Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik
Themenübersicht
Erbrecht
Nacherbe-Vorerbe-Streit über Mietshauskauf
BGH Urteil vom 26. Juni 2024 – IV ZR 288/22
Sachverhalt:
Im vorliegenden Fall hinterließ der Erblasser zwei Testamente: Ein gemeinschaftliches Testament von 1970, in dem seine Ehefrau als befreite Vorerbin eingesetzt wurde, und ein späteres Einzeltestament, das von der Erblasserin im Jahr 2022 erstellt wurde. Nach dem Tod des Erblassers verkaufte die Ehefrau zwei Grundstücke, die Teil des Nachlasses waren. Die Kläger, Nachkommen des Erblassers, verlangen als Nacherben die Erbringung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000 € von der Vorerbin. Sie argumentieren, dass durch den Verkauf der Grundstücke und entgangene Mieteinnahmen ein Schaden am Nachlass entstanden sei. Die Beklagte behauptete hingegen, dass der Verkauf der Grundstücke notwendig war, um Schulden zu begleichen.
Entscheidung:
Das Gericht hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Entscheidung zurück. Die Vorerbin durfte über die Grundstücke verfügen, da sie aufgrund der Gütergemeinschaft nicht der Zustimmung der Nacherben bedurfte. Die Mieteinnahmen aus den Grundstücken stehen der Vorerbin gemäß § 2111 BGB zu, und ein Schadensersatzanspruch der Nacherben kann nur dann bestehen, wenn der Verkauf nicht zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses diente. Zudem muss das Berufungsgericht klären, ob die Verkaufserlöse tatsächlich zur Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten verwendet wurden. Die genaue Höhe des möglichen Schadensersatzanspruchs muss noch ermittelt werden, bevor eine Entscheidung über die Sicherheitsleistung getroffen wird.
Arbeitsrecht
Feststellung der Schwangerschaft nach Ablauf der Kündigungs- und Klageerhebungsfrist – Anwendung des Effektivitätsprinzips
EuGH- Urteil vom 27. Juni 2024 – C – 284/23
Sachverhalt:
In diesem Fall klagte die Arbeitnehmerin TC gegen ihre Kündigung durch das Pflegeheim Haus Jacobus, die während ihrer Schwangerschaft erfolgte. Zum Zeitpunkt der Kündigung war TC schwanger, was sie jedoch erst nach Ablauf der Kündigungsfrist entdeckte und ihrem Arbeitgeber nachträglich mitteilte. TC erhob Klage beim Arbeitsgericht Mainz und machte geltend, dass ihre Kündigung aufgrund ihrer Schwangerschaft ungültig sei. Das deutsche Arbeitsrecht sieht vor, dass eine Klage innerhalb von drei Wochen nach der Kündigung eingereicht werden muss, was TC verpasst hatte. Die Frage, ob diese Regelung mit dem EU-Recht, insbesondere der Richtlinie 92/85/EWG, vereinbar ist, wurde dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.
Entscheidung:
Der Gerichtshof entschied, dass die deutschen Regelungen, die eine Klage nach Ablauf einer Frist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulassen, nicht mit dem EU-Recht vereinbar sind, wenn sie schwangeren Arbeitnehmerinnen den Zugang zu ihren Rechten übermäßig erschweren. Das EU-Recht schützt schwangere Frauen ausdrücklich vor Kündigungen und verlangt, dass Mitgliedstaaten effektive Mittel zur Rechtsverfolgung bereitstellen. Die deutsche Regelung, die eine verspätete Klage nur unter Einhaltung einer zusätzlichen Frist von zwei Wochen erlaubt, wird als zu kurz und belastend für die betroffene Arbeitnehmerin betrachtet. Es wurde festgestellt, dass die Anforderungen des Effektivitätsgrundsatzes nicht erfüllt wurden, wenn durch diese Regelung der Zugang zur Klage praktisch unmöglich gemacht wird. Das Gericht betonte, dass schwangere Frauen besonderen Schutz genießen und der Zugang zu rechtlichem Schutz nicht durch unverhältnismäßig kurze Fristen behindert werden darf.
Beamtenrecht
Zur Beförderungsreife und Auswahlentscheidungen bei Bewerbungen von Beamten
OVG Lüneburg – Beschluss vom 11. Juni 2024 – 5 ME 34/24
Sachverhalt:
In diesem Fall geht es um die Besetzung einer Lehrkraftstelle an einer Bundeswehrfachschule, für die mehrere Bewerber, darunter der Antragsteller und die Beigeladene, in Frage kamen. Der Antragsteller, ein Oberstudienrat aus Bremen, und die Beigeladene, eine Studienrätin aus Rheinland-Pfalz, hatten sich auf die ausgeschriebene Stelle beworben. Die Antragsgegnerin entschied, die Beigeladene einzustellen, was der Antragsteller gerichtlich anfocht. Er argumentierte, dass die Auswahlentscheidung fehlerhaft sei, da ein Leistungsvergleich anhand der dienstlichen Beurteilungen nicht vorgenommen worden war. Das Verwaltungsgericht gab dem Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes recht und untersagte die Besetzung der Stelle.
Entscheidung:
Das Gericht entschied, dass die Auswahlentscheidung fehlerhaft war, da sie nicht auf einem Vergleich der aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Bewerber beruhte. Obwohl die Bewerber aus verschiedenen Bundesländern mit unterschiedlichen Beurteilungssystemen stammten, hätte die Antragsgegnerin die Beurteilungen “vergleichbar” machen müssen. Die fehlende Beförderungsreife der Beigeladenen stellte keinen Eignungsmangel dar, der sie vom Auswahlverfahren ausgeschlossen hätte. Allerdings sei der Verzicht auf den Vergleich der Beurteilungen nicht gerechtfertigt gewesen, und die Entscheidung hätte nicht allein auf den Auswahlgesprächen basieren dürfen. Das Gericht bestätigte, dass der Antragsteller bei einer erneuten, fehlerfreien Auswahlentscheidung möglicherweise erfolgreich gewesen wäre.
Schulrecht
Einstweiliger Rechtsschutz zur Zulassung in Gymnasiumsstufe
VG Berlin, Beschluss vom 16. August 2024 – VG 39 L 240/24
Sachverhalt:
Die Antragsteller beantragten, dass ihre Tochter zum Schuljahr 2024/25 in die 7. Klasse des Leibniz-Gymnasiums aufgenommen wird. Die Aufnahmekapazität für das Gymnasium war jedoch begrenzt und es gab mehr Bewerber als Schulplätze. Die Tochter der Antragsteller konnte im Auswahlverfahren aufgrund ihrer schlechteren Durchschnittsnote nicht berücksichtigt werden. In einem Losverfahren hatte sie zudem kein Glück, sodass auch darüber kein Schulplatz zugeteilt wurde. Der Antrag auf Aufnahme in eine andere Schule wurde ebenfalls abgelehnt, da die gewünschten Alternativschulen bereits überfüllt waren.
Entscheidung:
Das Gericht entschied, dass der Antrag unbegründet sei, da keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Anspruch auf einen Schulplatz besteht. Die Aufnahmekapazität des Leibniz-Gymnasiums wurde ordnungsgemäß festgelegt und erfüllt die rechtlichen Vorgaben. Die Tochter der Antragsteller konnte im Auswahlverfahren aufgrund der höheren Anzahl an Bewerbern und ihrer niedrigeren Förderprognose-Note nicht berücksichtigt werden. Die durchgeführten Losverfahren und die bevorzugte Behandlung von Geschwisterkindern wurden korrekt durchgeführt. Auch für die Alternativschulen wurde kein Anspruch auf Aufnahme festgestellt, da diese ebenfalls überlastet waren.
News diese Woche
Festivals müssen Restguthaben gebührenfrei zurückzahlen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Festivalveranstalter übrig gebliebenes Guthaben von “Cashless”-Armbändern kostenfrei zurückzahlen müssen. Die Erhebung einer Gebühr für diese Rückzahlung, wie es beim Airbeat One Festival 2019 der Fall war, ist rechtswidrig. Das Gericht stellte fest, dass die Rückzahlung des Restguthabens eine vertragliche Verpflichtung des Veranstalters ist, für die keine Gebühren erhoben werden dürfen. Die Forderung der Verbraucherzentrale Bundesverband, den Veranstalter zur Rückzahlung an alle Betroffenen zu verpflichten, wurde jedoch abgelehnt. Verbraucherschützer zeigten sich enttäuscht, da das Urteil es nicht erleichtert, unrechtmäßig gezahlte Beträge kollektiv zurückzufordern.