Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

Themenübersicht
Erbrecht
OLG Schleswig-Holstein: Erben haften für Kommanditisten-Schulden aus Schiffsfonds-Insolvenz
OLG Schleswig, 16.07.2025 – 9 U 28/24
Sachverhalt:
Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Beteiligungsgesellschaft, verlangte von den Beklagten als Erben eines Kommanditisten Zahlungen aus der wiederauflebenden Kommanditistenhaftung. Der verstorbene Kommanditist hatte ursprünglich 50.000 Euro eingezahlt, jedoch in den Jahren 2002 bis 2007 Ausschüttungen erhalten, die nicht durch Gewinne gedeckt waren. Insgesamt belief sich die ungedeckte Entnahme auf 22.215,19 Euro, wovon er im Rahmen einer Sanierung 10.000 Euro zurückzahlte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2014 wurden Forderungen von über 1,8 Mio. Euro festgestellt, darunter Rückforderungsansprüche aus einer Untergesellschaft. Die Beklagten verweigerten die Zahlung und beriefen sich auf Verjährung sowie mangelnde Schlüssigkeit der Forderungsdarlegung.
Entscheidung:
Das OLG bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und bejahte eine fortbestehende Haftung der Beklagten als Gesamtschuldner. Die Ausschüttungen, die nicht durch Gewinne gedeckt waren, ließen die Kommanditistenhaftung wiederaufleben, abzüglich der geleisteten Rückzahlung von 10.000 Euro. Die vom Kläger vorgelegte Insolvenztabelle reichte für eine hinreichende Individualisierung der Forderungen aus; weitere Nachweise seien nicht erforderlich. Die Einwände der Beklagten zur Verjährung griffen nicht, da die Forderungsanmeldungen die Fristen wirksam hemmten und diese Hemmung auch gegenüber Gesellschaftern wirkt. Zudem bestand eine erhebliche Deckungslücke in der Insolvenzmasse, weshalb die Inanspruchnahme der Erben erforderlich und rechtmäßig war.
Arbeitsrecht
Unfall im Logistiklager: OLG Schleswig-Holstein bejaht „gemeinsame Betriebsstätte“ und verneint Schadensersatzanspruch
OLG Schleswig, 15.07.2025 – 7 U 20/25
Sachverhalt:
Ein angestellter Kraftfahrer der D.-Logistik GmbH erlitt bei der Arbeit in einer Lagerhalle einen schweren Unfall, als ihn ein Subunternehmer mit einer Sackkarre anfuhr. Der Kläger machte Schmerzensgeld und Verdienstausfall in Höhe von insgesamt 11.578,31 Euro geltend. Er argumentierte, dass der Beklagte fahrlässig gehandelt habe und daher nach § 823 BGB hafte. Das Landgericht Itzehoe gab der Klage teilweise statt und sprach dem Kläger 6.500 Euro zu. Der Beklagte legte Berufung ein und berief sich auf das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 SGB VII wegen einer „gemeinsamen Betriebsstätte“.
Entscheidung:
Das OLG Schleswig-Holstein hob das Urteil des Landgerichts auf und wies die Klage vollständig ab. Es stellte fest, dass die Lagerhalle des Logistikzentrums eine „gemeinsame Betriebsstätte“ darstellt, da alle Fahrer – ob angestellt oder Subunternehmer – denselben Arbeitsabläufen, Weisungen und Gefahren ausgesetzt seien. Entscheidend sei, dass ein typisierend prägender, gemeinsam gestalteter Arbeitsablauf vorlag, der wechselseitige Rücksichtnahme und Hilfeleistung erfordert. Da sich die Parteien im Rahmen dieser Gefahrengemeinschaft begegneten, greift das Haftungsprivileg zugunsten des Beklagten. Vorsätzliches Handeln lag nicht vor, sodass Schadensersatzansprüche ausgeschlossen sind.
Beamtenrecht
Keine starre Grenzen für die Gewichtung von Einzelmerkmalen bei dienstlichen Beurteilungen
BVerwG, Beschluss vom 16.07.2025 – 2 B 31.24
Sachverhalt:
Ein Hauptzollsekretär wandte sich gegen seine dienstliche Regelbeurteilung für den Zeitraum 2015 bis 2017. Das Verwaltungsgericht Aachen hatte seiner Klage zunächst stattgegeben und eine neue Beurteilung angeordnet, da die Behörde alle zwölf Einzelmerkmale gleich gewichtet hatte. Das OVG Münster hob dieses Urteil jedoch auf und bestätigte die Praxis der gleichen Gewichtung. Der Kläger legte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Er rügte insbesondere eine unzulässige „Arithmetisierung“ sowie eine fehlerhafte Gewichtung zugunsten sozialer Kompetenzen.
Entscheidung:
Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde zurück und stellte klar, dass es kein generelles „Arithmetisierungsverbot“ bei dienstlichen Beurteilungen gibt. Der Dienstherr verfügt über einen Beurteilungsspielraum, auch bei der Gewichtung einzelner Merkmale. Grenzen bestehen jedoch, wenn die Gewichtung den Bedeutungsgehalt von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verkennt und damit keine taugliche Grundlage für die Bestenauswahl bleibt. Im vorliegenden Fall sah das Gericht diesen Rahmen nicht überschritten, da die Gleichgewichtung in den Richtlinien der Zollverwaltung ausdrücklich vorgesehen ist. Auch die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler lagen nach Auffassung des Gerichts nicht vor.
Kommunalrecht
Goldschakal auf Sylt: OVG Schleswig-Holstein bestätigt Ausnahmegenehmigung zur Entnahme
OVG Schleswig, Beschluss vom 03.07.2025 – 5 MB 8/25
Sachverhalt:
Im Mai 2025 kam es auf Sylt innerhalb weniger Tage zu massiven Rissereignissen, bei denen 76 Schafe einer Herde getötet wurden. Durch DNA-Analysen und Videoaufnahmen wurde ein Goldschakal als Verursacher identifiziert. Daraufhin erließ die zuständige Behörde eine Allgemeinverfügung zur Entnahme (Tötung) des Tieres nach § 45 Abs. 7 BNatSchG. Ein Naturschutzverband legte dagegen Widerspruch ein und beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag ab, wogegen der Verband Beschwerde zum OVG Schleswig-Holstein einlegte.
Entscheidung:
Das OVG bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und wies die Beschwerde zurück. Es bejahte einen ernsten Schaden im Sinne des § 45 Abs. 7 BNatSchG, da die Vielzahl der Rissereignisse eine konkrete Gefahrenprognose rechtfertigte. Herdenschutzmaßnahmen seien auf Sylt angesichts der Insellage und des Umfangs der Weideflächen nicht kurzfristig zumutbar und daher keine gleich geeignete Alternative. Auch eine Narkotisierung und Umsiedlung sei praktisch nicht durchführbar und keine gleichwertige Maßnahme zur Schadensabwendung. Schließlich führe die Tötung eines einzelnen Goldschakals nicht zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der Art in Deutschland, da die Tiere weiterhin aus Südosteuropa einwanderten.
News diese Woche
Bundesverwaltungsgericht: Doppelmörder von Teneriffa behält deutsche Pension
Ein ehemaliger deutscher Beamter, der in Spanien wegen zweifachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, darf seine Pension behalten. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied, dass nur Verurteilungen durch deutsche Gerichte zu einer automatischen Aberkennung von Versorgungsansprüchen führen. Die Bundesagentur für Arbeit hatte versucht, dem Mann die Bezüge zu entziehen, war damit jedoch bereits vor dem OVG Magdeburg gescheitert. Die Richter stellten klar, dass die aus privaten Motiven begangenen Taten – trotz ihrer Schwere – keinen Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung darstellen. Der Täter, der seiner Familie zuvor Schadenersatz gezahlt hat, erhält somit weiterhin seine Beamtenpension, obwohl er eine lebenslange Haftstrafe in Spanien verbüßt.