Schuljahr 2024/25: Kein Fehlerquotient mehr bei Bewertung der Rechtschreibung

In Schleswig-Holstein wird Rechtschreibung und Zeichensetzung nicht mehr quantitativ, sondern nur noch qualitativ bewertet.
Zum Schuljahr 2024/2025 entfällt der sogenannte Fehlerquotient zur Bewertung der Rechtschreibkompetenzen im schleswig-holsteinischen Deutschunterricht. Für Lehrer geht es ab dem kommenden Schuljahr nicht mehr um die anzahl der Fehler, die Schüler gemacht haben. Es soll entscheidet sein, welche Fehler Schüler machen und welche besonders häufig.
Der Fehlerquotient war ein Berechnungssystem, bei dem die Anzahl der Fehler in Relation zur Anzahl der geschriebenen Wörter gesetzt wurde, um eine gerechtere Beurteilung der Rechtschreibleistung zu ermöglichen.
Gründe für die Abschaffung:
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Vereinheitlichung der Bewertung: Ein zentrales Argument für die Abschaffung des Fehlerquotienten ist der Wunsch nach einer einheitlicheren und transparenteren Bewertungspraxis. Kritiker des Fehlerquotienten argumentieren, dass die Berechnung oft kompliziert und für Schüler sowie Eltern schwer nachvollziehbar war. Eine vereinfachte Bewertung, die auf der Gesamtzahl der Fehler basiert, soll Klarheit und Einheitlichkeit schaffen.
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Pädagogische Überlegungen: Einige Pädagogen haben den Fehlerquotienten als zu technisch und wenig pädagogisch wertvoll kritisiert. Sie argumentieren, dass das Zählen von Fehlern in Relation zur Textlänge den Blick auf die tatsächliche Qualität des Textes und die Fortschritte der Schüler verstellt. Durch die Abschaffung soll der Fokus stärker auf die Gesamtleistung und die individuelle Entwicklung der Schüler gelenkt werden.
Warum ist dies ein Problem?
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Benachteiligung schwächerer Schüler: Kritiker befürchten, dass die Abschaffung des Fehlerquotienten besonders schwächere Schüler benachteiligen könnte. Der Fehlerquotient ermöglichte es, auch bei längeren Texten, bei denen naturgemäß mehr Fehler gemacht werden, eine verhältnismäßige Bewertung zu erhalten. Ohne diesen könnte die Fehlerzahl bei umfangreicheren Arbeiten zu einer schlechteren Note führen, selbst wenn der Schüler insgesamt Fortschritte gemacht hat.
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Subjektivität in der Bewertung: Der Fehlerquotient bot eine mathematisch nachvollziehbare Grundlage für die Notenvergabe, die nun durch eine möglicherweise subjektivere Einschätzung ersetzt wird. Ohne diese klare Richtlinie könnte es zu Inkonsistenzen in der Bewertung zwischen verschiedenen Lehrern oder Schulen kommen, was die Vergleichbarkeit der Leistungen erschwert.
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Motivationsprobleme: Einige Experten warnen davor, dass Schüler durch die Abschaffung des Fehlerquotienten weniger motiviert sein könnten, sich an längere und komplexere Texte heranzuwagen, wenn sie befürchten müssen, dass dies automatisch zu mehr Fehlern und somit zu schlechteren Noten führt.
Insgesamt ist die Abschaffung des Fehlerquotienten ein umstrittenes Thema. Befürworter sehen darin einen Schritt hin zu einer klareren und einfacheren Bewertungspraxis, während Kritiker die potenziellen negativen Auswirkungen auf die Fairness und Motivation der Schüler betonen.
Dazu sagt der Verein deutsche Sprache im April 2024:
Rechtschreibung ist Bestandteil von Klassenarbeiten. Bisher galt die Regel, dass Rechtschreibfehler die Note senken können. Die Bundesländer wenden sich von diesem Bewertungskriterium ab, nun auch Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien. Sie gab bekannt, dass ab dem Schuljahr 2024/2025 der sogenannte Fehlerquotient zur Bewertung der Rechtschreibkompetenzen nicht mehr ausschlaggebend sei. Die Vermittlung von Rechtschreib- und Zeichensetzungskompetenz bleibe aber „weiterhin zentral“, wird Prien von der Welt zitiert. Didaktisch könne man diese Entscheidung rechtfertigen, denn das bloße Aufzählen von Fehlern werde durch eine qualitative Rückmeldung über Fehlerschwerpunkte und die Systematik der Fehler ersetzt. Zur Zeit werde im Ministerium ein „differenzierter Analysebogen“ entwickelt. Schleswig-Holstein und Hessen seien aktuell die letzten Bundesländer, die den Fehlerquotienten zur Bewertung der Rechtschreibkompetenz verwenden. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann zweifelt in der Zeit sogar, wie wichtig das Beherrschen der Rechtschreibung heutzutage noch sei, denn Schreibprogramme „korrigieren alles“. (welt.de)
Die Kultusministerin von Schleswig-Holstein, Karin Prien, hat die Entscheidung zur Abschaffung des Fehlerquotienten unterstützt und verteidigt. Sie argumentiert, dass diese Maßnahme dazu beitragen soll, die Bewertungspraxis in den Schulen transparenter und gerechter zu gestalten. Prien betont, dass der Fehlerquotient in der Vergangenheit für Verwirrung und mangelnde Nachvollziehbarkeit gesorgt habe, sowohl bei Lehrern als auch bei Eltern und Schülern.
Ein weiterer Aspekt, den Prien hervorhebt, ist die pädagogische Ausrichtung: Sie setzt sich dafür ein, dass Bewertungen nicht nur auf einer mechanischen Zählung von Fehlern basieren, sondern die gesamte Leistung und Entwicklung der Schüler stärker berücksichtigt wird. Ziel ist es, die Schüler individueller zu fördern und ihre Fähigkeiten umfassender zu bewerten.
Dazu der Deutsche Philologenverband:
Frau Susanne Lin-Klitzing, die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, hat sich zur Abschaffung des Fehlerquotienten kritisch geäußert. Sie sieht die Entscheidung, den Fehlerquotienten abzuschaffen, als problematisch an, da er eine differenzierte und faire Bewertung der Rechtschreibleistungen ermöglicht habe.
Lin-Klitzing argumentiert, dass der Fehlerquotient gerade schwächere Schüler schützt, weil er die Anzahl der Fehler in Relation zur Textlänge setzt. Dadurch wird vermieden, dass Schüler, die längere Texte schreiben und dadurch mehr Fehler machen, automatisch schlechter bewertet werden als Schüler, die kürzere Texte verfassen. Sie befürchtet, dass ohne den Fehlerquotienten eine größere Ungerechtigkeit entsteht, da Schüler mit einer höheren Schreibmotivation und produktiveren Texten benachteiligt werden könnten.
Zudem hebt sie hervor, dass der Fehlerquotient eine klar nachvollziehbare und transparente Methode darstellt, die es Lehrern erleichtert, objektiv zu bewerten und dabei die individuellen Leistungen der Schüler zu berücksichtigen. Die Abschaffung könnte ihrer Meinung nach zu einer größeren Subjektivität in der Notengebung führen und die Vergleichbarkeit der Bewertungen zwischen verschiedenen Lehrern und Schulen beeinträchtigen.
Insgesamt plädiert Lin-Klitzing dafür, den Fehlerquotienten beizubehalten.
Beispiel für einen durchschnittlichen Text eines Schülers in der 4. Klasse:
Beispieltext:
Am Wochenende bin ich mit meiner Familie in den wald gegangen. Wir haben viele tolle sachen erlebt und sogar einen Reh gesehen. Mein kleiner Bruder hat versucht einen Schmetterling zu fangen, aber er war zu schnell. Später haben wir ein picknick gemacht und Mama hat leckere Sandwits mitgebracht. Das wetter war schön und die Sonne hat geschinen. Es war ein richtig toller Tag und ich freue mich schon auf das nächste mal.
Typische Rechtschreibfehler in diesem Text:
- Kleinschreibung von Nomen: Wörter wie „Wald“ und „Sachen“ sollten großgeschrieben werden.
- Falsch geschriebene Wörter:
- „Reh“ statt „einen Reh“ sollte „ein Reh“ heißen.
- „Sandwits“ statt „Sandwiches“.
- „geschinen“ statt „geschienen“.
- Fehlende Großschreibung am Satzanfang: Einige Sätze beginnen nicht mit einem Großbuchstaben.
- Fehlende oder falsche Satzzeichen: In diesem Beispiel wurden keine Fehler bei Satzzeichen gemacht, aber dies ist auch ein häufiger Fehler bei Viertklässlern.
- Grammatikalische Fehler: Zum Beispiel „das nächste mal“ sollte „das nächste Mal“ heißen.
Eine Antwort
Der Niedergang des deutschen Bildungssystems ist mittlerweile unübersehbar, und die Ursachen dafür sind nicht schwer zu erkennen. Über die Jahre haben vor allem politische Entscheidungen und gesellschaftliche Entwicklungen das Bildungssystem tiefgreifend verändert. Besonders seit den 1970er Jahren gab es zahlreiche Reformen, die auf mehr Gerechtigkeit und Chancengleichheit im Bildungssystem abzielten. Das war sicherlich ein ehrenwertes Ziel, aber die Folgen dieser Reformen haben oft nicht die erhoffte Wirkung erzielt und stattdessen die Qualität der Bildung merklich abgesenkt.
Ein einschneidender Punkt war die Einführung der Gesamtschulen und die allmähliche Abkehr vom traditionellen dreigliedrigen Schulsystem, das Deutschland einst so erfolgreich gemacht hatte. Viele politische Akteure, insbesondere aus dem sozialdemokratischen und grünen Spektrum, trieben diesen Wandel mit Nachdruck voran. Sie wollten ein gerechteres System schaffen, das nicht mehr auf Elitenförderung setzt, sondern allen Schülern dieselben Chancen bietet. Doch die Kehrseite dieser Medaille ist, dass durch die stärkere Durchmischung und den sinkenden Leistungsdruck die Ansprüche an die Schüler gesenkt wurden. Die Auswirkungen zeigen sich nicht nur in den schulischen Leistungen, sondern auch in internationalen Vergleichsstudien wie PISA, wo Deutschland zunehmend nur noch im Mittelfeld landet.
Eine weitere beunruhigende Entwicklung der letzten Jahre ist die schwindende Bedeutung der Rechtschreibung und Grammatik. Was einst als grundlegender Bestandteil der sprachlichen Bildung galt, wird heute oft als nachrangig betrachtet. In vielen Schulen wird argumentiert, dass Rechtschreibfehler bei der Bewertung nicht mehr so stark ins Gewicht fallen sollten, um die Kreativität und den Ausdruck der Schüler zu fördern. In einigen Bundesländern wurde sogar beschlossen, dass Rechtschreibfehler die Note einer Arbeit kaum noch beeinflussen dürfen. Dieser Schritt wird damit begründet, dass in einer modernen Welt andere Kompetenzen wichtiger seien – doch was bleibt von einer Sprache übrig, wenn ihre Grundlagen zunehmend vernachlässigt werden?
Diese Entwicklungen machen mir zunehmend Sorgen. Ich merke, wie ich regelrecht Angst vor den Konferenzen der Bildungsminister bekomme. Es macht mir Angst, ihren Diskussionen und Entscheidungen zu folgen, weil ich den Eindruck habe, dass sie in eine falsche Richtung lenken. Ihre Visionen für die Zukunft der Bildung lassen mich daran zweifeln, ob sie die langfristigen Auswirkungen ihrer Entscheidungen wirklich überblicken. Es fällt mir schwer, diese Menschen noch ernst zu nehmen, wenn es um die Frage geht, wie wir die Zukunft unseres Landes schützen und sichern wollen.
Abschließend lässt sich sagen, dass die Vielzahl an Reformen – von der Einführung der Gesamtschulen über die Kompetenzorientierung bis hin zur Entwertung der Rechtschreibung – das deutsche Bildungssystem auf einen Weg gebracht haben, der viele alarmiert. Die Frage bleibt, ob es möglich ist, zu den Werten und Prinzipien zurückzukehren, die unser Bildungssystem einst so erfolgreich gemacht haben, ohne dabei die Fortschritte und Errungenschaften der Gegenwart zu vergessen.