Unabhängige Medien sind etwas anderes!
Ein Kommentar:
„Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (‚un des droits les plus précieux de l’homme‘ nach Artikel 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789). Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist dies schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist. Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt, ‚the matrix, the indispensable condition of nearly every other form of freedom‘ (Cardozo).“[1]
[1] BVerfGE 7, 198 (208) – Lüth-Urteil.
Die Voraussetzungen für freie Meinungsäußerung im Kontext der Medienunabhängigkeit basieren auf den Garantien des Grundgesetzes, insbesondere Artikel 5, der Meinungs- und Informationsfreiheit schützt und gleichzeitig die Unabhängigkeit der Medien sichert.
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Staatliche Gewährleistung der Medienfreiheit: Artikel 5 Abs. 1 GG schützt nicht nur individuelle Meinungsfreiheit, sondern fordert auch die Sicherstellung unabhängiger Medien. Der Staat hat damit nicht nur die Aufgabe, die Meinungsäußerung zu erlauben, sondern muss die institutionelle Unabhängigkeit von Presse und Rundfunk gewährleisten. Hierzu zählt die Bereitstellung von Strukturen, die es den Medien ermöglichen, frei von staatlichen oder wirtschaftlichen Zwängen zu agieren.
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Finanzielle Unabhängigkeit: Besonders der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird durch eine spezifische Finanzierungsform geschützt, die unabhängig von Einschaltquoten und Werbeeinnahmen ist. Dieser Beitrag ermöglicht ein breites, unabhängiges Programmangebot, das politische und gesellschaftliche Pluralität abbilden kann, ohne ökonomische Rücksichten nehmen zu müssen. Die Finanzierung durch Beiträge anstelle von Steuern oder privatwirtschaftlichen Mitteln trägt zur Autonomie bei und verhindert externe Einflussnahme.
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Objektiv-rechtliche Dimension: Die Medienfreiheit umfasst laut Bundesverfassungsgericht eine dienende Freiheit, die auf die Funktionsfähigkeit des demokratischen Diskurses abzielt. Dies bedeutet, dass die Medien eine Verantwortung für eine pluralistische und informierte Öffentlichkeit haben. Dieses Prinzip schützt die Medienfreiheit nicht als bloßes individuelles Recht, sondern als strukturelle Notwendigkeit für eine funktionierende Demokratie.
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Technische und inhaltliche Neutralität: Die Unabhängigkeit der Medien wird durch technische und inhaltliche Neutralität unterstützt. Das bedeutet, dass staatliche oder wirtschaftliche Akteure weder durch technische Verbreitungswege noch durch inhaltliche Steuerung die freie Meinungsäußerung einschränken dürfen. Die zunehmende Konvergenz der Medien, also die Verschmelzung von Presse, Rundfunk und Online-Angeboten, stellt neue Anforderungen an diese Neutralität und erfordert technologische wie rechtliche Anpassungen, die die Vielfalt und Unabhängigkeit der Meinungsbildung auch in digitalen Medien gewährleisten.
Wer heute, Dienstag den 29.10.2024 die Seite 13 der FAZ unter der Rubrik Medien aufschlägt, bekommt gleich 5 Artikel geliefert die belegen, daß die Unabhängigkeit von Medien von politischer und staatlicher Einflußnahme ein schwindender Traum zu sein scheint.
Die in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ dokumentierten Beispiele verdeutlichen eine problematische Nähe zwischen Medien und politisch-staatlichen Interessen, die die Unabhängigkeit der Medien infrage stellt und so eine Gefahr für die freie Meinungsbildung in der Gesellschaft darstellt.
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Artikel „So stirbt die Demokratie“: Wahlempfehlungsverzicht großer US-Medienhäuser
Der Verzicht der „Washington Post“ und „Los Angeles Times“ auf Wahlempfehlungen kurz vor den US-Wahlen zeigt die Befürchtung der Medienbesitzer vor möglichen Repressionen bei einem Sieg Trumps. Jeff Bezos, Eigentümer der „Washington Post“, soll explizit diese Zurückhaltung gefordert haben, da er negative Konsequenzen für seine Unternehmen befürchtet. Diese Einflussnahme zeigt, wie wirtschaftliche Interessen die redaktionelle Unabhängigkeit einschränken und eine freie, kritische Berichterstattung behindern können. Die Meinungsbildung wird so weniger durch journalistische Abwägung als durch ökonomische Rücksichtnahme gelenkt. -
Artikel „Staatspresse“: Staatsferne der Presse durch gerichtliches Verbot staatlicher Stellenanzeigen: Ein Urteil des Bundesgerichtshofs entschied, dass die kostenlose Veröffentlichung von Stellenanzeigen durch den Landkreis Grafschaft Bentheim gegen die Staatsferne der Presse verstößt. Der öffentliche Auftritt staatlicher Stellen, die in den kommerziellen Bereich von Medienunternehmen eingreifen, stellt eine Wettbewerbsverzerrung dar, die die Presse in ihrer wirtschaftlichen Grundlage bedroht. Solche Eingriffe gefährden die wirtschaftliche Basis privater Presseorgane, was letztlich deren Unabhängigkeit untergräbt und die Vielfalt der Medienlandschaft einschränkt.
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Artkel „Weniger Text, Spartenkanäle, Sportrechte“: Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland: Die Anpassung der Staatsverträge zur Finanzierung und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks birgt ebenfalls das Risiko politischer Einflussnahme. Die neuen Regelungen, die eine Reduktion von Kanälen und Einschränkungen bei Online-Inhalten vorsehen, könnten als Mechanismen betrachtet werden, die den politischen Interessen einiger Bundesländer Rechnung tragen. Die Begrenzung der Ausgaben für Sportrechte und das Verbot presseähnlicher Texte im Online-Angebot zeigen die Versuche des Gesetzgebers, die öffentlich-rechtlichen Anstalten stärker zu kontrollieren. Diese Kontrolle könnte die freie und unabhängige Meinungsbildung beschneiden, indem es den Sendeanstalten erschwert wird, ein umfassendes und unabhängiges Angebot zu gewährleisten.
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Artikel „Sieh an, der Focus war’s“: Eingriff des Bundesinnenministeriums (BMI) in die Pressefreiheit: Die Weigerung des BMI, Anfragen zu Kontakten zwischen dem Ministerium und dem Satiriker Jan Böhmermann transparent zu beantworten, zeigt ein weiteres Beispiel für staatliche Intransparenz. Journalisten wurde die Auskunft erst nach einem gerichtlichen Verfahren erteilt. Solche Verschleierungen durch staatliche Stellen erschweren eine kritische Berichterstattung und limitieren die Transparenz, die für eine informierte und mündige Öffentlichkeit notwendig ist. Dieses Vorgehen deutet darauf hin, dass staatliche Behörden die Kontrolle über Informationen behalten wollen, was eine unabhängige Pressearbeit gefährdet.
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Artikel „So stirbt die Demokratie“ 2. Hälfte: Medienlandschaft in den USA: Einflussnahme durch Plattformen und politische Hetze: Weiterhin zeigt sich in den USA eine zunehmende Politisierung und Instrumentalisierung großer Medienplattformen wie X (ehemals Twitter) durch Akteure wie Elon Musk, der laut Berichten Verschwörungstheorien und gezielte Desinformation über diese Plattform verbreiten lässt. Derartige Vorgänge beeinflussen das öffentliche Meinungsklima massiv und führen zu einer gefährlichen Verzerrung der freien Meinungsbildung, indem sie Falschinformationen und Hetze ermöglichen. Wenn private Interessen mit politischen Agenden verschmelzen, verlieren die Medien ihre Rolle als unabhängige Instanz und werden Teil einer politischen Auseinandersetzung.
Diese Beispiele zeigen, dass die Unabhängigkeit der Medien durch wirtschaftliche Abhängigkeiten, staatliche Einflussnahme und wettbewerbsverzerrende Maßnahmen stark gefährdet ist. Die Medien stehen zunehmend vor der Herausforderung, ihre Rolle als vierte Gewalt zu behaupten, da staatliche und ökonomische Einflüsse eine freie Meinungsbildung untergraben.
Und wie verhalten sich die Intendanten von ARD und ZDF, die aufgrund ihrer besonderen Finanzierung genau die Medienunabhängigkeit herstellen und bewahren sollen – auch als direkter Gegenpol zu Staat und Politik? Sie sind – als beauftragte Verteidiger der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks „ziemlich unzufrieden“ – so der Artikel „Reformfreude“.
Das ist zu wenig und legitimiert nicht den Rundfunkbeitrag für die Unabhängigkeit von ARD und ZDF, das ist zu wenig, um die Erwartungen der jahrelangen ausfüllenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes auch nur im Ansatz zu erfüllen.