24111 Kiel, Rendsburger Landstraße 436
+49 431 12807082
kanzlei@grafkerssenbrock.com

Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

Arbeitsrecht – Erbrecht - Schulrecht

Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

Kiel - Ostsee Newsletter

Erbrecht

Jastrowsche Klausel im Berliner Testament 

BFH, Urteil vom 1.10.2023, II R 34/20 

 

Sachverhalt: 

In dem Fall geht es um die Klägerin, die gegen die Erbschaftsteuerfestsetzung durch das Finanzamt (FA) vorgeht. Die Eltern der Klägerin hatten ein Berliner Testament verfasst, bei dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und die Klägerin sowie drei ihrer Schwestern als Schlusserben einsetzten, während zwei Geschwister enterbt wurden. Nach dem Tod des Vaters forderten zwei der enterbten Geschwister ihren Pflichtteil, woraufhin die Mutter ein neues Testament zugunsten der Klägerin und zwei Schwestern errichtete. Nach dem Tod der Mutter beanspruchte die Klägerin die Berücksichtigung eines betagten Vermächtnisses als Nachlassverbindlichkeit in der Erbschaftsteuererklärung, was das FA ablehnte. Das Finanzgericht wies die Klage ab, und die Klägerin rügt in der Revision eine Verletzung des Erbschaftsteuerrechts und ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. 

 
Entscheidung: 

 
Das Gericht hat entschieden, dass die Revision der Klägerin unbegründet ist und der Erbschaftsteuerbescheid des Finanzamts rechtmäßig ist. Die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer wird nicht um den Betrag der Vermächtnisverbindlichkeit gemindert, da das betagte Vermächtnis bei der Berechnung der Erbschaftsteuer nicht erfasst wurde. 

  1. Keine Doppelbesteuerung: Das Gericht stellte fest, dass keine doppelte Besteuerung des Vermächtnisses vorliegt, da es sich um zwei unterschiedliche Erwerbsvorgänge handelt – einmal durch die Mutter und einmal durch das Vermächtnis an die Klägerin. Beide Vorgänge betreffen unterschiedliche Erblasser und Begünstigte, was keine Doppelbesteuerung im rechtlichen Sinne darstellt. 
  1. Abzug der Nachlassverbindlichkeit: Die Vermächtnisverbindlichkeit konnte erst nach dem Tod der Mutter als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden, da sie erst zu diesem Zeitpunkt fällig wurde. 
  1. Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide: Das Finanzamt hatte korrekt verfahren, indem es das betagte Vermächtnis weder der Besteuerung unterworfen noch die Vermächtnisverbindlichkeiten als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt hatte. Da beide Positionen sich ausgleichen, besteht kein steuerlicher Nachteil für die Klägerin. 
  1. Kein Verstoß gegen rechtliches Gehör: Das Gericht sah keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, da das Finanzamt bereits in der Einspruchsentscheidung die relevante Thematik erörtert hatte. Die Klägerin konnte somit nicht überrascht sein, dass das Gericht diese Aspekte in seiner Entscheidung berücksichtigte. 

Zusammengefasst entschied das Gericht, dass die Erbschaftsteuer korrekt berechnet wurde und keine relevanten rechtlichen Fehler vorlagen, die eine Änderung des Steuerbescheids rechtfertigen würden. 

Arbeitsrecht

Anzeigepflicht bei Massenentlassung 

EuGH, Entscheidung vom 22. Februar 2024, C589/22 

Sachverhalt: 
 
Die Beklagte, die Hotels verwaltet und betreibt, begann im September 2019 Verhandlungen über eine Refinanzierung und verringerte zwischen August und Dezember 2019 die Zahl der von ihr verwalteten Hotels von 20 auf sieben. Am 30. Dezember 2019 schloss sie eine Vereinbarung zur Kündigung der Mietverträge und zur Übertragung des Betriebs der sieben Hotels auf eine andere Gesellschaft derselben Unternehmensgruppe, einschließlich der Übertragung der Arbeitsverträge der betroffenen Hotelmitarbeiter. Neun Mitarbeiter erklärten daraufhin ihr freiwilliges Ausscheiden und wurden von der neuen Gesellschaft eingestellt. Am 31. Januar 2020 erhielten zwei Kläger und sieben weitere Arbeitnehmer Kündigungen aus organisatorischen und produktionsbedingten Gründen. Die Kläger erhoben Klage und argumentierten, dass die Beklagte ein Massenentlassungsverfahren hätte einleiten müssen und in betrügerischer Weise das freiwillige Ausscheiden einiger Arbeitnehmer gefördert habe, um dies zu umgehen. 

 

Entscheidung: 
 
Der EuGH entschied daraufhin, dass die Konsultationspflicht gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 98/59 entsteht, sobald der Arbeitgeber im Rahmen eines Restrukturierungsplans eine Verringerung der Arbeitsplätze plant, die den Schwellenwert für Massenentlassungen überschreiten kann. Diese Pflicht besteht nicht erst, wenn der Arbeitgeber sicher ist, dass die Schwellenwerte tatsächlich überschritten werden. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte des Ausgangsverfahrens durch die strategische Entscheidung zur Übertragung von Hotels und der damit verbundenen Reduzierung der Arbeitsplätze diese Pflicht bereits ausgelöst hatte. Die Befragung der Arbeitnehmer über ihre Bereitschaft, zu einem anderen Unternehmen zu wechseln, war ein Indikator dafür, dass die Beklagte Massenentlassungen ins Auge gefasst hatte. Die Beklagte hätte daher frühzeitig Konsultationen mit den Arbeitnehmervertretern durchführen müssen, um die beabsichtigten Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken. 

Beamtenrecht

Chancenlosigkeit im Auswahlverfahren 

VG SH, Beschluss vom 17. April 2024, 12 B 3/24 

 

Sachverhalt: 

In der Entscheidung ging es um einen Antragsteller, der im Wege der einstweiligen Anordnung beantragte, der Antragsgegnerin zu untersagen, eine ausgeschriebene Stelle als Berater “Zusammenarbeit mit der Landespolitik” endgültig zu besetzen und den ausgewählten Bewerber zu ernennen. Der Antragsteller argumentierte, dass er einen Beurteilungsvorsprung gegenüber dem ausgewählten Bewerber habe und daher ebenfalls zum Auswahlgespräch eingeladen werden müsse. Er berief sich auf seine bessere dienstliche Beurteilung und machte geltend, dass die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin fehlerhaft sei. Das Gericht musste prüfen, ob die Gefahr bestand, dass durch die Besetzung der Stelle die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert würde, und ob die Antragsgegnerin bei ihrer Auswahlentscheidung den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt hatte. 

Entscheidung: 

Das Gericht hat den Antrag des Antragstellers abgelehnt, da die Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung nicht erfüllt waren. Es stellte fest, dass der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hatte. Insbesondere konnte der Antragsteller nicht nachweisen, dass seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl im Rahmen des laufenden Auswahlverfahrens offen wären. 

  1. Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht: Der Antragsteller konnte nicht überzeugend darlegen, dass er bei einer erneuten Auswahl eine Chance auf die Stelle hätte, da die Entscheidung der Antragsgegnerin zugunsten eines anderen Bewerbers rechtmäßig und nachvollziehbar war. 
  1. Bewerberauswahl basierend auf Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung: Die Antragsgegnerin hatte ihre Auswahlentscheidung auf Grundlage der dienstlichen Beurteilungen und der beruflichen Erfahrungen der Bewerber getroffen, wobei der Beigeladene trotz einer formal gleichlautenden Beurteilung aufgrund seiner Tätigkeit im höheren Statusamt einen Eignungsvorsprung hatte. 
  1. Berücksichtigung von schwerbehinderten Bewerbern: Der Beigeladene wurde aufgrund seiner Gleichstellung mit Schwerbehinderten unabhängig von seiner Beurteilung zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, was gesetzlich vorgeschrieben ist, um die Chancen schwerbehinderter Bewerber zu verbessern. 
  1. Mehrstufiges Auswahlverfahren: Das mehrstufige Auswahlverfahren, das die Antragsgegnerin durchführte, war ordnungsgemäß und gerecht. Der Antragsteller wurde nicht zum Auswahlgespräch eingeladen, weil seine Beurteilung im Vergleich zu den verbleibenden Bewerbern nicht ausreichte, um ihn weiter zu berücksichtigen. 

Aufgrund dieser Gründe sah das Gericht keine Rechtsgrundlage, die Antragsgegnerin zu einer erneuten Auswahlentscheidung zu verpflichten, und lehnte den Antrag ab. 

Schulrecht

Die gerichtliche Überprüfung von Abiturprüfungen 

OVG SH Beschluss vom 23.04.2024, 3 LA 80/21 

Sachverhalt: 

Das Gericht hatte zu entscheiden über den Antrag eines Klägers auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts. Der Kläger wandte sich gegen die Bewertung seiner schriftlichen und mündlichen Abiturprüfungen in den Fächern Englisch, Deutsch, Geographie und Biologie. Er führte an, dass Bewertungsfehler vorlagen und die Prüfungsentscheidungen fehlerhaft seien, da sie ernstlichen Richtigkeitszweifeln unterlägen und von grundsätzlicher Bedeutung seien. Der Kläger argumentierte, dass die Prüfer seinen Antwortspielraum nicht ausreichend beachtet hätten und verlangte eine Neubewertung seiner Prüfungsleistungen. Das Gericht hatte somit zu prüfen, ob die Berufung aufgrund der vorgebrachten Gründe zugelassen werden sollte. 

Entscheidung:  

Das Gericht hat den Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Die wesentlichen Gründe für diese Entscheidung waren: 

  1. Fehlende ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils: Das Gericht sah keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Es stellte fest, dass die Bewertungen der Prüfungsleistungen des Klägers durch die Prüfer im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums lagen und keine Bewertungsfehler vorlagen. 
  1. Beurteilungsspielraum der Prüfer: Die Prüfungsergebnisse wurden nach allgemein gültigen Bewertungsmaßstäben überprüft, die auch den Antwortspielraum des Prüflings berücksichtigen. Das Gericht bestätigte, dass die Prüfungsentscheidungen sachlich und nicht willkürlich getroffen wurden. 
  1. Ordnungsgemäßes Überdenkungsverfahren: Soweit es Anhaltspunkte für mögliche Bewertungsfehler gab, wurde ein Überdenkungsverfahren durchgeführt, das die ursprünglich angenommenen Fehler beseitigte. Somit lagen keine Fehler mehr vor, die eine Änderung der Noten erforderlich gemacht hätten. 
  1. Unzureichende Darlegung grundsätzlicher Bedeutung: Der Kläger konnte nicht darlegen, dass die Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat. Das Gericht sah keine klärungsbedürftigen Rechts- oder Tatsachenfragen, die über den Einzelfall hinaus relevant wären. 

Diese Gründe führten dazu, dass das Gericht den Antrag auf Zulassung der Berufung als unbegründet zurückwies. 

News dieser Woche

BGH rügt Mogelpackung 

Sachverhalt: 

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg klagte gegen L’Oréal Deutschland wegen einer irreführenden Verpackung eines Herrenwaschgels. Die Tube des Waschgels war nur zu zwei Dritteln gefüllt, wodurch eine größere Füllmenge vorgetäuscht wurde. Die Verbraucherzentrale argumentierte, dass dies gegen das Mess- und Eichgesetz verstoße und eine unlautere Geschäftspraktik darstelle, da die Verpackung das tatsächliche Volumen nicht widerspiegele und Verbraucher in die Irre führe. Die Klage bezog sich auf die Werbung und den Verkauf des Produkts sowohl im stationären Handel als auch online. In den Vorinstanzen wurde die Klage abgewiesen, da das Berufungsgericht keine wettbewerbsrechtlich relevante Täuschung im Onlinevertrieb erkannte. 

Entscheidung des BGH: 

Der Bundesgerichtshof (BGH) gab der Klage der Verbraucherzentrale statt und entschied, dass die Verpackung des Waschgels von L’Oréal Deutschland gegen die Vorschriften zum Schutz der Verbraucher vor unlauterem Wettbewerb verstößt. 

Gründe für die Entscheidung: 

  1. Täuschung über Füllmenge: Der BGH stellte fest, dass eine Verpackung, die nur zu etwa zwei Dritteln gefüllt ist, eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung darstellt, da sie eine größere Füllmenge vortäuscht. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kunde das Produkt im Laden oder online kauft. 
  1. Mess- und Eichgesetz: Die Richter entschieden, dass die Verpackung gegen das Mess- und Eichgesetz verstößt, welches sicherstellen soll, dass Verbraucher nicht über die Füllmenge von Fertigpackungen getäuscht werden. 
  1. Spürbare Interessenbeeinträchtigung: Die irreführende Verpackung beeinträchtigte spürbar die Interessen der Verbraucher, da der Schutzzweck des Gesetzes darin besteht, den Verkehr vor Fehlannahmen über die relative Füllmenge zu schützen. 
  1. Umweltbewusstsein der Verbraucher: Die Entscheidung berücksichtigt, dass Verbraucher aus ökologischen Gründen Verpackungen bevorzugen könnten, die im Verhältnis zur Füllmenge weniger Plastikmüll erzeugen. Eine irreführende Verpackung beeinträchtigt dieses bewusste Kaufverhalten. 

Diese Entscheidung des BGH setzt ein deutliches Signal an alle Produkthersteller, Verpackungen nicht unnötig groß zu gestalten und somit den gesetzlichen Vorgaben entsprechend zu handeln. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Translate »