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Was bedeutet richterliche Unabhängigkeit?

Arbeitsrecht – Erbrecht - Schulrecht

Was bedeutet richterliche Unabhängigkeit?

Justicia ist blind- Unabhängigkeit

Ein Fallbeispiel

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art. 97 

(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.

Deutsches Richtergesetz (DRiG)
§ 39 Wahrung der Unabhängigkeit

Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, daß das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird.

 


Die richterliche Unabhängigkeit ist ein fundamentaler Bestandteil des deutschen Rechtsstaats und wird in Artikel 97 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ausdrücklich garantiert.

Sie schützt Richter vor Beeinflussung durch andere Staatsorgane, politische Akteure oder private Interessen und sichert damit eine objektive und unparteiische Rechtsprechung. Im Detail lässt sie sich in zwei wesentliche Aspekte unterteilen:

1. Sachliche Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG)

Richter sind in ihrer Entscheidungsfindung ausschließlich an das Gesetz gebunden. Das bedeutet, sie dürfen nicht durch Anweisungen, Weisungen oder äußere Einflüsse – sei es von der Exekutive, der Legislative oder Dritten – in ihrer Urteilsfindung beeinträchtigt werden. Ihre Entscheidungen haben neutral und auf Grundlage der Rechtsordnung zu erfolgen, ohne Rücksicht auf politische, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Interessen.

  • Beispiel: Eine Regierung darf nicht versuchen, durch Weisungen oder Druck Einfluss auf die Entscheidungen eines Gerichts zu nehmen.
  • Diese Unabhängigkeit wird oft als Kern der Gewaltenteilung angesehen, die sicherstellt, dass die Judikative von Legislative und Exekutive getrennt arbeitet.

2. Persönliche Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 2 GG)

Die persönliche Unabhängigkeit bezieht sich auf die Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit von Richtern. Diese Grundsätze sind in § 46 Deutsches Richtergesetz (DRiG) konkretisiert. Sie sollen gewährleisten, dass Richterinnen und Richter ohne Furcht vor persönlichen Konsequenzen (z. B. Abberufung, Versetzung, Gehaltskürzungen) ihre Tätigkeit ausüben können.

  • Unabsetzbarkeit: Richter auf Lebenszeit können nur durch ein förmliches Gerichtsverfahren abgesetzt werden, etwa wenn sie eine schwere Verfehlung begehen.
  • Unversetzbarkeit: Sie dürfen nur mit ihrer Zustimmung versetzt werden, es sei denn, die Versetzung erfolgt auf Grundlage gesetzlicher Vorschriften.

Historische Bedeutung

Die richterliche Unabhängigkeit ist eine Lehre aus der deutschen Geschichte, insbesondere aus der Zeit des Nationalsozialismus, in der Richter massiven Eingriffen durch die Exekutive ausgesetzt waren. Sie stellt sicher, dass sich solche Eingriffe nicht wiederholen können.

Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit

Die richterliche Unabhängigkeit ist nicht absolut:

  • Rechtsbindung: Richter sind an das Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Entscheidungen dürfen nicht willkürlich sein und müssen den Grundsätzen von Recht und Gesetz folgen.
  • Dienstrechtliche Verpflichtungen: Richter unterliegen dennoch gewissen dienstrechtlichen Vorschriften, z. B. hinsichtlich ihrer Nebentätigkeiten (§ 39 DRiG).

Bedeutung für den Rechtsstaat

Die richterliche Unabhängigkeit ist eine Grundvoraussetzung für die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland. Nur durch unabhängige Gerichte können Bürger darauf vertrauen, dass Rechtsstreitigkeiten neutral und unparteiisch entschieden werden. Sie ist damit ein wesentlicher Pfeiler der Gewaltenteilung und der Verwirklichung des Grundsatzes der Gerechtigkeit.


Was gefährdet das Vertrauen in die richterliche Unabhängigkeit?

Die CAU und Richterin Nordmann – der Sachverhalt:

In dem Artikel „Das Verfahren scheint schon etwas verwunderlich“ der Kieler Nachrichten vom 12. Dezember 2024 äußert sich Richterin Nordmann zum Auswahlprozess der neuen Präsidentin der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Sie bemängelt insbesondere die mangelnde Transparenz und die unzureichende Einbindung aller relevanten Gremien. Nordmann betont, dass ein solch intransparenter Prozess das Vertrauen in die Hochschulleitung untergraben könne. Sie fordert daher eine Überprüfung des Verfahrens und plädiert für eine stärkere Beteiligung der universitären Gemeinschaft bei derartigen Entscheidungen.

Der Bericht trägt den Untertitel: Schleswiger Richterin Christine Nordmann sieht Chancen für Kläger

Damit stellt sich für den unbefangenen Betrachter die grundsätzliche Frage, ob eine OVG-Richterin sich zu einem laufenden Verfahren vor dem VG Schleswig öffentlich äußern und Bewertungen abgeben darf?

Ist ein derartiges Verhalten mit der Unabhängigkeit der Justiz und dem Vertrauen in den Rechtsstaat vereinbar?


Die Äußerungen von OVG-Richterin Nordmann in Bezug auf ein anhängiges Verfahren am Verwaltungsgericht (VG) Schleswig könnten aus mehreren rechtlichen und ethischen Perspektiven bewertet werden, insbesondere unter Berücksichtigung der richterlichen Unabhängigkeit und der Wahrung des Ansehens der Justiz.

Richterliche Unabhängigkeit (Art. 97 GG)

Die richterliche Unabhängigkeit dient dazu, sicherzustellen, dass Richterinnen und Richter ihre Entscheidungen ohne Einflussnahme von außen oder Vorbehalte treffen können. Diese Unabhängigkeit erstreckt sich auch auf die Verpflichtung, sich außerhalb des Verfahrens nicht zu einem konkreten anhängigen Fall zu äußern.

  • Problematische Aspekte der Äußerungen:

    • Wenn eine OVG-Richterin in einem öffentlich zugänglichen Interview oder Artikel dem Kläger „gute Chancen“ bescheinigt, könnte dies als unzulässige Vorwegnahme einer Entscheidung interpretiert werden, selbst wenn sie nicht direkt in das Verfahren eingebunden ist.
    • Die Empfehlung, ein Verfahren oder die Abläufe zu überprüfen, könnte als parteiliche Stellungnahme zugunsten einer der Parteien verstanden werden. Dies könnte die Unparteilichkeit infrage stellen, insbesondere wenn die Richterin später an einem möglichen Berufungsverfahren beteiligt wäre.
  • Grenzen der richterlichen Meinungsäußerung:

    • Richter dürfen sich zwar zu allgemeinen rechtlichen Fragestellungen äußern, aber sie müssen dabei strikt vermeiden, konkrete Fälle zu kommentieren, die noch anhängig sind.

Verstoß gegen das Gebot der Zurückhaltung

Die Verpflichtung zur Zurückhaltung ist ein zentraler Bestandteil des richterlichen Ethos. Nach § 39 Deutsches Richtergesetz (DRiG) haben Richter ihr Amt so zu führen, dass das Vertrauen in die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Justiz nicht gefährdet wird.

  • Äußerungen, die als Empfehlung wahrgenommen werden, könnten die Objektivität des Gerichts beschädigen, insbesondere wenn ein Eindruck von Parteilichkeit entsteht.
  • Selbst wenn die Richterin nicht unmittelbar am VG Schleswig oder am betreffenden OVG-Verfahren beteiligt ist, könnten ihre Aussagen den Eindruck erwecken, sie würde Druck auf die Entscheidungsfindung des VG ausüben.

Zulässigkeit und Angemessenheit

  • Unzulässig und unangemessen: Wenn die Äußerungen von Richterin Nordmann explizit Empfehlungen enthalten und dem Kläger gute Chancen bescheinigen, stellt dies eine Grenzüberschreitung dar. Solche Aussagen können als Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit und der Verpflichtung zur Zurückhaltung gewertet werden.
  • Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit: Richter sollten sich in derartigen Fällen strikt auf allgemeine Verfahrensfragen oder strukturelle Kritik beschränken, ohne dabei konkret Stellung zu einem anhängigen Fall zu nehmen.

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