Ein handlungsfähiger Staat: Ein Zwischenbericht zu Reformen für eine moderne Demokratie
Wer hat den hier dargestellten Zwischenbericht vorgelegt?
Der Zwischenbericht Initiative für einen handlungsfähigen Staat wurde von einer Gruppe von Autoren verfasst: Julia Jäkel, Thomas de Maizière, Peer Steinbrück und Andreas Voßkuhle. Diese Initiative wurde im Sommer 2024 ins Leben gerufen und von den Stiftungen Hertie, Mercator, Thyssen und Zeit Bucerius unterstützt. Schirmherr ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Die Autoren haben sich zum Ziel gesetzt, die Blockaden staatlichen Handelns zu identifizieren und Reformvorschläge zu erarbeiten, die eine bessere Regierungsfähigkeit ermöglichen. Hierzu haben sie sich mit rund 50 Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft ausgetauscht.
Eine Zusammenfassung:
Warum brauchen wir Reformen? Die Ausgangslage
Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen:
- Sicherheitsrisiken – Der völkerrechtswidrige Angriff auf die Ukraine hat geopolitische Machtverschiebungen ausgelöst.
- Schwächelnde Wirtschaft – Das bisherige Exportmodell Deutschlands gerät ins Wanken.
- Fehlende Digitalisierung – Verwaltungsprozesse sind oft umständlich und ineffizient.
- Bürokratische Hürden – Innovation wird durch überbordende Vorschriften gehemmt.
- Verlust des Bürgervertrauens – Viele Bürger halten die Politik für abgehoben und ineffektiv.
Das Ergebnis: Der Staat erscheint unfähig zu handeln, obwohl es zahlreiche kluge Reformvorschläge gibt. Der Bericht stellt 30 konkrete Reformvorschläge vor.
Einige Reformvorschläge für einen handlungsfähigen Staat
1. Gesetzgebung reformieren – für verständlichere und effizientere Gesetze
- Gesetzgebungsverfahren sollen gründlicher, transparenter und vollzugsorientierter werden.
- Einführung von Experimentierklauseln, um neue Regelungen flexibel zu testen.
- Weniger Bürokratie, indem Dokumentations- und Nachweispflichten reduziert werden.
2. Föderalismus neu denken
- Klare Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen.
- Die Ministerpräsidentenkonferenz soll verbindliche Beschlüsse fassen können.
- Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern müssen klar geregelt sein, um Finanzierungschaos zu vermeiden.
3. Digitalisierung endlich vorantreiben
- Einrichtung eines Bundesministeriums für Digitales & Verwaltung.
- Digitalisierung der Verwaltung mit nutzerfreundlichen zentralen Online-Diensten.
- IT-Infrastruktur modernisieren, um den Rückstand Deutschlands aufzuholen.
4. Sicherheitspolitik an die neue Bedrohungslage anpassen
- Die Verfassungs- und Rechtslage der Bundeswehr („Wehrverfassung“) modernisieren.
- Ein Nationaler Sicherheitsrat und ein Nationales Lagezentrum sollen Bedrohungen frühzeitig erkennen.
- Cyberabwehr unter Bundeshoheit stellen, um Hackerangriffe effizient abzuwehren.
5. Migration & Abschiebepolitik reformieren
- Die Zuständigkeiten für Abschiebungen beim Bund bündeln, um Verfahren zu beschleunigen.
- Datenabgleich zwischen Polizeidienststellen verbessern, um Kriminalität effektiver zu bekämpfen.
6. Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit stärken
- Bürokratische Hürden für Unternehmen abbauen.
- Staat als strategischer Investor und Auftraggeber etablieren.
- Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft enger verzahnen, um Innovationen zu fördern.
7. Datenschutz pragmatisch reformieren
- Datenschutzregelungen entschlacken, um digitale Innovationen nicht zu behindern.
- Weniger Bürokratie für kleine und mittlere Unternehmen sowie Vereine.
Wie geht es weiter?
Im Juli 2025 soll ein Abschlussbericht veröffentlicht werden, der die Vorschläge weiter vertieft und um Rückmeldungen aus der Gesellschaft ergänzt.
Was ist an den Vorschlägen anders?
Der Zwischenbericht der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ setzt sich zwar mit vielen altbekannten Problemen auseinander – wie Bürokratieabbau, Modernisierung des Föderalismus oder Verwaltungsreformen –, hebt sich aber in einigen Punkten von bisherigen Vorschlägen aus Wissenschaft, dem Bund der Steuerzahler oder dem Bundesrechnungshof ab.
1. Systematische Betrachtung statt Einzellösungen
Viele der bisherigen Reformvorschläge – sei es aus der Wissenschaft oder von Institutionen wie dem Bundesrechnungshof – konzentrierten sich auf spezifische Bereiche:
- Der Bund der Steuerzahler fordert seit Jahren weniger Bürokratie und effizienteren Mitteleinsatz, insbesondere bei Subventionen und Fördergeldern.
- Der Bundesrechnungshof kritisiert regelmäßig ineffiziente Digitalisierungsvorhaben und Fehlallokationen staatlicher Mittel.
- Wissenschaftliche Studien, etwa von Think Tanks oder Wirtschaftsinstituten, beleuchten oft einzelne Reformfelder wie Steuerpolitik, Rentensystem oder Migration.
Die „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ geht darüber hinaus, indem sie nicht nur einzelne Probleme anspricht, sondern systematisch die „Gelingensbedingungen“ für Reformen untersucht.
2. Fokus auf „Gelingensbedingungen“ statt Detailmaßnahmen
Während sich der Bundesrechnungshof oder der Bund der Steuerzahler auf konkrete Fehlentwicklungen konzentrieren (z. B. teure Beraterverträge, gescheiterte IT-Projekte), stellt dieser Bericht die übergreifenden Strukturen in den Mittelpunkt, die Reformen überhaupt erst ermöglichen oder verhindern.
Beispiele:
- Gesetze müssen einfacher, praxisnäher und verständlicher werden. Viele frühere Reformvorschläge forderten lediglich „weniger Bürokratie“, dieser Bericht setzt an den Prozessen der Gesetzgebung selbst an.
- Digitalisierung braucht eine klare Governance. Statt nur IT-Projekte zu kritisieren, schlägt der Bericht die Einrichtung eines Digitalministeriums mit zentralem Digitalbudget vor.
- Reform des Föderalismus durch verbindliche Beschlüsse der Länder. Frühere Vorschläge blieben oft vage, hier wird konkret angeregt, den Bundesrat als Entscheidungsinstanz der Länder aufzuwerten.
Der Bericht stellt also nicht nur Symptome fest, sondern entwickelt systemische Reformansätze.
3. Politische Realisierbarkeit als Leitmotiv
Während viele wissenschaftliche Vorschläge an politischen Mehrheiten scheitern, argumentieren die Autoren des Berichts pragmatisch und konsensorientiert:
- Sie klammern strittige Themen wie eine umfassende Europäisierung des nationalen Rechts oder die Rolle der sozialen Medien bewusst aus.
- Statt maximaler Veränderungen setzen sie auf schrittweise Reformen, etwa durch Experimentierklauseln in der Gesetzgebung.
- Vorschläge wie die Bündelung der Abschiebekompetenzen beim Bund dürften sowohl in der Ampel als auch in einer möglichen konservativen Regierung konsensfähig sein.
Der Bericht versucht nicht, eine akademische Idealwelt zu entwerfen, sondern machbare Reformen zu formulieren.
4. Einbindung von Praktikern statt nur Experten
Viele Reformvorschläge kommen aus der Wissenschaft oder von Behördenprüfern. Die Autoren dieses Berichts haben dagegen 50 Praktiker aus Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft eingebunden. Darunter:
- Bürgermeister, die mit der Umsetzung von Gesetzen kämpfen
- IT-Experten, die Verwaltungsdigitalisierung aus erster Hand kennen
- Vertreter der Wirtschaft, die Bürokratiehürden realistisch einschätzen können
Der Bericht kombiniert also wissenschaftliche Expertise mit Erfahrungen aus der Praxis.
4. Einbindung von Praktikern statt nur Experten
Viele Reformvorschläge kommen aus der Wissenschaft oder von Behördenprüfern. Die Autoren dieses Berichts haben dagegen 50 Praktiker aus Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft eingebunden. Darunter:
- Bürgermeister, die mit der Umsetzung von Gesetzen kämpfen
- IT-Experten, die Verwaltungsdigitalisierung aus erster Hand kennen
- Vertreter der Wirtschaft, die Bürokratiehürden realistisch einschätzen können
Der Bericht kombiniert also wissenschaftliche Expertise mit Erfahrungen aus der Praxis.
Dieser Bericht ist keine radikale Neuentwicklung, sondern eine strategische Neuordnung vieler bestehender Reformideen.