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Erbrecht

Millionenerbe geplatzt – Anwältlicher Signaturfehler lässt Berufung scheitern

OLG Köln, Urteil vom 12.06.2025 – 24 U 92/24

Sachverhalt:

Drei Geschwister streiten als Miterben um das Erbe ihres 2016 verstorbenen Vaters. Die Beklagte hatte 2021 in einem gerichtlichen Vergleich ihr Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft gegen umfangreiche Gegenleistungen erklärt. Nachdem sie im ersten Rechtszug nicht erschienen war, wurde sie per Versäumnisurteil zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung verurteilt. Dagegen legte sie Berufung ein und stellte zahlreiche weitreichende Widerklageanträge, insbesondere zu Auskunfts- und Zahlungsansprüchen im Zusammenhang mit dem Nachlass. Das Oberlandesgericht Köln verwarf jedoch die Berufung als unzulässig.


Entscheidung:

Das OLG stellte fest, dass die Berufung weder ordnungsgemäß eingelegt noch begründet worden war, da beide Schriftsätze nicht persönlich vom Prozessbevollmächtigten qualifiziert elektronisch signiert wurden. Stattdessen hatte die Sekretärin des Anwalts die Signaturkarte und PIN verwendet – ein Vorgehen, das gegen § 130a ZPO verstößt. Zwar hatte der Anwalt die Schriftsätze zuvor auf Papier unterschrieben, jedoch nicht sichergestellt, dass das versandte elektronische Dokument damit identisch ist. Die Verantwortung für die inhaltliche Übereinstimmung wurde faktisch auf das Kanzleipersonal übertragen, was unzulässig ist. Da damit die formellen Voraussetzungen für Berufung und Begründung nicht erfüllt waren, blieb der Zugang zur zweiten Instanz versperrt.

 

Arbeitsrecht

Mitbestimmung im Konzern? Kammergericht verweigert Zurechnung von Arbeitnehmern aus Gemeinschaftsbetrieb

KG Berlin, Beschluss vom 17.06.2025 – 14 W 2/25

Sachverhalt:
Im Zentrum des Verfahrens stand die Frage, ob bei der Antragsgegnerin – einer ehemaligen Aktiengesellschaft und nun SE im Bankensektor – ein Aufsichtsrat nach den Vorschriften des Drittelbeteiligungsgesetzes zu bilden ist. Die Betriebsräte mehrerer Konzerngesellschaften forderten dies unter Hinweis auf die Gesamtanzahl der konzernweit Beschäftigten, die bei Einbeziehung der Tochter- und Enkelgesellschaften den Schwellenwert von 500 Arbeitnehmern überschreiten würde. Die Antragsteller verwiesen auf einen faktischen Konzern und einen angeblichen Gemeinschaftsbetrieb mit einheitlicher Leitung durch die Antragsgegnerin. Das Landgericht hatte die Zurechnung dieser Arbeitnehmer abgelehnt und den Antrag zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung legten die Betriebsräte Beschwerde zum Kammergericht ein.

 

Entscheidung:
Das Kammergericht bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und verneinte eine Zurechnung der Arbeitnehmer von Axx GmbH und Axx Cxx GmbH zur Antragsgegnerin. Eine Auslegung von § 2 Abs. 2 DrittelbG ergebe, dass nur bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags oder einer Eingliederung eine Zurechnung rechtlich möglich sei – beides fehle im vorliegenden Fall. Auch ein Gemeinschaftsbetrieb führe nicht zu einer arbeitsrechtlichen Mitbestimmung im Aufsichtsrat, da hierfür die arbeitsvertragliche Bindung zum herrschenden Unternehmen entscheidend sei. Der Wortlaut, die Systematik und die Entstehungsgeschichte des Drittelbeteiligungsgesetzes sprächen gegen eine erweiternde oder analoge Anwendung. Die Frage der Zurechnung bei Gemeinschaftsbetrieben hat grundsätzliche Bedeutung – die Rechtsbeschwerde hierzu wurde daher zugelassen.

Beamtenrecht

Demenzverdacht reicht nicht – Gericht stoppt vorzeitigen Ruhestand für Polizeibeamten

VG Göttingen, Beschluss vom 12.06.2025 – 3 B 119/25

Sachverhalt:

Ein niedersächsischer Polizeibeamter wollte seinen Ruhestand um ein Jahr hinausschieben, was ihm zunächst auch gewährt wurde. Später nahm die Behörde diese Verlängerung zurück, weil Vorgesetzte angaben, der Beamte zeige kognitive und gesundheitliche Einschränkungen, die auf eine beginnende Demenz hindeuten könnten. Die Verwaltung berief sich dabei unter anderem auf unzureichende Munitionsverwaltung und verminderte Merkfähigkeit. Eine amtsärztliche Untersuchung wurde jedoch nicht veranlasst. Gegen den Rücknahmebescheid erhob der Beamte Klage und beantragte einstweiligen Rechtsschutz.

Entscheidung:

Das Verwaltungsgericht Göttingen stellte klar, dass die Rücknahmeentscheidung nicht auf § 48 VwVfG gestützt werden darf, sondern ausschließlich nach § 12 BeamtStG zulässig wäre – dieser greift hier jedoch nicht. Die Behörde hätte außerdem zwingend ein amtsärztliches Gutachten zur Dienstfähigkeit einholen müssen, bevor sie sich auf gesundheitliche Einschränkungen berufen durfte. Die bloßen Vermutungen der Vorgesetzten genügen hierfür nicht. Das Gericht erkannte zudem kein überwiegendes öffentliches Interesse an einer sofortigen Beendigung der Dienstzeit, da der Beamte zuletzt eine innendienstliche, zufriedenstellend ausgeübte Tätigkeit verrichtete. Die aufschiebende Wirkung der Klage wurde daher wiederhergestellt.

Schulrecht

Verfahrensfehler bei Hochschulwahl: Gericht stoppt Präsidentenbesetzung in Kiel

VG Schleswig – Beschluss vom 12.06.2025 – 12 B 80/24

Sachverhalt:
Ein Bewerber auf das Amt des Präsidenten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel wandte sich im Eilverfahren gegen die geplante Ernennung einer Mitbewerberin. Er rügte u. a., dass das Auswahlverfahren fehlerhaft durchgeführt und sein Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt worden sei. Das Gericht untersagte der Universität daraufhin, die Stelle vor einer erneuten Auswahlentscheidung zu besetzen. Die Entscheidung der Findungskommission war nur auf eine Kandidatin beschränkt, obwohl das Hochschulgesetz regelmäßig einen Wahlvorschlag mit zwei wählbaren Personen verlangt. Zudem fehlte eine ordnungsgemäße Dokumentation der Auswahlgründe.

 

Entscheidung:
Das Verwaltungsgericht bemängelte, dass der Wahlvorschlag zum Zeitpunkt der Vorlage an den Senat nur noch eine wählbare Person enthielt, ohne dass dies hinreichend begründet wurde. Die gesetzlich vorgesehene Wahlmöglichkeit zwischen mindestens zwei geeigneten Kandidaten wurde dadurch unterlaufen. Weiterhin fehlte es an einer ausreichenden Dokumentation der Auswahlerwägungen, was effektiven Rechtsschutz unmöglich machte. Weder Fragen und Antworten aus den Auswahlgesprächen noch deren Bewertungen wurden festgehalten. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsteller bei ordnungsgemäßem Verfahren zum Zuge gekommen wäre, wurde die Präsidentenwahl gestoppt.

News diese Woche:

Hoffnung nach Jahrzehnten: Bundesverwaltungsgericht stärkt Rechte der Contergan-Opfer

Ein 63-jähriger Contergan-Geschädigter erhält nach 14 Jahren Rechtsstreit eine neue Chance auf Anerkennung: Das Bundesverwaltungsgericht ordnete eine erneute Prüfung seines Falls an. Die Stiftung hatte zuvor eigenmächtig durch den Vorsitzenden der medizinischen Kommission entschieden – entgegen dem gesetzlich vorgeschriebenen kollegialen Verfahren. Künftig muss die gesamte 22-köpfige Kommission über solche Anträge befinden. Zwar bleibt der Beweismaßstab streng, wonach die Contergan-Einnahme die wahrscheinlichste Ursache der Fehlbildungen sein muss, doch viele ruhende Verfahren werden nun neu aufgerollt. Die Entscheidung gilt als Signal für mehr Transparenz und Fairness im Umgang mit den Betroffenen eines der größten Arzneimittelskandale Deutschlands.

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