Kündigung eines DDR-Altmietvertrags über Wohnraum

BGH – Urteil vom 13. November 2024 – VIII ZR 15/23
Ausgangslage und Sachverhalt:
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Rechtswirksamkeit der Eigenbedarfskündigung eines DDR-Altmietvertrags zu entscheiden. Die Beklagten mieteten 1990 eine Wohnung in Ost-Berlin aufgrund eines Formularmietvertrags mit einem Volkseigenen Betrieb (VEB). Der Vertrag nahm auf die Vorschriften des Zivilgesetzbuchs der DDR (ZGB-DDR) Bezug, insbesondere auf § 120, wonach eine Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter grundsätzlich ausgeschlossen war, es sei denn, der Vermieter benötigte die Wohnung aus „gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen“.
Nach Eigentumsübertragung erklärte der neue Vermieter in den Jahren 2020 und 2022 eine Eigenbedarfskündigung und erhob Räumungsklage. Während das Amtsgericht die Klage zugunsten des Vermieters entschied, wies das Landgericht sie ab. Es argumentierte, dass die Kündigung den strengen Anforderungen des ZGB-DDR, insbesondere der Voraussetzung „gesellschaftlich gerechtfertigter Gründe“, nicht genüge.
Rechtliche Würdigung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Landgerichts auf und stellte klar:
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Rechtsanwendung auf DDR-Altmietverträge:
- Durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland gilt für Mietverträge, die zuvor nach DDR-Recht geschlossen wurden, die Übergangsvorschrift des Art. 232 § 2 EGBGB.
- Diese regelt abschließend, dass die Kündigung eines DDR-Altmietvertrags nicht nach den Vorschriften des ZGB-DDR, sondern nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu beurteilen ist.
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Keine Bindung an frühere DDR-Rechtslage:
- Die vertraglich vereinbarte Bezugnahme auf das ZGB-DDR, insbesondere die strengen Voraussetzungen für eine Eigenbedarfskündigung (§ 122 Abs. 1 ZGB-DDR), hat nach dem Beitritt keine fortbestehende rechtliche Wirkung.
- Die Regelungen des BGB, konkret § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, sind vorrangig. Demnach ist eine Eigenbedarfskündigung zulässig, wenn der Vermieter die Räume für sich, seine Familie oder Angehörige seines Haushalts benötigt.
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Übergangsvorschriften als abschließende Regelung:
- Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen in Art. 232 § 2 EGBGB eine umfassende Interessensabwägung vorgenommen, die den Schutz von Mietern sowie die Rechte von Vermietern berücksichtigt.
- Abweichende oder weitergehende Regelungen aus DDR-Zeiten, die sich auf die Kündigungsbefugnisse beziehen, dürfen diesen abschließenden Bestimmungen nicht entgegenstehen.
Folgen der Entscheidung:
- Das Berufungsurteil wurde aufgehoben, da das Landgericht die strengen Anforderungen des ZGB-DDR unzutreffend weiter angewendet hatte.
- Der Fall wurde zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses muss nun feststellen, ob der vom Vermieter geltend gemachte Eigenbedarf tatsächlich vorliegt, und dabei die Anforderungen des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB anwenden.