Wehrdienst‑Modernisierungsgesetzes (WDModG)

Überblick über die Kerninhalte
a) Ablauf und Zielsetzung
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Das Bundeskabinett beschloss den Entwurf für den „Neuen Wehrdienst“, welcher auf Freiwilligkeit setzt, jedoch eine Rückkehr zur Wehrpflicht ermöglicht, wenn die freiwilligen Anwerbungen nicht ausreichen.
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Geplanter Inkrafttretungstermin: 1. Januar 2026 (Bundesministerium der Verteidigung).
b) Instrumente zur Mobilisierung und Personalsteigerung
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Erfassung per Fragebogen: Alle deutschen Männer und Frauen ab 18 Jahren erhalten einen Fragebogen. Für Männer ist die Rücksendung verpflichtend, Frauen können freiwillig antworten.
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Musterungspflicht: Ab 2027 sollen Männer verpflichtet zur Musterung herangezogen werden – ein Zeichen für mögliche spätere Aktivierung der Wehrpflicht.
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Geplanter Start: 15.000 neue Wehrdienstleistende in den Anfangsjahren; langfristig bis zu 40.000 pro Jahr ab 2031.
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Zielgröße: 260.000 aktive Soldatinnen und Soldaten, insgesamt etwa 460.000 inklusive Reserven (Bundesministerium der Verteidigung).
c) Anreizsysteme und Karriereförderung
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Zeitsoldatenstatus: Bisherige „Freiwilliger Wehrdienst“ wird ersetzt durch Status als „Soldat auf Zeit“ mit besoldungs‑ und versorgungsrechtlichen Verbesserungen (Bundesministerium der Verteidigung).
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Nettovergütung: Über 2.000 € monatlich geplant.
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Zusatzausbildungen: Förderung etwa durch Fahrerlaubnis, berufliche Bildung, Sprachkurse angepasst an die Dienstzeit.
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Förderungsplan nach Dienstzeit: Gestaffelte Unterstützung und Bildungsförderung nach Dauer des Wehrdienstes (bis zu 60 Monate etwa bei ≥ 12 Jahren Dienstzeit), ebenso Übergangsgebührnisse.
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Versorgung Hinterbliebener: Ergänzende Sterbegeldregelungen und laufende Unterstützung bei Einsatzunfällen oder Tod.
Juristische und ökonomische Bewertung
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Das Gesetz wird ohne Änderung des Grundgesetzes umgesetzt – das bedeutet, die verfassungsrechtliche Reserve der Wehrpflicht bleibt intakt und bedarf einer späteren Anordnung.
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Durch die Erfassung, Musterungspflicht und mögliche spätere Pflichteinberufung wird ein rechtssicherer, stufenweiser Zugang geschaffen – mit klarer demokratischer Kontrolle (Gesetz, Bundestagsbeschluss).
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Eine Übergangsregelung (§ 136 WDModG) stellt sicher, dass derzeitige Freiwillige rechtlich stabil eingebettet bleiben, bis der neue Rechtsrahmen vollständig greift.
Kosten:
- Kostenanalysen zeigen stetige Steigerung der Rekrutierungszahlen (15 000 → bis 40 000 p.a.), jedoch konfrontiert mit Limitierungen wie fehlender Infrastruktur und Personal.
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Die Investition in höhere Besoldung und Bildungsförderung ist eine zielbewusste Anreizökonomie, um Freiwillige zu gewinnen, statt kostenintensive Wehrpflicht zu reaktivieren.
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Langfristige Reserveausbildung stärkt die strategische Tiefe der Bundeswehr ohne sofortige Vollkostenrekonstruktion aktiver Strukturen.
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Dennoch bleiben erhebliche Infrastrukturkosten bestehen: Ausbau von Kasernen, Ausbildungskapazitäten sowie Verwaltung der Musterung und „Fragebogenerfassung“ sind zu kalkulieren.
Stärken und Schwächen
Bewertungskriterium | Stärken | Schwächen |
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Rechtssicherheit | Sichert Freiwilligkeit mit Option auf Pflicht bei Bedarf; Übergangsregelungen garantieren Rechtsklarheit. | Musterungspflicht ab 2027 für Männer könnte als entwicklungspolitisch umstritten empfunden werden. |
Effizienz | Ökonomische Anreize und Flexibilität bei Dienstzeitstufen erhöhen Attraktivität. | Hohe Aufbau- und Verwaltungsaufwände; unsichere Freiwilligenzahlen bleiben Risiko. |
Strategische Wirkung | Stärkung aktiver Truppe und Reserve bei dynamischer Anpassbarkeit. | Bei Fehlen ausreichender Freiwilliger droht belated Wehrpflichtreaktivierung, die soziale Akzeptanz erschweren könnte. |
Ausgestaltung der Vergütung im Wehrdienst-Modernisierungsgesetz (WDModG)
Grundsystem der Vergütung
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Abkehr vom bisherigen Freiwilligen Wehrdienst (FWD):
Die bisherige, eher bescheidene Soldregelung wird vollständig ersetzt. Statt „Wehrsold“ tritt der Status „Soldat auf Zeit“ (SaZ) mit regulärer Besoldung und Versorgungsansprüchen. -
Damit wird ein Anschluss an das Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) geschaffen: Einberufene Wehrdienstleistende erhalten also nicht nur eine pauschale Aufwandsentschädigung, sondern eine volle Besoldung analog Zeitsoldaten, was erhebliche Aufwertung bedeutet.
Monatliche Bezahlung
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Geplante Nettovergütung: rund 2.000 € pro Monat.
(Dies ergibt sich aus Bruttobesoldung plus Zulagen minus Sozialabgaben – erstmals erhalten Wehrdienstleistende Rentenanwartschaften, Krankenversicherungsschutz und steuerrechtlich relevante Bezüge.) -
Unterscheidung nach Dienstgrad und Dienstzeit:
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Beginn meist als Gefreiter; Besoldungsgruppe A3/A4.
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Bei längerer Verpflichtung (z. B. > 12 Monate) mögliche Beförderungen bis Unteroffiziersebene mit entsprechenden Aufstufungen.
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Zulagen und Zusatzleistungen
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Zulagen für besondere Verwendungen (z. B. Auslandseinsatz, Spezialkräfte, Dienst zu ungünstigen Zeiten).
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Trennungsgeld / Familienzuschlag bei Verlegung des Dienstortes oder wenn Kinder vorhanden sind.
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Sterbegeld und Unfallfürsorge: Hinterbliebene erhalten erhöhte Ansprüche bei dienstbedingtem Tod oder schwerer Verletzung.
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Sachleistungen: Unterkunft, Verpflegung, Ausrüstung werden weiterhin gewährt – diese Leistungen sind geldwert und erhöhen den Gesamtwert des Pakets.
Bildungs- und Förderkomponenten
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Berufliche Ausbildung (z. B. Führerscheine, IT-Zertifikate, Sprachkurse) wird als Teil der Vergütung verstanden – geldwerter Vorteil, der den Marktwert der Wehrdienstzeit steigert.
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Übergangsgebührnisse nach Dienstzeitende:
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Bis zu 12 Monate nach Ende laufende Übergangszahlungen (analog Beamtenversorgung).
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Höhe abhängig von Dauer der Verpflichtung: Wer länger dient, erhält höhere Übergangsversorgung.
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Förderungsplan nach Dienstzeit: Stufenmodell:
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≥ 12 Monate: Anspruch auf Ausbildungsförderung bis zu 5 Jahre
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≥ 8 Jahre: umfassende Förderungsrechte, Bildungsmaßnahmen, Überbrückungsgelder
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≥ 12 Jahre: Anspruch auf 60 Monate Förderungen plus Übergangsgebührnisse
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Steuer- und Sozialrechtliche Einordnung
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Steuerpflicht: Anders als früherer Wehrsold (steuerfrei) unterliegen die neuen Bezüge regulär der Einkommensteuer.
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Sozialversicherungspflicht: Beiträge zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung werden gezahlt → Wehrdienstzeit wirkt sich positiv auf Rentenanwartschaften aus.
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Besonderheit: Da Unterkunft und Verpflegung Sachleistungen sind, werden sie geldwert erfasst, bleiben aber teilweise steuerbegünstigt.
Ökonomische Bewertung
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Deutliche Aufwertung: Von früher ~500 € netto auf jetzt > 2.000 € → attraktiver Arbeitsmarktcharakter statt „Pflichtdienst“.
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Anreizwirkung: Vergütung liegt über typischen Einstiegsgehältern im Niedriglohnbereich → geeignet, junge Menschen anzuziehen.
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Kostensteigerung für den Bund:
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Bei 15.000 Wehrdienstleistenden p.a. entstehen jährliche Personalkosten von ca. 360 Mio. € (ohne Infrastruktur, Ausbildung, Sachkosten).
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Bei Zielgröße 40.000 → > 1 Mrd. €/Jahr.
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Damit wird die Finanzierung des WDModG zu einem dauerhaft erheblichen Etatposten im Verteidigungshaushalt, gleichzeitig aber zu einer echten Investition in Nachwuchsbindung.
Einordnung der Reserve im WDModG
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Das Gesetz verfolgt das Ziel, die Bundeswehr auf eine Gesamtstärke von ca. 460.000 Soldatinnen und Soldaten zu bringen – davon ein erheblicher Teil in der Reserve.
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Reservisten sollen künftig nicht mehr nur „Lückenfüller“ sein, sondern integraler Bestandteil der Personalstruktur.
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Damit wird die Reserve gesetzlich aufgewertet und erhält eine klar definierte Rolle zwischen aktiver Truppe und Grundwehrdienstleistenden.
Auswirkungen für bestehende Reservisten
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Verbindlichere Heranziehung: Reservisten werden planmäßig für Übungen und Wehrübungen eingeplant; spontane „Ad-hoc-Einberufungen“ sollen durch feste Planstellen ersetzt werden.
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Vergütung und Absicherung:
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Besoldung während Übungen wird stärker an die reguläre Soldatenbesoldung angeglichen.
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Arbeitgeberentschädigung bleibt bestehen (§ 9 ArbPlSchG), sodass zivilen Arbeitgebern die Freistellung refinanziert wird.
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Sozialrechtliche Absicherung: Reservisten erhalten während aktiver Diensteinsätze volle Sozialversicherungseinbindung – wie aktive Soldaten.
Neue Rolle der „neuen Wehrdienstleistenden“ für die Reserve
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Jeder, der den neuen Wehrdienst absolviert, geht automatisch in die „aktive Reserve“ über.
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Dadurch wächst die Reserve jedes Jahr um mehrere Tausend gut ausgebildete Personen.
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Langfristiges Ziel: breite personelle Reservebasis mit bis zu 200.000 einsetzbaren Reservisten.
Qualifizierung und Förderung
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Reservistendienst als Karriereschritt: Wehrdienstleistende, die in die Reserve wechseln, behalten Zugang zu Fortbildungen, Ausbildungsförderung und Übergangsgebührnissen.
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Attraktivitätssteigerung: Durch die höhere Grundvergütung (ca. 2.000 €/Monat im Grunddienst) und die Anschlussförderung wird auch der Reserve-Status ökonomisch interessanter.
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Besondere Förderung für Fachkräfte: Reservisten mit IT-, Sanitäts- oder Technik-Qualifikationen können in Spezialreserven eingebunden werden.
Verpflichtungs- und Einsatzrahmen
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Erste Stufe: Freiwillige Verpflichtung auf 5–10 Jahre Reserveübungen.
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Zweite Stufe (im Krisenfall): Möglichkeit einer pflichtweisen Aktivierung der Reserve durch Bundestagsbeschluss, ohne Rückgriff auf allgemeine Wehrpflicht.
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Damit wird ein „Staffelmodell“ geschaffen:
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Freiwillige Reserve,
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Verpflichtungsreserve,
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Wehrpflicht (nur Ultima Ratio).
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Ökonomische Bewertung
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Kosteneffizienz: Aufbau einer starken Reserve ist deutlich günstiger als dauerhaftes Aufstocken der aktiven Truppe.
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Personalverfügbarkeit: Staat erhält Zugriff auf zehntausende militärisch ausgebildete Personen, ohne sie voll besolden zu müssen.
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Risiko: Abhängigkeit von Bereitschaft und Motivation der Reservisten, da deren Lebensrealität im zivilen Beruf eine dauerhafte Einbindung erschwert.
Erfassung der Reservisten nach Auflösung der Wehrersatzämter iin 2011.
Ausgangslage bisher
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Nach 2011 entfiel die regelmäßige Musterung und damit auch die fortlaufende Erfassung von Jahrgängen.
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Für Reservisten, die schon Grundwehrdienst oder FWD geleistet hatten, wurden keine durchgängig aktuellen Wohnort- und Kontaktdaten gepflegt.
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Die Verantwortung lag verstreut: Personalmanagement der Bundeswehr (Köln), Kreiswehrersatzämter (aufgelöst), später die Karrierecenter der Bundeswehr.
Folge: Die Bundeswehr hat nur eingeschränkt Zugriff auf aktuelle Daten, weil keine durchgehende gesetzliche Meldepflicht zur Datenfortschreibung bestand.
Neue Erfassung im Wehrdienst-Modernisierungsgesetz (WDModG)
Das WDModG schafft hier eine strukturierte Neuregelung:
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Fragebogenpflicht ab 18 Jahren
Alle Männer (verbindlich) und Frauen (freiwillig) werden künftig erfasst (§ 1 WDModG-E). Dadurch entsteht erstmals wieder ein vollständiger Jahrgangsüberblick. -
Musterungspflicht ab 2027
Männer müssen sich wieder persönlich registrieren und medizinisch begutachten lassen. Damit fallen zwingend Wohnort- und Kontaktdaten an. -
Automatische Übernahme in die Reserve
Jeder Wehrdienstleistende wird nach der aktiven Dienstzeit in der aktiven Reserve geführt – mit Pflicht zur Meldung von Adressänderungen. -
Datenführung
Zuständig ist künftig das Zentrale Datenregister des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) in Köln.
Dieses Register wird durch automatischen Datenabgleich mit den Meldeämtern (Einwohnermeldeämtern) gepflegt.
Gesetzliche Grundlage zur Datenerfassung
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Das WDModG enthält eine explizite Ermächtigung zur Datenerhebung: Erfasst werden u. a. Name, Geburtsdatum, Wohnsitz, Staatsangehörigkeit, Gesundheitsstatus (nach Musterung).
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Ein Datenabgleich mit dem Bundeszentralregister und den kommunalen Meldeämtern ist vorgesehen, um Umzüge nachverfolgen zu können.
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Rechtsgrundlage hierfür ist die Änderung des Wehrpflichtgesetzes (WPflG) i. V. m. dem neuen Wehrdienstgesetz.
Bedeutung für Reservisten
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Bessere Auffindbarkeit: Künftig können Reservisten bei Bedarf ohne Zeitverlust einberufen oder zu Übungen eingeladen werden.
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Pflicht zur Aktualisierung: Wer in der Reserve geführt wird, muss Änderungen von Wohnort und Kontaktdaten melden (vergleichbar Beamten- oder Soldatenpflichten).
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Zentrale Datenhaltung: Anders als früher bei den Wehrersatzämtern wird die Erfassung nicht mehr dezentral, sondern zentral beim BAPersBw erfolgen.
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Praktische Folge: Die Reserve wird erstmals seit Jahrzehnten verlässlich abrufbar, was Voraussetzung für den geplanten Ausbau auf bis zu 200.000 Reservisten ist.