstellerin zu 1. Alles spricht auch dafür, dass die Verbotsverfügung formell rechtmäßig ist. In materieller Hinsicht gibt es keine Zweifel daran, dass es sich bei der Antragstellerin zu 1 um einen Verein i.S.d. § 2 Abs. 1 VereinsG handelt, der sich die Aktivitäten der Antragstellerin zu 2 als seiner Teilorganisation zurechnen lassen muss. Ob diese Vereinigung aber den – wie alle Gründe des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG eng auszulegenden – Verbotsgrund des Sichrichtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung erfüllt, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden.

 

Einzelne Ausführungen in den von der Antragstellerin zu 1 verbreiteten Print- und Online-Publikationen lassen zwar Anhaltspunkte insbesondere für eine Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) erkennen. Es deutet auch Überwiegendes darauf hin, dass die Antragstellerin zu 1 mit der ihr eigenen Rhetorik in vielen Beiträgen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen einnimmt. Zweifel bestehen jedoch, ob angesichts der mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit in weiten Teilen nicht zu beanstandenden Beiträge in den Ausgaben des “COMPACT-Magazin für Souveränität” die Art. 1 Abs. 1 GG verletzenden Passagen für die Ausrichtung der Vereinigung insgesamt derart prägend sind, dass das Verbot unter Verhältnismäßigkeitspunkten gerechtfertigt ist. Denn als mögliche mildere Mittel sind presse- und medienrechtliche Maßnahmen, Veranstaltungsverbote, orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote sowie Einschränkungen und Verbote von Versammlungen in den Blick zu nehmen.

 

Bei der dem Bundesverwaltungsgericht im Eilverfahren obliegenden Abwägung überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin zu 1 das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung. Da die Vollziehung des Vereinsverbots zu der sofortigen Einstellung des gesamten Print- und Onlineangebots führt, das den Schwerpunkt der Tätigkeit der Antragstellerin zu 1 ausmacht, kommt ihrem Interesse an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage im Hinblick auf die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG ein besonderes Gewicht zu. Dem Anliegen der Antragsgegnerin, die Fortsetzung der Tätigkeiten der Vereinigung auf Dauer zu unterbinden, kann in ausreichendem Maße durch die in dem Beschluss näher bezeichneten Maßgaben Rechnung getragen werden. Diese dienen vor allem der weiteren Auswertung der beschlagnahmten Beweismittel für das anhängige Hauptsacheverfahren.”

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