Laborunfall als Ursprung der Corona-Pandemie?

Studien und Recherchen im Überblick
Laut Berichten der „Süddeutschen Zeitung“ und der „Zeit“ informierte der Bundesnachrichtendienst (BND) das Bundeskanzleramt sowohl unter der Leitung von Angela Merkel als auch unter Olaf Scholz über die Einschätzung, dass ein Laborunfall im chinesischen Wuhan als Ursache der Corona-Pandemie wahrscheinlich sei. Diese Einschätzung basierte auf der geheimdienstlichen Operation „Saaremaa“ und wurde mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 bis 95 Prozent bewertet. Beide Bundeskanzler entschieden jedoch, diese Informationen nicht öffentlich zu machen.
Hintergrund: Zoonose vs. Laborunfall
Seit dem Auftreten von SARS-CoV-2 in Wuhan (China) Ende 2019 wird über den Ursprung des Virus diskutiert. Die Hauptszenarien sind ein natürlicher Zoonose-Übergang (also eine Übertragung von Tieren auf Menschen) oder ein Laborunfall (ein versehentliches Entweichen des Virus aus einem Forschungslabor). Früh in der Pandemie sprachen sich viele Fachleute für einen natürlichen Ursprung aus. So identifizierten Virologen das neuartige Coronavirus als eng verwandt mit Fledermaus-Coronaviren, was auf einen tierischen Ursprung hinwies orf.at. Bereits im Februar 2020 veröffentlichten 27 renommierte Wissenschaftler in The Lancet einen offenen Brief, in dem sie „Verschwörungstheorien“ zurückwiesen, die eine unnatürliche Herkunft nahelegtenen.wikipedia.org. Kurz darauf untersuchte eine Studie die Genomsequenz von SARS-CoV-2 und fand keine Hinweise auf eine künstliche Manipulation des Virus
Allerdings blieb der genaue Weg der Übertragung unklar – bis heute wurde kein konkreter Zwischenwirt in der Tierwelt nachgewiesen, der das Virus von Fledermäusen auf den Menschen übertragen haben könnte. Diese Lücke in der Beweiskette und die Tatsache, dass das erste bekannte Ausbruchsgeschehen in Wuhan – dem Standort mehrerer Virologielabore – stattfand, hielten Spekulationen über einen Laborunfall am Leben. Insbesondere das Wuhan Institute of Virology (WIV), ein führendes Labor, das an Coronaviren forscht, geriet in den Fokus. Chinesische Behörden betonten wiederholt einen natürlichen Ursprung und brachten teils auch alternative Thesen ins Spiel (z.B. eine Einschleppung des Virus über Tiefkühlprodukte) reuters.com. In der Fachwelt galt ein Laborleck zunächst als unwahrscheinlich, wurde jedoch von einigen Forschenden und Journalisten als Hypothese weiter untersucht. Im Folgenden werden die wichtigsten Studien und Recherchen der letzten Jahre zusammengefasst, die einen Laborunfall als möglichen Ursprung der COVID-19-Pandemie beleuchten – neutral, faktenbasiert und mit Verweis auf originale Quellen. Dabei wird klar zwischen gesicherten Erkenntnissen und offenen Fragen oder Vermutungen getrennt.
2020: Erste Hinweise und Positionen
Bereits zu Beginn der Pandemie gab es einzelne Hinweise, die unterschiedliche Ursprungs-Thesen stützten. Genetische Analysen ergaben, dass SARS-CoV-2 zu ~96 % mit einem Fledermausvirus (RaTG13) übereinstimmt, das am WIV bekannt war en.wikipedia.org. Diese Nähe zeigt einerseits die natürliche Abstammung vom Tier, andererseits war bekannt, dass das WIV solche Viren sammelte – was Laborunfall-Spekulationen Nahrung gab. Öffentlich dominierten 2020 jedoch Stimmen für einen natürlichen Ursprung: Neben dem Lancet-Brief und der Nature Medicine-Studie scripps.edu erklärte z.B. der Virologe Christian Drosten im März 2020, es gebe “keine Anzeichen für ein im Labor erzeugtes Virus”. Einige frühe Mutmaßungen über ein Laborleck – etwa ein im Februar 2020 veröffentlichter (und kurz darauf zurückgezogener) Bericht eines chinesischen Forschers, der über zwei Virolabore in Wuhan spekulierte – blieben anekdotisch und ohne Belege.
In Deutschland sorgte Anfang 2021 (formal noch zur „ersten Welle“) eine ungewöhnliche Veröffentlichung für Aufsehen: Ein Hamburger Physiker, Roland Wiesendanger, stellte im Februar 2021 ein Dokument zusammen, in dem er auf Basis zahlreicher Indizien einen Laborunfall in Wuhan als pandemischen Ursprung postulierte tagesschau.de. Dieses Papier war nicht in einer Fachzeitschrift begutachtet und wurde von der Universität Hamburg per Pressemitteilung verbreitet. Die Aktion erntete breite Kritik aus der Wissenschaft, da Wiesendanger keine neuen Daten erhoben hatte und methodisch unsauber vorging
2021: WHO-Untersuchung in Wuhan
Im Jahr 2021 trat die Frage nach dem Ursprung in eine neue Phase, als eine internationale Expertengruppe unter Ägide der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach Wuhan reiste. Diese Mission untersuchte im Januar 2021 vier Hypothesen: direkten Tier-Mensch-Übergang, Übertragung über einen Zwischenwirt, Übertragung über Tiefkühl-Lebensmittel und einen Laborunfall. Der Abschlussbericht der WHO-China-Expertenkommission wurde am 30. März 2021 veröffentlicht. Darin stuften die Experten eine Laborfreisetzung als „extrem unwahrscheinlich“ ein orf.at. Sie kamen mehrheitlich zum Schluss, dass SARS-CoV-2 mit großer Wahrscheinlichkeit über ein Zwischenwirt-Tier vom Fledermaus-Reservoir auf den Menschen überging orf.at . Diese Bewertung entsprach den Erwartungen vieler und schloss weitere Fragen nicht aus – im Bericht wurden weitere Untersuchungen in allen Bereichen empfohlen, „mit Ausnahme von Trumps Behauptung“ (so formuliert es die Quelle) orf.at.
Allerdings war der WHO-Einsatz von Beginn an erschwert: Die Mission startete verspätet, die Experten hatten nur begrenzten Zugang zu Originaldaten, und chinesische Offizielle bestanden darauf, dass ein Laborunfall „sehr unwahrscheinlich“ sei. Der WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus distanzierte sich kurz nach Veröffentlichung des Berichts von einer endgültigen Festlegung. Er betonte, alle Hypothesen blieben weiterhin „auf dem Tisch“ und forderte zusätzliche Studien who.int. Gemeinsam mit mehreren Staaten (u.a. den USA und EU-Ländern) drängte die WHO auf mehr Transparenz und Zugang zu Rohdaten en.wikipedia.org. China lehnte jedoch Aufrufe zu zusätzlichen Laborinspektionen als „respektlos“ ab.
Die Diskussion um den Laborursprung erhielt dadurch neue Dynamik: Einerseits stand ein renommiertes Expertengremium, das ein Laborleck als kaum begründet ansah orf.at; andererseits bemängelten internationale Wissenschaftler und Politiker, dass wichtige Daten nicht offengelegt wurden und die Laborhypothese vorschnell verworfen sein könnte en.wikipedia.org. Im Juli 2021 räumte Tedros ein, die Möglichkeit eines Laborunfalls sei voreilig ausgeschlossen worden, und rief Phase 2 der Ursprungsermittlung aus – inklusive Audits relevanter Labore en.wikipedia.org. China verweigerte auch diese Nachuntersuchung. Die WHO setzte später eine ständige Expertenkommission (SAGO) ein, die im Juni 2022 in einem Zwischenbericht abermals zu gründlicher Prüfung eines Laborursprungs aufrief, gleichzeitig aber festhielt, dass die stärksten Indizien weiterhin auf eine Zoonose hindeuten en.wikipedia.org.
2021: Wiederaufleben der Laborthese durch Wissenschaftler und Medien
Parallel zu den WHO-Aktivitäten formierte sich 2021 eine wachsende Zahl an Wissenschaftlern und Journalisten, die eine unvoreingenommenere Prüfung der Laborthese forderten. Im Mai 2021 veröffentlichten 18 angesehene Forschende (u.a. von Stanford und dem MIT) einen Brief in der Fachzeitschrift Science. Darin kritisierten sie, die Möglichkeit eines Laborunfalls sei in der WHO-Studie nicht ausgewogen geprüft worden. Sie forderten, sowohl die Labor- als auch die Zoonose-Hypothese „ernsthaft zu untersuchen“, solange nicht ausreichende Daten für eine eindeutige Schlussfolgerung vorliegen healthpolicy-watch.news. Unter den Unterzeichnern befand sich z.B. der Coronavirus-Experte Ralph Baric, was dem Aufruf Gewicht verlieh healthpolicy-watch.news. Dieser Brief markierte einen Wendepunkt, denn er zeigte, dass auch Teile der Fachwelt die Laborhypothese nicht länger als bloße Verschwörungstheorie ansehen, sondern als legitime Frage an die Wissenschaft.
In den USA berichteten währenddessen renommierte Medien neue Indizien: So enthüllte das Wall Street Journal unter Berufung auf einen Geheimdienstbericht, dass drei Mitarbeiter des WIV bereits im November 2019 so schwer erkrankten, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten reuters.com. Diese Erkrankungen – kurz vor den ersten bekannten COVID-19-Fällen – schürten weitere Zweifel, ob der Ausbruch wirklich zufällig in Wuhan begann, oder ob es einen Labor-Zusammenhang gab. (Die chinesische Regierung stritt den Bericht umgehend ab reuters.com.) Mehrere große Zeitungen veröffentlichten 2021 ausführliche Recherchen zum Thema. Dabei wurden z.B. folgende Punkte diskutiert: Das WIV hatte tausende Fledermausvirus-Proben, führte Experimente mit Coronaviren durch (inklusive Gain-of-Function-Versuchen, bei denen Viren gezielt verändert werden) und ein öffentliches Virus-Datenbankarchiv des WIV war kurz vor der Pandemie offline genommen worden – alles Umstände, die kritische Fragen nach der Biosicherheit aufwarfen. Gleichzeitig wurde öffentlich bekannt, dass früh in der Pandemie einige führende Virologen intern durchaus einen Laborursprung für möglich gehalten hatten, dann aber – teils aus Sorge vor Rufschädigung der Wissenschaft – die Zoonose-Theorie betonten. Diese Gemengelage führte dazu, dass die US-Regierung im Mai 2021 ankündigte, die eigenen Geheimdienste mit einer 90-tägigen Überprüfung der Ursprungstheorien zu beauftragen.
Im August 2021 legte die US-Geheimdienstgemeinschaft (Intelligence Community, IC) ihren Bericht vor, der später in einer Zusammenfassung deklassifiziert wurde. Das Ergebnis war uneinheitlich: Alle US-Geheimdienste hielten sowohl einen natürlichen Ursprung als auch einen Laborunfall für plausibel dni.gov. Vier Geheimdienste und der Nationale Geheimdienstrat vermuteten eher eine Zoonose (jedoch nur mit niedriger Vertrauenswürdigkeit ihrer Einschätzung), während eine Behörde mit moderater Zuversicht einen Laborunfall als wahrscheinlichste Erklärung nannte dni.gov. Die übrigen Dienste blieben unentschieden dni.gov. Zudem stellte der Bericht fest, es gebe keine Hinweise, dass SARS-CoV-2 als Biowaffe entwickelt wurde, und es sei wahrscheinlich nicht gentechnisch erzeugt worden. Auch hatten chinesische Offizielle laut US-Informationen keine Vorkenntnis vom Virus vor dem Ausbruch
2022: Neue wissenschaftliche Studien und politische Untersuchungen
Im Jahr 2022 erschienen wichtige wissenschaftliche Arbeiten, die weitere Puzzleteile zur Ursprungsfrage lieferten. Zwei Studien, veröffentlicht im Juli 2022 in Science, untersuchten die frühen Ausbrüche in Wuhan genauer. Eine Forschungsgruppe kartierte die ersten bekannten COVID-19-Fälle geographisch und stellte fest, dass viele dieser Fälle sich auf den Huanan-Tiermarkt in Wuhan konzentrierten, wo diverse lebende Wildtiere verkauft wurden en.wikipedia.org. Eine zweite Studie analysierte die genetischen Sequenzen früher Virus-Proben und fand Hinweise darauf, dass mindestens zwei getrennte Übersprünge vom Tier auf den Menschen stattgefunden haben müssen (was bei einem einzelnen Laborvorfall weniger wahrscheinlich wäre) en.wikipedia.org. Diese Arbeiten stärkten die Zoonose-These, indem sie zeigten, dass der Markt als Epizentrum der ersten Welle eine große Rolle gespielt haben könnte. Kritiker merkten jedoch an, dass auch diese Studien keinen infizierten Ursprungsträger (Tier) identifizierten, sondern „nur“ die Umgebung des Marktes als wahrscheinlichen Amplifikationsort der Pandemie ausmachten.
Während die wissenschaftlichen Indizien für einen Tiermarkt-Ausbruch zunahmen, blieben einige Regierungen und Parlamente skeptisch und führten eigene Untersuchungen durch. Im Oktober 2022 veröffentlichte der Minderheiten-Ausschuss der US-Senate (geführt von republikanischen Senatoren) einen Zwischenbericht zur Pandemieentstehung. Darin kamen die Verfasser zu dem Schluss, „mit größter Wahrscheinlichkeit“ sei die Pandemie durch einen forschungsbezogenen Zwischenfall entstanden – sprich ein Laborunfall help.senate.gov. Diese Wertung stützten sie auf eine Reihe von Auffälligkeiten: das Ausbleiben früherer Vorwarnungen in der Tierpopulation, die schnellen Anpassungen des Virus an den Menschen ohne erkennbare „Zwischenmutationen“ in einem Tierwirt, sowie Berichte über mangelnde Sicherheit und riskante Experimente am WIV. Der Bericht betonte jedoch auch, dass mangels Transparenz aus China keine endgültige Gewissheit erreicht werden könne und neue Informationen zu einer Neubewertung führen könnten help.senate.gov. (Es handelte sich nicht um einen parteiübergreifenden Konsensbericht des gesamten Senats, sondern um eine von einer Partei initiierte Analyse.)
Auch in China selbst wurde die Debatte indirekt weiter befeuert, als Anfang 2022 bekannt wurde, dass ein Minenunglück von 2012 in Mojiang (Yunnan) im Zusammenhang mit SARS-ähnlichen Viren stand: Damals erkrankten Bergleute nach Kontakt mit Fledermauskot schwer; Forscher des WIV isolierten aus jener Mine Jahre später ein Virus (RaTG13), das – wie erwähnt – genetisch am nächsten mit SARS-CoV-2 verwandt ist en.wikipedia.org. Manche vermuteten, dass das WIV noch weitere, unveröffentlichte Virusstämme aus dieser Mine besitzen könnte, die SARS-CoV-2 ähnlich sind. Bestätigte Fakten hierzu fehlen allerdings; Shi Zhengli, die WIV-Virologin, betont, RaTG13 sei der nächste bekannte Verwandte, aber immer noch deutlich verschieden (rund 4 % Genomabweichung entsprechen Jahrzehnten evolutiver Distanz) orf.at. Die Mojiang-Episode zeigt jedoch, dass China relevante Vorfälle hatte, die zumindest indirekt mit der aktuellen Pandemie in Verbindung stehen – was die Notwendigkeit transparenter Aufklärung unterstreicht.
2023: Neue Indizien – Geheimdienst-Updates und Tiermarkt-Daten
Im Jahr 2023 stand das Pandemie-Ursprungsthema wieder verstärkt in den Schlagzeilen. US-Geheimdienste revidierten oder präzisierten ihre Einschätzungen: So wurde bekannt, dass das US-Energieministerium (DOE) seine Position angepasst hatte und nun mit geringer Sicherheit von einem Laborvorfall als Ursprung ausgehe cidrap.umn.edu. Ebenso bekräftigte das FBI, es sehe einen Laborunfall mit moderater Sicherheit als wahrscheinlich an cidrap.umn.edu. Im Gegensatz dazu blieben vier andere US-Dienste bei der Annahme eines natürlichen Ursprungs (weiterhin mit niedriger Gewissheit), während zwei große Geheimdienste – darunter die CIA – sich keiner Seite fest anschlossen cidrap.umn.edu
. Dieses bekannt gewordene Meinungsbild (vier pro Zoonose, zwei pro Labor, zwei unentschieden) entsprach im Kern der bereits 2021 festgestellten Uneinigkeit, zeigte aber, dass innerhalb der US-Behörden Bewegung in der Bewertung war. Der politische Druck in Washington wuchs ebenfalls: Im März 2023 beschloss der Kongress einstimmig ein Gesetz zur Freigabe von Geheimdienstinformationen über den Virusursprung
. Präsident Biden unterzeichnete dies, und bis Juni 2023 veröffentlichte das Office of the Director of National Intelligence (ODNI) einen weiteren Bericht mit Details. Daraus ging u.a. hervor, dass US-Analysten die im WIV berichteten Krankheitsfälle (die drei erkrankten Forscher von 2019) neu bewertet hatten: Demnach gab es tatsächlich im Herbst 2019 mehrere milde Erkrankungen unter WIV-Mitarbeitern, jedoch mit Symptomen, die eher auf gewöhnliche Infekte (Erkältungen, Allergien) hindeuteten – keiner der Betroffenen hatte typische COVID-Symptome, und es gab keinen Krankenhausaufenthalt wegen COVID-ähnlicher Lungenentzündung cidrap.umn.edu. Diese nachträgliche Entkräftung des „drei schwer Erkrankten“-Narrativs relativierte ein wichtiges Pro-Laborunfall-Indiz: Möglicherweise waren die WIV-Mitarbeiter im November 2019 nicht an SARS-CoV-2 erkrankt, sondern zufällig zeitgleich an anderen, harmloseren Infekten – was gegen einen bereits damals im Labor kursierenden Virus spricht.
Während also die Geheimdienste weiter forschten, kamen aus der Wissenschaft neue handfeste Daten ans Licht. Im März 2023 berichteten Forscherteams von einer Analyse bisher unveröffentlichter genetischer Rohdaten vom Huanan-Wildtiermarkt. Chinesische Behörden hatten Anfang 2020 Proben auf dem Markt genommen (Abstriche von Böden, Käfigen, etc.), die Jahre später nun internationalen Experten zugänglich wurden. Die Kernerkenntnis: Einige Umweltproben, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet hatten, enthielten ebenfalls genetisches Material von Marderhunden (Racoon Dogs) – einem Wildtier, das auf dem Markt illegal verkauft wurde smithsonianmag.com. Diese räumliche Ko-Präsenz von Virus und potenziellem Wirtstier stellt kein absoluter Beweis dar, ist aber ein starkes Indiz dafür, dass infizierte Tiere auf dem Markt waren. „Es platziert das Virus und den Hund sehr nah beieinander“, erläuterte ein unabhängiger Immunologe die Bedeutung der Funde, auch wenn es nicht zweifelsfrei bedeute, dass der Hund tatsächlich Träger war smithsonianmag.com. Die beteiligten Wissenschaftler betonten, man könne nicht definitiv zeigen, dass der Marderhund das Virus zuerst auf Menschen übertrug, aber der Befund sei hochgradig suggestiv dafür smithsonianmag.com. Experten bezeichneten diese Daten als stärksten Hinweis bisher auf einen tierischen Ursprung der Pandemie theatlantic.com. Die Weltgesundheitsorganisation forderte China nach Bekanntwerden der Ergebnisse auf, alle derartigen Daten offenzulegen. Allerdings blieb auch hier eine Einschränkung: die Proben zeigen nur, dass die DNA eines anfälligen Tieres und das Virus am selben Ort und zur selben Zeit vorhanden waren – welche Spezies wen angesteckt hat (Tier den Menschen oder umgekehrt) lässt sich nicht zweifelsfrei daraus ablesen unmc.edu. Nichtsdestotrotz haben diese Funde das wissenschaftliche Gewicht der Beweislage zugunsten eines natürlichen Ursprungs weiter erhöht.
2024–2025: Fortgesetzte Untersuchungen und neue Enthüllungen
Obwohl die akute Pandemie abgeflaut ist, dauern die Ursprungs-Recherchen an. Im März 2024 veröffentlichten Wissenschaftler aus den USA und Australien eine Analyse in der Fachzeitschrift Risk Analysis, in der sie mithilfe einer strukturierten Risikobewertungs-Methode die Wahrscheinlichkeiten eines natürlichen vs. unnatürlichen Ursprungs abschätzten. Sie kritisierten, dass sich die meisten Untersuchungen bislang auf die Zoonose-These konzentriert hätten, ohne einen Zwischenwirt zu finden
Tatsächlich kam im März 2025 eine überraschende Enthüllung ans Licht: Recherchen der Zeit und Süddeutschen Zeitung ergaben, dass der Bundesnachrichtendienst bereits 2020 intern die Laborthese als „wahrscheinlich“ einstufte spiegel.de. Demnach sammelte der BND im Rahmen einer Operation namens “Saaremaa” wissenschaftliche Daten aus China, inklusive Informationen aus dem WIV. Diese sollen Hinweise auf riskante Experimente (Gain-of-Function) und Verstöße gegen Laborsicherheitsvorschriften enthalten spiegel.de. Laut den Medienberichten bewertete der BND einen Laborunfall in Wuhan mit einer Wahrscheinlichkeit von 80–95 % spiegel.de – ein erstaunlich deutliches Votum. Das Bundeskanzleramt unter Angela Merkel hielt diese Einschätzung jedoch unter Verschluss und informierte weder die Öffentlichkeit noch internationale Gremien wie die WHO spiegel.de. Erst nach Regierungswechsel wurde Kanzler Scholz informiert; seither läuft eine vertrauliche Überprüfung durch externe Wissenschaftler, deren Ergebnis noch aussteht spiegel.de. Diese Entwicklung ist brisant: Ein westlicher Nachrichtendienst von hoher Reputation hält (basierend auf geheim beschafften Daten) einen Laborursprung für sehr wahrscheinlich – im Widerspruch zur öffentlichen Kommunikation der deutschen Regierung in den ersten Pandemiejahren. Noch ist unklar, welche konkreten Befunde den BND zu dieser klaren Einschätzung brachten und wie belastbar diese sind. Die eingesetzten Expertengremien sollen genau das evaluieren.
Aktueller Wissensstand: Gesicherte Erkenntnisse und offene Fragen
Nach mehreren Jahren intensiver Forschung und Untersuchung gibt es einige gesicherte Fakten zum Ursprung von SARS-CoV-2, aber auch weiterhin offene Fragen und konkurrierende Hypothesen:
Wissenschaftlich gut belegt ist:
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Natürliches Reservoir: SARS-CoV-2 stammt letztlich von Viren aus dem Tierreich ab. Die nächsten Verwandten wurden in Fledermäusen gefunden orf.at. Dieses Reservoir ist unstrittig. Die Virusgenome zeigen keinerlei Merkmale gezielter gentechnischer Veränderungen scripps.edu. Fachanalysen kommen überein, dass das Virus nicht im Labor künstlich geschaffen wurde, sondern auf natürlichem Wege evolutionär entstanden ist scripps.edu.
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Ausbruchsort Wuhan: Die ersten bekannten Infektionscluster traten in Wuhan auf. Ein großer Teil der frühesten COVID-19-Fälle lässt sich in einen räumlichen Zusammenhang mit dem Huanan-Seafood/Großmarkt in Wuhan bringen en.wikipedia.org. Dort wurden wildgefangene lebende Tiere verkauft, von denen einige (z.B. Marderhunde) für Coronaviren empfänglich sind. Umweltproben vom Markt zeigten später Virusmaterial zusammen mit DNA dieser Tiere, was stark darauf hindeutet, dass infizierte Tiere anwesend waren smithsonianmag.com. Dies unterstützt die Hypothese, dass der Markt ein Ort der Überspringung des Virus von Tier auf Mensch war.
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Kein Zwischenwirt identifiziert: Trotz umfangreicher Tests und Nachforschungen wurde bislang kein konkretes Tier als “Patient Null” gefunden. Weder Fledermäuse noch Marderhunde oder andere in Frage kommende Wildtiere konnten als Träger des ersten humanpathogenen SARS-CoV-2 isoliert werden. Das Fehlen dieses Belegs lässt zwar Raum für Spekulation, ist aber nicht ungewöhnlich – auch bei früheren Ausbrüchen (z.B. SARS 2002/03) dauerte es lange, bis Zwischenwirte identifiziert wurden. Einige Pandemien (wie HIV) konnten bis heute nicht lückenlos auf einen einzelnen Übertragungsakt zurückgeführt werden.
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Laborsicherheit als allgemeines Risiko: Unabhängig von SARS-CoV-2 ist dokumentiert, dass Laborunfälle weltweit vorkommen können. Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Krankheitserreger versehentlich freigesetzt wurden (z.B. SARS-1 Fälle 2004 in Labors in Peking). Daher erscheint ein Laborunfall als prinzipielle Möglichkeit nicht abwegig. In Wuhan existieren mehrere Laboratorien (WIV, Institut für Virologie der Akademie der Wissenschaften, Wuhan CDC-Labor) – das WIV verfügt seit 2018 über ein Hochsicherheitslabor der Stufe 4. Allerdings ist kein konkreter Unfall oder Sicherheitsvorfall im Jahr 2019 in Wuhan belegt en.wikipedia.org. Alle beteiligten chinesischen Institute verneinen einen Unfall. Westliche Geheimdienste haben keine eindeutigen Beweise für einen Laborvorfall gefunden (sonst wäre die Bewertung nicht so unsicher geblieben). Somit bleibt ein Laborursprung trotz aller Indizien bis heute hypothetisch.
Offene Fragen und Streitpunkte sind vor allem:
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Der Übertragungsweg: Sollte es eine Zoonose gewesen sein, wann und wo genau erfolgte der Sprung? War der Huanan-Markt der Ursprung oder nur ein Verstärker, nachdem die erste Infektion womöglich anderswo passiert war? Einige frühe Fälle in Wuhan hatten keinen Marktkontakt orf.at, was andeutet, dass die Pandemie möglicherweise vor dem Marktgeschehen begann orf.at. Falls ein Laborunfall erfolgte, warum gibt es dann keinen dokumentierten Vorfall? War es eventuell ein asymptomatisch infizierter Proben-Sammler oder Laborant („Patient Zero“), der selbst nicht bemerkte, das Virus nach Wuhan hereinzutragen? Peter Ben Embarek, der Leiter der WHO-Mission, merkte an, ein Szenario, bei dem sich ein Mitarbeiter beim Sammeln von Fledermausproben in der Wildnis infiziere und das Virus mitbringe, würde sowohl zur Laborhypothese als auch zur natürlichen Spillover-Hypothese passen en.wikipedia.org – eine feine theoretische Linie.
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Transparenz der Daten: Viele Primärdaten aus China bleiben unveröffentlicht oder unter Verschluss. Dazu gehören Original-Krankenakten früher Fälle, Rohdaten der Marktbefunde, Virussequenzen aus Wildtierpopulationen von 2019 und davor, sowie die internen Protokolle der Wuhaner Labore. Die internationale Forschergemeinde ist weitgehend auf freiwillige Informationen chinesischer Stellen angewiesen. Dies erschwert unabhängige Überprüfungen. Die bekannten Widersprüche (z.B. die verzögert bekannt gewordenen Marderhund-Daten) haben das Vertrauen nicht gestärkt. Die Frage ist offen, ob China eventuell weitere relevante Informationen hat, die den Ursprung erhellen könnten – und wenn ja, ob und wann diese der Welt zugänglich gemacht werden.
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Geheimdienstliche Erkenntnisse überprüfen: Die Behauptungen des BND über chinesische Labordaten, Verstöße und hohe Wahrscheinlichkeit für einen Laborunfall müssen noch von unabhängigen Experten eingeordnet werden spiegel.de. Wenn sich diese Informationen bestätigen, wäre das ein starkes Indiz zugunsten der Laborthese. Bislang sind die konkreten Inhalte der „Operation Saaremaa“-Dokumente nicht öffentlich. Ähnliches gilt für US-Geheimdienstinfos: Etwaige direkte Hinweise (etwa abgefangene Kommunikationen oder unbekannte Virussequenzen) wurden nicht publiziert. Es bleibt abzuwarten, ob künftige Deklassifizierungen oder Leaks hier Gewissheit bringen.
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Wahrscheinlichkeit vs. Beweis: Viele Diskussionen drehen sich um Indizien und Wahrscheinlichkeiten. So gibt es statistische Auffälligkeiten, etwa dass eine Pandemie exakt in der Stadt startet, wo ein großes Virenlabor steht – ein äußerst ungewöhnlicher Zufall, sagen die einen; aber auch die größte Stadt in Südchina wäre statistisch immer nahe irgendeinem Labor, kontern die anderen en.wikipedia.org. Solche Argumente sind plausibel, ersetzen aber keinen Beweis. Bis heute wurde kein „Smoking Gun“ präsentiert, der eine der Theorien zweifelsfrei bestätigt. Weder fand man das Virus (oder sein unmittelbares Vorläufer-Virus) in einem Gefrierschrank des WIV, noch entdeckte man es in einer Fledermaushöhle oder einem Tierstall als genaues Match. Solange diese Evidenzlücke besteht, werden beide Seiten der Ursprungsdebatte Argumente anführen können.
Der Ursprung des Coronavirus ist nach wie vor nicht mit letzter Sicherheit geklärt. Vieles spricht nach wie vor für eine zoonotische Entstehung – insbesondere die enge Verwandtschaft zu bekannten Tier-Viren und die neuen Marktdaten, die das Virus mit wildlebenden Wirten in Verbindung bringen. Es gibt jedoch auch berechtigte Fragen, wie es sein kann, dass trotz intensiver Suche kein Zwischenwirt gefunden wurde, und Hinweise darauf, dass in Wuhan unter Laborbedingungen mit ähnlichen Viren gearbeitet wurde. Maßgebliche Untersuchungen – von der WHO, von Geheimdiensten und aus der Wissenschaft – haben keine eindeutige Widerlegung der Laborthese erbracht, sondern vielmehr betont, dass beide Szenarien plausibel bleiben dni.gov. In der Wissenschaft dominieren zwar Stimmen, die eine natürliche Herkunft favorisieren, doch wird ein Laborunfall als Hypothese weiterhin ernstgenommen und weiter erforscht healthpolicy-watch.news.
Am Ende läuft es auf die Verfügbarkeit harter Daten hinaus. WHO-Chef Tedros sagte: „Wir haben den Ursprung des Virus noch nicht gefunden… wir müssen der Wissenschaft folgen und jeden Stein umdrehen“
Quellen: Offizielle Berichte, wissenschaftliche Publikationen und Presseberichte (WHO, Nature/Science, US DNI, The Lancet, Science-Magazin, Wall Street Journal/Reuters, Tagesschau, SZ/Zeit/Spiegel u.a.), siehe einzelne Nachweise im Text.
- von KorffAdmin2
- unter 14. März 2025