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Darlegungs- und Beweislast im Amtshaftungsprozess

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Darlegungs- und Beweislast im Amtshaftungsprozess

Rechtsprechung

Darlegungs- und Beweislast im Amtshaftungsprozess bei Beschränkungsmaßnahmen nach dem G 10-Gesetz und dem Bundesverfassungsschutzgesetz

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Februar 2025 (III ZR 63/24)

Leitsatz: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass im Amtshaftungsprozess der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Amtsträgers trägt, auch wenn er eine Entschädigung für Maßnahmen nach dem G 10-Gesetz und dem Bundesverfassungsschutzgesetz geltend macht. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Maßnahmen von der G 10-Kommission geprüft und als zulässig, notwendig und verhältnismäßig eingestuft wurden.

Sachverhalt: Der Kläger verlangte eine Entschädigung von 200.000 € für Maßnahmen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) zwischen November 2017 und April 2018, die seine Telekommunikation sowie Post betrafen. Er wurde wegen des Verdachts der Planung terroristischer Anschläge überwacht. Die Maßnahmen wurden nachträglich von der G 10-Kommission als rechtmäßig beurteilt.

Prozessverlauf:

  • Das Landgericht wies die Klage ab.

  • Das Oberlandesgericht gab der Klage teilweise statt und sprach dem Kläger eine Entschädigung von 10.000 € zu. Es sah die Beklagte (Bundesrepublik Deutschland) als primär oder sekundär darlegungs- und beweisbelastet an.

  • Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.

Entscheidung des BGH: Der BGH stellte klar, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Amtspflichtverletzung beim Kläger liegt. Die Beklagte trifft keine sekundäre Darlegungslast, da Geheimhaltungsinteressen und die sog. „Third-Party-Rule“ einer weitergehenden Offenlegung entgegenstehen. Eine Beweislastumkehr ergibt sich nicht aus dem Eingriff in Art. 10 GG, wenn die Maßnahmen von der G 10-Kommission als rechtmäßig bestätigt wurden. Das Oberlandesgericht muss nun im erneuten Verfahren klären, ob der Kläger hinreichende Anhaltspunkte für eine Amtspflichtverletzung darlegen kann.

Bedeutung der Entscheidung: Diese Entscheidung betont die strengen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast im Amtshaftungsprozess im Bereich der Nachrichtendienstüberwachung und berücksichtigt zugleich den Schutz sensibler Informationen sowie die nationale Sicherheit.

 


Amtshaftung – Wenn der Staat für Fehler haftet

Die Amtshaftung ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Schadensersatzrechts und betrifft die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Staat für fehlerhaftes Verhalten seiner Amtsträger haftet. In diesem Beitrag erläutern wir die Grundlagen der Amtshaftung, deren rechtliche Voraussetzungen und typische Fallkonstellationen.


1. Gesetzliche Grundlage der Amtshaftung

Die Amtshaftung ist in Artikel 34 Grundgesetz (GG) und § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Diese Normen bestimmen, dass der Staat für Schäden haftet, die ein Amtsträger in Ausübung seines öffentlichen Amtes schuldhaft verursacht. Dabei wird die persönliche Haftung des Amtsträgers auf den Staat oder die jeweilige Körperschaft des öffentlichen Rechts übertragen.

Artikel 34 GG:
„Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht.“

§ 839 BGB:
„Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“

Diese Bestimmungen stellen sicher, dass der Bürger im Falle eines staatlichen Fehlverhaltens einen Schadensersatzanspruch gegen den Staat geltend machen kann.


2. Voraussetzungen der Amtshaftung

Damit eine Amtshaftung gegeben ist, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

a) Amtspflichtverletzung

Der Amtsträger muss eine Pflichtverletzung begangen haben, die ihm in seinem öffentlichen Amt obliegt. Dies kann z. B. eine fehlerhafte Entscheidung einer Behörde, eine unrechtmäßige Maßnahme der Polizei oder eine fehlerhafte Beratung durch eine öffentliche Stelle sein.

b) Handlung in Ausübung eines öffentlichen Amtes

Die Pflichtverletzung muss im Rahmen der amtlichen Tätigkeit erfolgt sein. Private Handlungen eines Beamten oder Angestellten im öffentlichen Dienst fallen nicht unter die Amtshaftung.

c) Drittbezogenheit der Amtspflicht

Die verletzte Amtspflicht muss gerade dem Schutz des geschädigten Bürgers dienen. Es muss also eine direkte Rechtsbeziehung zwischen dem Amtsträger und dem Geschädigten bestehen.

d) Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit)

Der Amtsträger muss schuldhaft, d. h. vorsätzlich oder fahrlässig, gehandelt haben. Eine Haftung des Staates scheidet aus, wenn der Amtsträger ohne Verschulden gehandelt hat.

e) Schaden und Kausalität

Zwischen der Pflichtverletzung und dem entstandenen Schaden muss ein kausaler Zusammenhang bestehen. Der Schaden kann sowohl materieller (z. B. finanzieller Verlust) als auch immaterieller Natur (z. B. Schmerzensgeld) sein.


3. Typische Beispiele aus der Praxis

Die Amtshaftung kommt in vielen Bereichen des Verwaltungsrechts zur Anwendung. Hier einige typische Fallgruppen:

  • Fehlentscheidungen von Behörden: Eine Baugenehmigung wird rechtswidrig verweigert, wodurch ein erheblicher finanzieller Schaden entsteht.
  • Polizeiliche Maßnahmen: Eine ungerechtfertigte Festnahme oder ein rechtswidriger Polizeieinsatz kann Schadensersatzansprüche begründen.
  • Fehlverhalten in Schulen und Universitäten: Ein Schüler erleidet durch Fahrlässigkeit eines Lehrers eine Verletzung.
  • Justizirrtümer: Falsche Urteile oder fehlerhafte Ermittlungen können zu Schadensersatzansprüchen führen.

4. Besonderheiten und Einschränkungen der Amtshaftung

Trotz der grundsätzlichen Haftung des Staates gibt es einige Einschränkungen:

  • Richterprivileg (§ 839 Abs. 2 BGB): Richter haften für falsche Urteile nur bei vorsätzlicher Rechtsbeugung.
  • Subsidiaritätsklausel (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB): Hat der Geschädigte eine andere Möglichkeit, seinen Schaden ersetzt zu bekommen (z. B. durch eine Versicherung), entfällt die Amtshaftung.
  • Haftungsausschluss bei weisungsgebundenem Handeln: Wenn ein Amtsträger eine dienstliche Weisung befolgt, kann eine Haftung unter Umständen ausgeschlossen sein.

5. Durchsetzung von Amtshaftungsansprüchen

Wer durch eine Amtspflichtverletzung geschädigt wurde, muss seinen Anspruch außergerichtlich bei der zuständigen Behörde oder direkt vor dem Zivilgericht geltend machen. Die Klage richtet sich gegen den Staat oder die zuständige Körperschaft (z. B. Stadt, Gemeinde). Zuständig sind die ordentlichen Gerichte (Landgerichte), nicht die Verwaltungsgerichte.

Wichtige Punkte bei der Geltendmachung:

  • Beweispflicht: Der Geschädigte muss die Amtspflichtverletzung und den Schaden nachweisen.
  • Verjährung: Der Anspruch unterliegt einer Verjährungsfrist von drei Jahren ab Kenntnis des Schadens und des Schädigers (§ 195 BGB).
  • Klagegegner: Der Staat oder die öffentliche Körperschaft, nicht der einzelne Amtsträger.

 

Die Amtshaftung stellt ein wichtiges Instrument zum Schutz der Bürger vor rechtswidrigem staatlichen Handeln dar. Sie sorgt dafür, dass der Staat für Fehler seiner Bediensteten einsteht und Schadensersatz leistet. Die Durchsetzung von Ansprüchen ist jedoch oft komplex und erfordert eine genaue Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen. Betroffene sollten sich daher frühzeitig anwaltlich beraten lassen, um ihre Rechte effektiv geltend zu machen.

2 Antworten

  1. Schlieper sagt:

    Guten Tag , stellt der Versuch der Volllstreckung von säumigen GEZ Gebühren durch beispielsweise eine Gemeinde , solch eine Verfehlung dar ? Mit freundlichen Grüßen

    • KorffAdmin2 sagt:

      Nein.
      Die Rundfunkbeiträge werden auf Grundlage des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) erhoben. Die Vollstreckung erfolgt gem. § 10 Abs. 6 Satz 1 RBStV in Verbindung mit den jeweiligen landesrechtlichen Vollstreckungsgesetzen.
      Beispiel Schleswig-Holstein:
      § 10 Abs. 6 Satz 1 RBStV: „Rückständige Rundfunkbeiträge […] werden im Verwaltungsvollstreckungsverfahren beigetrieben.“
      § 3 Abs. 1 LVwVG SH: Die Landesrundfunkanstalt kann sich zur Vollstreckung der Hilfe von Vollstreckungsbehörden (wie Gemeinden) bedienen.
      Die Gemeinde handelt nicht im eigenen Namen, sondern im Rahmen der Verwaltungshilfe für die Landesrundfunkanstalt bzw. den Beitragsservice als Verwaltungshelfer. Sie vollstreckt einen bestandskräftigen Verwaltungsakt einer anderen Behörde.
      Sie ist nicht Ausgangsbehörde des Verwaltungsakts (Beitragsbescheid).
      Es liegt kein eigenes Auswahl- oder Beurteilungsermessen der Gemeinde bzgl. Rechtmäßigkeit oder Zweckmäßigkeit der Vollstreckung vor.
      Die Gemeinde hat nur die Formalien der Vollstreckung umzusetzen.
      Die Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG setzt eine rechtswidrige hoheitliche Maßnahme voraus, für die der handelnde Hoheitsträger verantwortlich ist. Bei der Vollstreckung eines Beitragsbescheids liegt die hoheitliche Entscheidung über das „Ob“ der Forderung jedoch nicht bei der Gemeinde.
      Die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheids liegt beim Beitragsservice / der Rundfunkanstalt.
      Die Gemeinde ist lediglich vollziehende Instanz, vergleichbar einem Gerichtsvollzieher, und nicht haftungsrechtlich verantwortlich für etwaige Fehler der Ausgangsbehörde.

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