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Krankenhausvorbehalt bei Zwangsmaßnahmen

Arbeitsrecht – Erbrecht - Schulrecht

Krankenhausvorbehalt bei Zwangsmaßnahmen

Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass § 1906a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BGB (a.F.) sowie die wortgleiche Nachfolgeregelung § 1832 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BGB (n.F.) teilweise mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar sind. Der bisherige „Krankenhausvorbehalt“, wonach ärztliche Zwangsmaßnahmen nur im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts zulässig sind, ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, wenn dadurch erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit drohen und eine gleichwertige medizinische Versorgung am Unterbringungsort möglich wäre.

Die Neuregelung muss bis spätestens 31. Dezember 2026 erfolgen, das bisherige Recht gilt bis dahin fort. Wesentlich ist, dass der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und das Selbstbestimmungsrecht von Betreuten unverhältnismäßig ist, wenn der Krankenhausstandard auch in der Einrichtung des Betreuten erreicht werden kann. In Einzelfällen kann der Krankenhausaufenthalt zusätzliche Belastungen verursachen, wie bei Demenz oder durch erhöhte Infektionsrisiken.

Das Urteil wurde mit 5:3 Stimmen beschlossen, Richter Wolff äußerte eine abweichende Meinung. Er betonte, dass Art. 2 GG keinen Anspruch auf die Schaffung einer Rechtsgrundlage für ambulante Zwangsbehandlungen begründet, sondern nur vor unverhältnismäßigen Eingriffen schützen soll.

Bisherige Regelung:

Widerspricht eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff dem natürlichen Willen eines Betreuten (ärztliche Zwangsmaßnahme), kann ein Betreuer in die ärztliche Zwangsmaßnahme einwilligen. Die Einwilligung, die der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedarf, setzt nach der bisherigen Regelung unter anderem die Durchführung der ärztlichen Zwangsmaßnahme im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus voraus.

Neue Rechtslage nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts:

Dieser Krankenhausvorbehalt ist mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 GG unvereinbar, soweit Betreuten aufgrund der ausnahmslosen Vorgabe, ärztliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus durchzuführen, erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit drohen. Dies gilt nur, wenn zugleich zu erwarten ist, dass diese Beeinträchtigungen in der Einrichtung, in der die Betreuten untergebracht sind und in welcher der Krankenhausstandard im Hinblick auf die konkret erforderliche medizinische Versorgung einschließlich der Nachversorgung voraussichtlich nahezu erreicht wird, vermieden oder jedenfalls signifikant reduziert werden können, ohne dass andere Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit oder einer anderen grundrechtlich geschützten Position mit vergleichbarem Gewicht drohen.

Urteil vom 26. November 2024 – 1 BvL 1/24

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