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Gewaltenteilung: Macht wird verteilt, um Macht willkürfrei zu begrenzen – Teil 1

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Gewaltenteilung: Macht wird verteilt, um Macht willkürfrei zu begrenzen – Teil 1

Grundgesetz

Fundament für Rechtsstaat und Demokratie


Das Prinzip der Gewaltenteilung ist ein tragendes Verfassungsprinzip der Bundesrepublik Deutschland und im Grundgesetz fest verankert[1]. Artikel 20 Abs. 2 GG legt fest, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt wird[2]. Damit teilt das Grundgesetz die Staatsgewalt auf drei Gewalten auf – die Legislative (gesetzgebende Gewalt), Exekutive (vollziehende Gewalt) und Judikative (Rechtsprechung) – die einander kontrollieren und Machtmissbrauch verhindern sollen[1][3]. Dieses Konzept geht auf die Aufklärung (Montesquieu) zurück und zielt darauf ab, dass „der Staat keineswegs machen darf, was er will“, sondern sich selbst an die Gesetze halten muss[4]. Kurz gesagt: Macht wird verteilt, um Macht willkürfrei zu begrenzen.

Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Gewalten in Deutschland

In Deutschland ist die Gewaltenteilung eng mit dem Rechtsstaatsprinzip und dem Demokratieprinzip verwoben[5]. Die drei Gewalten sind zwar funktional getrennt, arbeiten aber verfassungsrechtlich zusammen (Gewaltenbalance bzw. Gewaltenverschränkung). Die Legislative (Bundestag und Länderparlamente) erlässt die Gesetze, die Exekutive (Regierung und Verwaltung) führt die Gesetze aus, und die Judikative (Gerichte) entscheidet unabhänging über Rechtsstreitigkeiten[6][7]. Wichtig ist dabei die Unabhängigkeit der einzelnen Gewalten im Rahmen ihrer Zuständigkeiten: Der Bundestag als Legislative ist in seinen Entscheidungen nur dem Wohl des Volkes und der Verfassung verpflichtet (Abgeordnete sind nach Art. 38 GG nur ihrem Gewissen unterworfen). Die Regierung als Exekutive ist zwar politisch vom Vertrauen der Parlamentsmehrheit abhängig, aber bei Vollzug der Gesetze an Recht und Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG) und kann nicht losgelöst von gesetzlichen Grundlagen handeln[2]. Besonders hervorgehoben wird die Unabhängigkeit der Rechtsprechung: Gemäß Art. 97 Abs. 1 GG sind die Richterinnen und Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen, also in ihren Entscheidungen frei von Weisungen der Exekutive oder Legislative[8]. Kein Minister oder Abgeordneter darf einem Gericht vorschreiben, wie es in einem konkreten Fall zu entscheiden hat – „weder die Regierung noch irgendeine andere Einrichtung oder Person kann sie [die Richter] dazu zwingen, ein Urteil zu fällen, das sie nicht richtig finden“[9]. Um diese richterliche Unabhängigkeit strukturell zu sichern, sind z.B. die Bundesverfassungsrichter auf eine Amtszeit von 12 Jahren ohne Wiederwahl beschränkt[10]. Dies verhindert, dass Richter durch Hoffnung auf Wiederernennung politisch beeinflusst werden, und stärkt ihre neutral-unparteiische Rechtsanwendung.

Die Gewaltenhemmung und -kontrolle ist ebenfalls zentral: Keine Staatsgewalt darf unbeschränkt agieren. So überwacht etwa das Parlament die Regierung (durch Anfragen, Untersuchungsausschüsse, Vertrauens- oder Misstrauensvoten), während unabhängige Gerichte Gesetze und Verwaltungshandeln am Grundgesetz messen können. Insbesondere das Bundesverfassungsgericht kann Gesetze kassieren oder Regierungsakte stoppen, wenn sie verfassungswidrig sind. Legislative, Exekutive und Judikative sollen sich dadurch gegenseitig im Zaum halten und ein System von checks and balances bilden[1]. Diese Konstruktion dient der Machtbegrenzung und ist wesentliches Merkmal des deutschen Verfassungsstaates. Alle staatliche Gewalt – sei es im Gesetzgeber, in Regierung/Verwaltung oder in den Gerichten – ist an die Verfassung und an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG)[2]. Dadurch wird Willkür verhindert und die Herrschaft des Rechts gesichert.

Bedeutung für Rechtsstaat und Demokratie

Die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Gewalten sind elementar für den Rechtsstaat und die Demokratie. Es gibt “keine Demokratie ohne Rechtsstaat und keinen Rechtsstaat ohne Demokratie”[11] – beide Prinzipien bedingen sich gegenseitig. Eine demokratische Staatsordnung basiert darauf, dass Macht vom Volk legitimiert und durch Wahlen verteilt wird (Volkssouveränität), aber ebenso darauf, dass Machtausübung rechtlich begrenzt und kontrolliert wird (Rechtsstaatsprinzip). Hierbei kommt der Gewaltenteilung zentrale Bedeutung zu: Sie sichert die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger, indem sie Machtmissbrauch erschwert oder verhindert[3]. Wenn die Staatsgewalt in getrennten Händen liegt, kann keine einzelne Institution unkontrolliert über die Gesellschaft herrschen. Im Rechtsstaat Deutschland wird die Rechtsstaatlichkeit gerade durch Gewaltenteilung, Machtbegrenzung, unabhängige Gerichte und die Garantie der Grundrechte gewährleistet[5]. Diese Elemente – unabhängige Justiz, begrenzte Regierungsmacht, parlamentarische Gesetzgebung und Grundrechtsschutz – schützen den Bürger vor staatlicher Willkür und bilden ein Sicherheitsnetz gegen Tyrannei und Anarchie[12].

Das Bundesverfassungsgericht hat herausgestellt, dass die Gewaltenteilung und die richterliche Unabhängigkeit zum Kern der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung (FDGO) gehören[13]. Diese FDGO, die in Art. 21 Abs. 2 GG erwähnt wird, umfasst die unabdingbaren Prinzipien einer freiheitlichen Demokratie. Nach ständiger Rechtsprechung zählen dazu insbesondere die Achtung der Menschenwürde und Grundrechte, die Volkssouveränität, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gewaltenteilung und Gesetzesbindung der Exekutive sowie die Unabhängigkeit der Gerichte[13]. Ohne Gewaltenteilung und unabhängige Justiz wäre ein Staat also nicht mehr freiheitlich-demokratisch im Sinne des Grundgesetzes. Vielmehr gewährleistet die Verteilung der Gewalten, dass jede Gewalt die andere im Zaum hält (“le pouvoir arrête le pouvoir”die Gewalt hemmt die Gewalt, so Montesquieu) und dass staatliche Entscheidungen in geordneten Verfahren, nicht nach Gutdünken Einzelner, getroffen werden. Dies schützt letztlich die Rechte des Einzelnen: Nur vor unabhängigen Gerichten kann der Bürger effektiv seine Rechte gegen den Staat verteidigen (Art. 19 Abs. 4 GG garantiert Rechtschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt). Gewaltenteilung schafft einen Zustand, in dem Recht über Macht steht, was den Kerngehalt des Rechtsstaatsprinzips ausmacht.

Historisch erwies sich die Gewaltenteilung als entscheidende Lehre aus der deutschen Vergangenheit. Die Erfahrung der nationalsozialistischen Diktatur – in der es weder echte Gewaltenteilung noch unabhängige Gerichte gab – führte die Verfassungsväter und -mütter 1948/49 zu der Erkenntnis, dass ein wehrhafter, rechtsstaatlicher Staat etabliert werden muss[14]. Im NS-Staat waren Legislative und Justiz gleichgeschaltet; Hitler regierte per Führer- und Notverordnungen, Gerichte waren politisch gelenkt – was Willkürherrschaft und schwere Rechtsbrüche ermöglichte. Das Grundgesetz zieht daraus Konsequenzen: Es verankert unabänderlich (Art. 79 Abs. 3 GG – die sogenannte Ewigkeitsklausel) die grundlegenden Prinzipien, die eine solche Machtkonzentration künftig verhindern sollen, namentlich Demokratie, Rechtsstaat und Gewaltenteilung. Die Gewaltenteilung ist also keine bloße Formalie, sondern ein Schutzmechanismus zur Sicherung rechtsstaatlicher Demokratie. Wo sie intakt ist, herrscht Recht vor Macht; wo sie ausgehebelt wird, droht Willkür und Unterdrückung.

Folgen einer fehlenden oder gestörten Gewaltenteilung

Was passiert, wenn die Gewaltenteilung nicht funktioniert? Wenn etwa die Exekutive die anderen Gewalten steuert oder dominiert, ist der Rechtsstaat in akuter Gefahr. Ohne unabhängige Gerichte und ein selbstständiges Parlament gibt es keine wirksamen Schranken mehr für die Regierenden, und die Kontrolle staatlicher Willkür bricht weg[3]. Eine solche Situation entspricht de facto einer autokratischen Herrschaft oder Diktatur. In der Staatslehre gilt die Monopolisierung der Staatsgewalt in den Händen einer Person oder Gruppe – einhergehend mit der Aufhebung der Gewaltenteilung und dem Eingreifen in die Justiz – als klassisches Kennzeichen der Diktatur[15]. Ist also die Exekutive in der Lage, die Rechtsprechung zu beeinflussen oder zu lenken, und zugleich das Parlament seiner Kontrollfunktion zu berauben, so liegt bereits ein autokratisches System vor bzw. es befindet sich ein demokratischer Staat auf dem Weg dorthin. Die Folge sind meist weitere Merkmale autoritärer Herrschaft: Zentralisierung der Macht, Ausschaltung der Opposition, Einschränkung von Grundrechten und letztlich die Ersetzung des Rechtsstaats durch einen Polizeistaat[16].

Praktische Beispiele bestätigen diesen Zusammenhang. In Ländern, die demokratische Institutionen gezielt schwächen, ist oft zuerst die Judikative Ziel politischer Einflussnahme – etwa durch Regierungsversuche, Richter abzusetzen, Gerichtsentscheidungen zu ignorieren oder die Gerichtsbarkeit durch Gefolgsleute zu besetzen. Wird die richterliche Unabhängigkeit beseitigt, können Regierende ohne Furcht vor gerichtlicher Kontrolle verfassungswidrig handeln. Fehlende Gewaltenteilung führt erfahrungsgemäß schnell zu Machtmissbrauch: “Ist [das Sicherheitsnetz demokratischer Institutionen] nicht vorhanden, können Autokraten ohne institutionelle Gewaltenteilung mit Parlamenten und Gerichten nachhaltigen Schaden für ihr Land verursachen”[17] – politisch, wirtschaftlich und für die Freiheit der Bürger. Ein aktuelles Beispiel ist Ungarn, wo die gewählte Regierung durch Kontrolle über Medien, Wahlrecht und Besetzung von Richterposten die checks and balances weitgehend ausgehebelt hat. Solche Autokratisierungsprozesse führen im schlimmsten Fall zum Zusammenbruch des demokratischen Systems[18]. Schon bevor es dazu kommt, ist jedoch juristisch festzustellen: Eine Exekutive, die die anderen Gewalten steuert, verstößt gegen das Grundprinzip der Gewaltenteilung – in Deutschland ein Verfassungsverstoß ersten Ranges. Die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (zu der Gewaltenteilung und unabhängige Justiz gehören) würde sogar das Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG auslösen, sofern andere Abhilfe nicht mehr möglich ist[19][13]. Dies verdeutlicht, welch hohes Gewicht die Verfassung der Gewaltenteilung beimisst: Ihr Ausfall bedeutet das Ende von Rechtsstaat und Demokratie.

Juristisch präzise betrachtet, ist die Autokratie definiert als Herrschaftsform, in der Entscheidungen nicht mehr demokratisch und rechtsstaatlich legitimiert und kontrolliert werden, sondern von Einzelnen nach Belieben getroffen werden. Eine vollständige Steuerung der angeblich unabhängigen Gewalten durch die Exekutive erfüllt diesen Tatbestand. Zwar mag es Übergangsformen geben – etwa demokratisch gewählte Regierungen, die schleichend Institutionen unter ihre Kontrolle bringen. Doch je mehr eine Regierung Legislative und Judikative faktisch beherrscht, desto mehr entfernt sich das System von einer Demokratie und nähert sich der Autokratie. Spätestens wenn Gerichte nicht mehr frei entscheiden können und das Parlament nur noch zum Abnickorgan verkümmert, ist der Staat keine freiheitliche Demokratie mehr, sondern eine autoritäre Herrschaft. Kurz gesagt: Ohne Gewaltenteilung gibt es keinen Rechtsstaat; ohne Rechtsstaat gibt es keine echte Demokratie[11].

Vergleich: Gewaltenteilung und Richterernennung in den USA


Ein Blick in die USA zeigt, dass auch dort die Gewaltenteilung ein tragendes Verfassungsprinzip ist, aber institutionell anders umgesetzt wird als in Deutschland. Die Vereinigten Staaten haben ein präsidentielles Regierungssystem mit strikter horizontaler Gewaltenteilung zwischen Kongress (Legislative), Präsident (Exekutive) und Bundesgerichten (Judikative). Berühmt ist das Prinzip der “checks and balances”: Jede Gewalt hat bestimmte Befugnisse, um die anderen zu kontrollieren und das Gleichgewicht zu wahren (etwa das Vetorecht des Präsidenten gegen Gesetze oder die Kontrollfunktion des Kongresses über Regierungsbudgets und -ämter)[20]. Die Judikative – namentlich der Supreme Court – spielt eine Schlüsselrolle in diesem System: Der Oberste Gerichtshof kann Gesetze des Kongresses oder Handlungen der Exekutive auf ihre Verfassungsgemäßheit überprüfen und notfalls für unwirksam erklären (judicial review, seit Marbury v. Madison 1803 etabliert). Somit entscheidet letztlich das Oberste Bundesgericht, wieviel Macht der Präsident hat und welche Grenzen ihm der Kongress setzen darf[21]. Damit eine solche richterliche Kontrolle unabhängig funktioniert, sieht die US-Verfassung besondere Bestimmungen für die Ernennung und Stellung der Bundesrichter vor.

In den USA werden die Richter des Supreme Court vom Präsidenten nominiert und mit Zustimmung des Senats auf Lebenszeit ernannt[22]. Dieses Verfahren ist ein Ausdruck der Gewaltenteilung nach amerikanischer Art: Die Exekutive (Präsident) und Legislative (Senat) wirken bei der Bestellung der höchsten Richter zusammen, was eine gegenseitige Kontrolle darstellt. Das Ziel der Lebenszeiternennung ist es, die Richter weitgehend von politischen Einflussnahmen freizustellen – sie müssen keine Wiederwahl oder Wiederernennung fürchten und können ihre Entscheidungen unabhängig von parteipolitischen Erwägungen treffen. Tatsächlich genießen die Supreme-Court-Richter nach ihrer Ernennung eine sehr große Unabhängigkeit: Sie können nur in Ausnahmefällen durch ein aufwändiges Impeachment-Verfahren vom Amt entfernt werden, was äußerst selten vorkommt. Dadurch ist sichergestellt, dass ein Präsident zwar Richter vorschlagen, aber nicht über deren zukünftige Rechtsprechung bestimmen kann. Die US-Verfassung geht – ähnlich wie das Grundgesetz – davon aus, dass richterliche Unabhängigkeit essenziell ist, auch wenn der Weg dorthin anders organisiert ist.

Allerdings wirft das amerikanische Modell Fragen nach der politischen Neutralität des Gerichts auf. Die Ernennung der Supreme-Court-Richter ist ein hochpolitischer Akt[21]. Präsidenten wählen meist Kandidaten aus, die ihrer eigenen Rechtsphilosophie nahe stehen, und der Senat prüft diese politisch. Jede Neubesetzung kann die Mehrheitsverhältnisse am Gericht verschieben und die Richtung wichtiger Entscheidungen über Jahre prägen[21]. In den letzten Jahren war dies deutlich zu beobachten: So konnte etwa Präsident Donald Trump innerhalb einer Amtszeit drei neue Verfassungsrichter ernennen, was die ideologische Balance am Supreme Court zugunsten konservativer Positionen veränderte[23]. Kritiker monieren, dass so die Judikative von der Exekutive und der parteipolitischen Konstellation im Senat durchdrungen werde – “die Auswahl von Richtern wird häufig als die am stärksten politisierte Durchdringung der Judikative durch eine andere Gewalt wahrgenommen”[24]. Dieses Spannungsfeld ist in den USA Gegenstand anhaltender Debatten. Dennoch bleibt festzuhalten, dass auch das US-System in der Praxis auf der Unabhängigkeit der Richter nach ihrer Ernennung beruht: Viele Supreme-Court-Richter haben im Amt Entscheidungen getroffen, die den Erwartungen ihrer nominierenden Präsidenten zuwiderliefen, was zeigt, dass die lebenslange Amtszeit tatsächlich einen Schutz vor politischem Druck bietet. Außerdem wirkt das Erfordernis der Zustimmung des Senats als wichtiges Korrektiv – ein Präsident kann nicht willkürlich jeden Kandidaten durchsetzen, sondern braucht eine ausreichende Mehrheit, was oft Kompromisse nötig macht.

Ein wesentlicher Unterschied zum deutschen System ist die fehlende zeitliche Begrenzung der Amtszeit im Supreme Court. Während deutsche Bundesverfassungsrichter nach 12 Jahren ausscheiden müssen[10], können US-Justices theoretisch jahrzehntelang amtieren. Dies sichert zwar Erfahrung und Kontinuität, führt aber auch dazu, dass die politische Prägung eines Gerichts der Gesellschaft mitunter lange nachwirkt (ein Richter kann z.B. weit über die Amtszeit des ihn ernennenden Präsidenten hinaus Urteile fällen). In Deutschland hingegen sorgen die begrenzte Amtsdauer und die paritätische Wahl der Verfassungsrichter durch Bundestag und Bundesrat (jeweils mit Zweidrittelmehrheit) für eine ausgewogenere, regelmäßig erneuerte Zusammensetzung des höchsten Gerichts[25][26]. Beide Modelle haben Vor- und Nachteile: Das US-Modell betont die strikte Gewaltentrennung (Regierung und Parlament wählen die Richter, Richter kontrollieren beide, Überschneidungen der Personenkreise sind unzulässig), das deutsche Modell betont die Gewaltenbalance und Kooperation (Regierung ist aus Parlament hervorgegangen, Verfassungsrichterwahl durch Legislative, richterliche Unabhängigkeit durch feste Amtszeit und Unabsetzbarkeit garantiert).

Trotz dieser Unterschiede ist das gemeinsame Ziel erkennbar: die richterliche Unabhängigkeit und die gegenseitige Kontrolle der Gewalten sicherzustellen. In beiden Ländern sind Gerichte letztinstanzliche Hüter der Verfassung – in Deutschland das Bundesverfassungsgericht, in den USA der Supreme Court. Beide können Regierungsakte und Gesetze stoppen, beide schützen die Rechte der Bürger gegen die Staatsgewalt. Dass die Auswahlverfahren variieren, ändert nichts am Kernprinzip: Ohne unabhängige Justiz keine Gewaltenteilung, ohne Gewaltenteilung kein freiheitlicher Rechtsstaat. Selbst in den USA, wo die Exekutive nominell direkten Einfluss auf die Richterernennung hat, gilt: Sobald die Richter im Amt sind, unterliegen sie nur der Verfassung und dem Gesetz, nicht den Weisungen des Präsidenten. Der Supreme Court hat in der Geschichte der USA mehrfach Entscheidungen getroffen, die amtierenden Präsidenten nicht passten – von der Begrenzung präsidialer Macht in Kriegszeiten[27] bis hin zur Abweisung von rechtlichen Manövern nach Wahlen (z.B. 2020). Dies unterstreicht, dass die Institution der Gewaltenteilung auch dort lebendig ist und Autokratie verhindert.

Fazit

Die Gewaltenteilung, ergänzt durch die Unabhängigkeit der einzelnen Gewalten, ist das Herzstück einer jeden rechtsstaatlichen Demokratie. Am Beispiel Deutschlands zeigt sich, dass das Grundgesetz dieses Prinzip als unaufgebbaren Verfassungsgrundsatz verankert hat – Macht darf nie unkontrolliert auf einen Punkt konzentriert sein. Legislative, Exekutive und Judikative haben je eigene Funktionen und müssen personell und institutionell getrennt sein, damit sie sich gegenseitig überwachen können[1]. Nur so werden Machtmissbrauch verhindert und die Freiheitsrechte der Bürger gesichert[3]. Die Unabhängigkeit insbesondere der Gerichte bildet die letzte Schutzlinie des Rechtsstaats: Sie gewährleistet, dass Rechtsfragen neutral und nur nach dem Gesetz entschieden werden, selbst wenn politische Mehrheiten anderes wünschen[9]. Versagt die Gewaltenteilung – etwa wenn eine Regierung Gerichte und Parlament kontrolliert – so liegt faktisch eine Abkehr von Demokratie und Rechtsstaat vor, hin zu autoritärer Willkürherrschaft[15]. Daher ist die Gewaltenteilung auch ein Gradmesser: Funktionsfähige Gewaltenteilung bedeutet funktionierende Demokratie; aufgehobene Gewaltenteilung bedeutet Autokratie.

In der Bundesrepublik ist die Gewaltenteilung nicht nur Theorie, sondern gelebte Verfassungsrealität: Vom alltäglichen Verwaltungshandeln, das durch Gerichte überprüfbar ist, bis hin zu großen politischen Fragen, die das Bundesverfassungsgericht entscheidet, zeigt sich die selbstverständliche Respektierung der Grenzen jeder Gewalt. Dieser Verfassungsgrundkonsens unterscheidet stabile Rechtsstaaten von Unrechtsregimen. International vergleichende Blicke, etwa in die USA, bestätigen die universelle Bedeutung der Gewaltenteilung, auch wenn die Mechanismen variieren mögen. Letztlich zieht sich eine klare Linie: Nur wo staatliche Gewalt geteilt und gebunden ist, herrscht Freiheit – wo Gewalt ungeteilt herrscht, droht Unfreiheit. In diesem Sinne bleiben Gewaltenteilung und Gewaltunabhängigkeit unerlässliche Garantien für einen rechtsstaatlichen, demokratischen Staat und müssen geschützt werden:

Wieviel Politik verträgt Unabhängigkeit?

Was bedeutet richterliche Unabhängigkeit?



Quellen:

  1. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 20 Abs. 2–4 GG[2], Art. 97 Abs. 1 GG[8].
  2. Deutscher Bundestag – Prinzip der Gewaltenteilung: Erläuterung der Gewaltenteilung im demokratischen System[1].
  3. Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) – Das junge Politik-Lexikon: Erklärung von Gewaltenteilung und deren Zweck (Machtbegrenzung, Freiheitssicherung)[3][9].
  4. Informationen zur politischen Bildung Nr. 351/2022 – Rechtsstaat: Zusammenhänge von Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Machtbegrenzung und unabhängigen Gerichten[5].
  5. BVerfG, st. Rspr. zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung: Gewaltenteilung und richterliche Unabhängigkeit als Kernprinzipien der fdGO[13].
  6. Concordia Bern (Lehrmaterial Staatsrecht) – Merkmale der Diktatur: Monopolisierung der Macht, Aufhebung der Gewaltenteilung, Eingreifen in die Justiz[15].
  7. WZB – Autokratisierung und ihre Folgen: Auswirkungen fehlender Gewaltenteilung auf Konflikte und Fehlentwicklungen[17].
  8. Emil Hübner/Ursula Münch (bpb) – Das politische System der USA: Ernennung der Supreme-Court-Richter als politischer Akt; Rolle des Supreme Court im Gefüge der Gewalten[21][24].
  9. Wikipedia: Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten: Zusammensetzung und Ernennungsverfahren (Präsident nominiert, Senat bestätigt, Lebenszeit)[22].

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