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Keine Beitragserhöhung für ARD und ZDF ab 2025

Arbeitsrecht – Erbrecht - Schulrecht

Keine Beitragserhöhung für ARD und ZDF ab 2025

ARD und ZDF

Ist das neue Widerspruchsmodell mit der Unabhängigkeit der ör Anstalten vereinbar und wird der gegenwärtigen Verfassungsbeschwerde damit die Grundlage entzogen?

Nein, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seiner Rechtsprechung, insbesondere im 8. Rundfunkurteil (BVerfGE 119, 181) und weiteren Entscheidungen zur Rundfunkfinanzierung, präzisiert, unter welchen Bedingungen die Bundesländer von den Vorschlägen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) abweichen dürfen. Die KEF erstellt unabhängige Vorschläge zur Höhe des Rundfunkbeitrags auf Basis des von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angemeldeten Finanzbedarfs und unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Die Länder dürfen diese Vorschläge nur ausnahmsweise ablehnen.

Der zentrale Satz aus dem Urteil (BVerfGE 119, 181) lautet:

Die Festsetzung der Rundfunkgebühr muss frei von medienpolitischen Zwecksetzungen erfolgen BVerfGE 119, 181 (220).


 

Sachverhalt:

Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) hat beschlossen, den Rundfunkbeitrag in den Jahren 2025 und 2026 bei 18,36 Euro stabil zu halten. Dies geschieht vor dem Hintergrund vorhandener Rücklagen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die über eine Milliarde Euro betragen. Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) betonte, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in dieser Zeit verfassungsgemäß gesichert sei.

Die Entscheidung, keine Erhöhung umzusetzen, wurde unter anderem von der CDU-Opposition begrüßt, die auf die Belastung der Bevölkerung durch steigende Lebenshaltungskosten und den dynamischen Medienwandel hinwies. Zugleich kritisierte Schweitzer die Verfassungsbeschwerde von ARD und ZDF, die kurz vor der MPK eingereicht worden war, um eine Erhöhung des Beitrags zu erreichen. Bayern und Sachsen-Anhalt stellen Bedingungen und verlangen den Rückzug der Verfassungsbeschwerde, bevor sie den Entwurf eines neuen Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags ihren Landtagen vorlegen.


Neues Finanzierungsmodell ab 2027

Ab 2027 soll die Rundfunkfinanzierung grundlegend reformiert werden. Die bisherige Einstimmigkeit aller Länder bei der Entscheidung über den Rundfunkbeitrag wird durch ein Widerspruchsmodell ersetzt. Das Modell differenziert je nach Höhe der vorgeschlagenen Beitragserhöhung und reduziert die Einflussmöglichkeiten der Länder sukzessive:

  1. Beitragserhöhung bis 2 %:

    • Eine Beitragserhöhung bis zu 2 % kann nur verhindert werden, wenn mindestens drei Länder widersprechen.
    • Beispiel: Bei einer Erhöhung von 18,36 Euro um 2 %, d.h. ca. 37 Cent, wäre ein Widerspruch von drei Ländern erforderlich.
  2. Beitragserhöhung von 2 % bis 3,5 %:

    • Hier reichen zwei Länder, um die Erhöhung zu blockieren.
  3. Beitragserhöhung von 3,5 % bis 5 %:

    • Ein einzelnes Land kann die Erhöhung verhindern.
  4. Beitragserhöhung über 5 %:

    • Das aktuelle Verfahren bleibt bestehen: Eine Zustimmung aller Länder ist erforderlich.
    • Hintergrund: Solche Erhöhungen könnten als schwerwiegender Eingriff gewertet werden und erfordern daher Einstimmigkeit.

Ziele und Auswirkungen des neuen Modells

  • Flexibilität und Vereinfachung:
    Das neue Modell soll die Verhandlungen über den Rundfunkbeitrag beschleunigen und Blockaden vermeiden, da eine Einstimmigkeit bei geringen Beitragserhöhungen nicht mehr notwendig ist.

  • Geringere Abhängigkeit von Gerichtsentscheidungen:
    Schweitzer betonte die Bedeutung, dass politische Entscheidungen über den Rundfunkbeitrag bei den Ländern verbleiben und nicht durch Gerichtsverfahren ersetzt werden.

  • Sicherstellung der Finanzierung:
    Das Widerspruchsmodell ermöglicht moderate Beitragsanpassungen, die sich an den finanziellen Bedarfen der Rundfunkanstalten orientieren, ohne dass eine vollständige Zustimmung aller Länder erforderlich ist.


Politische Reaktionen aus den Bundesländern und offene Fragen

  • Die Einigung sichert den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kurzfristig und entzieht der Verfassungsbeschwerde von ARD und ZDF die Grundlage.
  • Bayern und Sachsen-Anhalt koppeln ihre Zustimmung zum neuen Staatsvertrag an den Rückzug der Verfassungsbeschwerde.
  • Die Reform könnte langfristig die Akzeptanz des Rundfunkbeitrags stärken, birgt jedoch weiterhin Konfliktpotenzial bei höheren Beitragserhöhungen.

Das neue Modell stellt einen Kompromiss dar, der politische Blockaden löst, die Finanzierung des Rundfunks gewährleistet und gleichzeitig den Einfluss der Länder sicherstellt.

 

Einordnung des Widerspruchsmodells unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten

1. Bindung an die Rundfunkfreiheit

Das Widerspruchsmodell differenziert die Zustimmungsanforderungen je nach Höhe der vorgeschlagenen Beitragsanpassung. Bei moderaten Erhöhungen bis zu zwei Prozent reicht der Widerspruch von drei Ländern, um eine Blockade herbeizuführen. Diese Regelung scheint mit der Rundfunkfreiheit vereinbar, da sie bei kleineren Beitragsanpassungen, die voraussichtlich keine grundlegende Gefährdung des Funktionsauftrags darstellen, eine höhere Schwelle für eine Ablehnung setzt. Dadurch wird die Gefahr einer Blockade durch Einzelinteressen reduziert.

Allerdings ist fraglich, ob die Hürden bei höheren Beitragsanpassungen (3,5–5 %) und die Beibehaltung der Einstimmigkeit bei Anhebungen über 5 % tatsächlich dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Rundfunkfreiheit gerecht werden, insbesondere wenn eine Beitragsanpassung durch ein Veto eines einzelnen Landes verhindert werden kann.

2. Begründungspflicht und Sachlichkeit

Das Modell fordert keine expliziten sachlichen Begründungen für Widersprüche der Länder. Zwar bleiben die verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG bestehen, wonach ein Widerspruch sachlich gerechtfertigt sein muss und keine bloßen politischen Erwägungen herangezogen werden dürfen. Jedoch könnte das Fehlen einer verfahrensrechtlichen Verpflichtung zur Begründung von Widersprüchen dazu führen, dass diese nicht transparent und objektiv nachvollziehbar sind. Dies wäre problematisch, da die KEF-Vorschläge nach der Rechtsprechung des BVerfG als inhaltlich bindende Orientierung anzusehen sind.

3. Vermeidung politischer Einflussnahme

Das Modell verfolgt das Ziel, politische Blockaden zu reduzieren, indem es den Entscheidungsprozess bei geringfügigen Beitragsanpassungen flexibilisiert. Dies könnte den Vorgaben des BVerfG entsprechen, da die KEF weiterhin die Höhe der Anpassungen vorschlägt und nur bei substantiellen Erhöhungen eine Einstimmigkeit erforderlich bleibt.

Jedoch könnte insbesondere die Möglichkeit eines Einzelvetos bei Erhöhungen zwischen 3,5 und 5 % die Gefahr politischer Einflussnahme erhöhen, da es einzelnen Ländern erlaubt, gegen KEF-Vorschläge vorzugehen, ohne diese umfassend begründen zu müssen. Dies könnte die finanzielle Bestands- und Entwicklungsgarantie beeinträchtigen, die essenziell für die Rundfunkfreiheit ist.

4. Wahrung der KEF-Empfehlungen

Das Modell anerkennt die KEF weiterhin als zentrale Instanz für die Ermittlung des Finanzbedarfs. Es wird nicht ausdrücklich festgelegt, dass die Widersprüche auf Abweichungen von den sachlichen und rechtlichen Maßstäben der KEF beruhen müssen. In der Praxis könnte dies zu einer Relativierung der Bedeutung der KEF-Vorschläge führen, was dem Grundsatz der Bindung an die KEF widersprechen würde.

5. Langfristige Auswirkungen auf die Rundfunkfinanzierung

Die Flexibilität des Modells könnte kurzfristig die Akzeptanz des Rundfunkbeitrags stärken und politische Blockaden reduzieren. Langfristig besteht jedoch die Gefahr, dass die Widerspruchsregelungen insbesondere bei höheren Anpassungen die finanzielle Planungssicherheit der Rundfunkanstalten beeinträchtigen und die Bestands- und Entwicklungsgarantie untergraben.


Die Relevanz der Verfassungsbeschwerde bleibt bestehen

Die gegenwärtige Verfassungsbeschwerde von ARD und ZDF bleibt rechtlich relevant, auch wenn die Bundesländer ab 2027 ein neues Finanzierungsmodell einführen wollen. Der Kern der Beschwerde betrifft nicht die zukünftige Gestaltung der Rundfunkfinanzierung, sondern die aktuelle Unterlassung der Länder, die von der KEF vorgeschlagene Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent umzusetzen. Die Einführung eines Widerspruchsmodells ab 2027 hat keinen direkten Einfluss auf die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde, da diese sich auf die Nichtbefolgung der KEF-Empfehlung im Jahr 2025 bezieht.

1. Rundfunkfreiheit und KEF-Vorschläge

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass die Länder die Vorschläge der KEF nur in Ausnahmefällen ablehnen dürfen und dass solche Entscheidungen hinreichend begründet sein müssen​​. Die Unterlassung einer Beitragserhöhung, wie von der KEF empfohlen, könnte eine Verletzung der Rundfunkfreiheit darstellen, wenn sie den Funktionsauftrag der Rundfunkanstalten gefährdet. Die Beschwerde von ARD und ZDF greift genau diesen Punkt auf, da die Länder bisher keine Beitragserhöhung beschlossen haben und sich auf bestehende Rücklagen der Anstalten stützen.

2. Keine rückwirkende Heilung durch ein zukünftiges Modell

Ein zukünftiges Modell kann keine rückwirkende Rechtfertigung für eine möglicherweise verfassungswidrige Entscheidung im Jahr 2025 liefern. Das geplante Widerspruchsmodell ab 2027 würde erst in der Zukunft gelten und hat keinen Einfluss auf die Verpflichtung der Länder, den Rundfunkbeitrag im Rahmen der geltenden Rechtslage an die KEF-Vorschläge anzupassen.

3. Bestands- und Entwicklungsgarantie

Die Bestands- und Entwicklungsgarantie erfordert eine kontinuierliche und verlässliche Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Nichtumsetzung der KEF-Empfehlung könnte dazu führen, dass die Anstalten gezwungen sind, Rücklagen zur Deckung laufender Kosten zu verwenden, was langfristig die finanzielle Stabilität gefährden könnte. Die Verfassungsbeschwerde hat somit das Ziel, diese Garantie zu verteidigen.

4. Politische Motivation der Entscheidung

Die Entscheidung, die Beitragserhöhung nicht umzusetzen, könnte politisch motiviert sein, insbesondere angesichts der Debatte über die Belastung der Bevölkerung durch höhere Lebenshaltungskosten. Solche Erwägungen sind nach der Rechtsprechung des BVerfG unzulässig, wenn sie den von der KEF geprüften Finanzbedarf außer Acht lassen​.

5. Ziel der Verfassungsbeschwerde

ARD und ZDF möchten durch ihre Beschwerde die Verpflichtung der Länder durchsetzen, die KEF-Empfehlung umzusetzen oder eine sachliche Begründung für die Ablehnung vorzulegen. Diese Verpflichtung bleibt bestehen, unabhängig davon, ob ein neues Finanzierungsmodell ab 2027 geplant ist.


Relationen zur finanziellen Einordnung der Erhöhung des Rundfunkbeitrages um 58 Cent pro Monat.

Die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent pro Monat, was einer jährlichen Mehrbelastung von 6,96 Euro entspricht, ist im Vergleich zu anderen aktuellen finanziellen Entscheidungen der Bundesländer eine relativ geringe Belastung für die Bürger.

Grundsteuererhöhungen: Im Jahr 2023 haben zahlreiche Kommunen die Hebesätze der Grundsteuer B erhöht. Beispielsweise stieg der durchschnittliche Hebesatz in Nordrhein-Westfalen auf 594 %, was eine Erhöhung um 7 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Solche Anpassungen können für Eigentümer und Mieter zu erheblichen Mehrkosten führen.

Müllgebührenanpassungen: Die Gebühren für die Müllentsorgung variieren stark zwischen den Bundesländern. Ein Vier-Personen-Haushalt zahlte im Jahr 2023 durchschnittlich 180,21 Euro für die Müllentsorgung, was einem Anstieg von 3,7 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. In einigen Städten wurden die Müllgebühren deutlich erhöht, um gestiegene Kosten zu decken.

Wasser- und Abwassergebühren: Die Wasser- und Abwassergebühren sind in den letzten Jahren ebenfalls gestiegen. Zwischen 2022 und 2023 erhöhten sich die Wasser- und Schmutzwassergebühren durchschnittlich um jeweils rund 5 %, während die Grundgebühr um 9 % anstieg. Diese Steigerungen liegen nahe an der Inflationsrate, was zu einer spürbaren Mehrbelastung für die Haushalte führt.

Parkgebühren: Einige Städte haben die Parkgebühren erhöht, insbesondere für größere Fahrzeuge wie SUVs. Beispielsweise hat Frankfurt gestaffelte Gebühren eingeführt, die sich nach der Größe des Fahrzeugs richten, um den Umstieg auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel zu fördern.

Im Vergleich zu den genannten Steuer- und Gebührenanpassungen stellt die Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent pro Monat eine vergleichsweise geringe finanzielle Belastung für die Bürger dar. Während andere kommunale Gebühren und Abgaben teils deutlich gestiegen sind und zu spürbaren Mehrkosten führen, bleibt die Anpassung des Rundfunkbeitrags im unteren Bereich der zusätzlichen finanziellen Belastungen.

 

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