Pensionsfonds des Landes SH verliert Millionen

KN-online: Land Schleswig-Holstein verspekuliert sich beim Pensionsfonds
Finanzpolitik in Schleswig-Holstein: Zwischen Notlage und Zukunftsrisiken
Schleswig-Holstein steht 2025 vor erheblichen finanziellen Herausforderungen. Mit einem Haushaltsdefizit von rund 1,2 Milliarden Euro plant die Landesregierung eine Nettoneuverschuldung von 908 Millionen Euro sowie einen Notkredit in Höhe von 272 Millionen Euro. Diese Maßnahmen sollen die Finanzierungslücke schließen, die durch Einnahmen von 16,76 Milliarden Euro und Ausgaben von 17,91 Milliarden Euro entsteht.
Ein zentraler Kritikpunkt ist die Ausrufung einer wirtschaftlichen Notlage, die es ermöglicht, die verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse zu umgehen. Das Landesverfassungsgericht hat jedoch bereits die Notkreditaufnahme für das Jahr 2024 als verfassungswidrig eingestuft, da die Voraussetzungen für eine solche Notlage nicht ausreichend dargelegt wurden. Dies wirft Fragen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der aktuellen Haushaltsplanung auf.
Besonders umstritten ist die Entscheidung, den Pensionsfonds des Landes nicht weiter aufzustocken und stattdessen Mittel daraus zur Haushaltskonsolidierung zu verwenden. Der Fonds, der ursprünglich eingerichtet wurde, um die steigenden Versorgungsausgaben für Beamte abzufedern, verzeichnete bereits Verluste von über 20 Millionen Euro aufgrund internationaler wirtschaftspolitischer Entwicklungen. Die geplante Entnahme von bis zu 504 Millionen Euro bis 2026 gefährdet die langfristige Sicherung der Beamtenpensionen und wird von Gewerkschaften und Beamtenverbänden scharf kritisiert.
Die Landesregierung betont, dass die Versorgungsempfänger durch diese Maßnahmen keine unmittelbaren Nachteile erfahren werden. Jedoch bleibt unklar, wie zukünftige Versorgungsausgaben ohne die ursprünglich vorgesehenen Rücklagen finanziert werden sollen.
Einordnung der Finanzpolitik in Schleswig-Holstein
Die aktuelle Finanzpolitik Schleswig-Holsteins zeigt eine kurzfristige Ausrichtung, die langfristige Risiken in Kauf nimmt. Die Ausrufung einer wirtschaftlichen Notlage ohne klare rechtliche Grundlage, die Nutzung von Rücklagen zur Deckung aktueller Haushaltslöcher und die Vernachlässigung der langfristigen Sicherung der Beamtenversorgung sind Maßnahmen, die die finanzielle Stabilität des Landes gefährden könnten. Eine nachhaltige Finanzpolitik sollte darauf abzielen, strukturelle Defizite zu beheben und zukünftige Verpflichtungen zu sichern, anstatt kurzfristige Lösungen zu bevorzugen, die langfristige Probleme verschärfen.
Es bleibt abzuwarten, wie die Landesregierung auf die Kritik reagieren und welche Maßnahmen sie ergreifen wird, um die finanzielle Stabilität Schleswig-Holsteins langfristig zu gewährleisten.
📌 Übersicht: Finanzpolitische Fehlentscheidungen in Schleswig-Holstein
2003–2018: HSH Nordbank – Milliardenverluste durch Risikogeschäfte
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Verantwortliche Finanzminister:
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Ralf Stegner (SPD): 2003–2005
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Rainer Wiegard (CDU): 2005–2012
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Monika Heinold (Grüne): 2012–2025
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Fehlentscheidungen:
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Aggressive Expansion in die Schiffsfinanzierung ohne ausreichende Risikokontrolle.
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2009: Rettungspaket von 13 Milliarden Euro durch Hamburg und Schleswig-Holstein.
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2016: Gründung der HSH Portfoliomanagement (Bad Bank) zur Abwicklung fauler Kredite.
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2018: Verkauf der Bank an US-Investoren für rund 1 Milliarde Euro.
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Folgen:
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Gesamtbelastung für die Länder von bis zu 9,2 Milliarden Euro.
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Langfristige Haushaltsbelastungen durch Pensionsverpflichtungen und Altlasten.
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2018: Einrichtung des Versorgungsfonds
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Finanzministerin: Monika Heinold (Grüne)
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Fehlentscheidung:
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Gründung des Versorgungsfonds zur langfristigen Finanzierung von Beamtenpensionen ohne klare Strategie zur nachhaltigen Mittelverwendung.
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Folgen:
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Trotz anfänglicher Zuführungen von jährlich rund 80 Millionen Euro wurde der Fonds später zur Haushaltskonsolidierung verwendet, was die langfristige Sicherung der Beamtenversorgung gefährdet.
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2023–2024: Ausrufung einer Haushaltsnotlage
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Finanzministerin: Monika Heinold (Grüne)
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Fehlentscheidung:
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Feststellung einer außergewöhnlichen Notsituation für die Haushaltsjahre 2023 und 2024, um die Schuldenbremse zu umgehen, ohne ausreichenden Nachweis einer erheblichen Haushaltsbelastung.
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Folgen:
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Das Landesverfassungsgericht erklärte die Notkreditaufnahme für 2024 für verfassungswidrig.
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2024–2025: Entnahme aus dem Versorgungsfonds
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Finanzministerin: Monika Heinold (Grüne)
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Fehlentscheidung:
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Geplante Entnahme von bis zu 504 Millionen Euro aus dem Versorgungsfonds zur Haushaltskonsolidierung.
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Folgen:
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Gefährdung der langfristigen Sicherung der Beamtenversorgung und Kritik von Gewerkschaften.
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2025: Haushaltsplanung mit hoher Neuverschuldung
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Finanzministerin: Monika Heinold (Grüne)
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Fehlentscheidung:
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Geplanter Haushalt für 2025 mit einer Nettoneuverschuldung von 908 Millionen Euro und einem Notkredit von 272 Millionen Euro, trotz steigender Einnahmen.
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Folgen:
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Langfristige finanzielle Risiken und mögliche weitere verfassungsrechtliche Probleme.
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2022–2025: Förderung der Batteriefabrik Northvolt
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Finanzministerin: Monika Heinold (Grüne)
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Fehlentscheidung:
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Förderung der Ansiedlung einer Batteriefabrik des schwedischen Unternehmens Northvolt bei Heide mit erheblichen Landesmitteln, trotz bekannter finanzieller Risiken des Unternehmens.
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Folgen:
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Nach der Insolvenz von Northvolt ist die Zukunft des Projekts ungewiss, und es drohen hohe Verluste für das Land.
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Die Finanzpolitik Schleswig-Holsteins in den letzten zwei Jahrzehnten ist geprägt von kurzfristigen Entscheidungen mit langfristigen negativen Auswirkungen. Die wiederholte Umgehung der Schuldenbremse, die Nutzung von Rücklagen zur Deckung aktueller Haushaltslöcher und die Vernachlässigung der langfristigen Sicherung der Beamtenversorgung gefährden die finanzielle Stabilität des Landes. Eine nachhaltige Finanzpolitik erfordert transparente Planung, rechtssichere Maßnahmen und die Wahrung von Rücklagen zur Sicherung zukünftiger Verpflichtungen.
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Nachhaltige Finanzpolitik in einem Bundesland bedeutet, dass Einnahmen und Ausgaben so geplant und gesteuert werden, dass sie auch langfristig tragfähig sind – ohne zukünftige Generationen übermäßig zu belasten oder haushaltswirtschaftliche Handlungsspielräume einzuschränken.
🧾 Kernelemente nachhaltiger Finanzpolitik:
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Einhalten der Schuldenbremse: Keine strukturelle Neuverschuldung außerhalb von Notlagen, die verfassungsrechtlich eng definiert sind (Art. 109 GG).
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Langfristige Vorsorge: Bildung von Rücklagen für bekannte künftige Verpflichtungen (z. B. Beamtenpensionen, Infrastrukturunterhalt).
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Vollständige Vermögens- und Schuldenübersicht: Um Entscheidungen über Investitionen, Verschuldung und Vermögensverzehr fundiert treffen zu können.
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Generationenbilanzierung: Sicherstellen, dass heutige Leistungen nicht auf Kosten künftiger Generationen gehen.
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Ergebnisorientierung statt reiner Inputkontrolle: Fokus auf Wirkungen staatlicher Ausgaben, nicht nur auf Mittelverwendung.
📊 Warum sollte ein Landeshaushalt eine Bilanz sein?
Der traditionelle kameralistische Haushalt (rein zahlungsbasiert) bildet nur Einzahlungen und Auszahlungen ab – nicht aber:
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Werteverzehr (z. B. Infrastrukturverschleiß),
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zukünftige Verpflichtungen (z. B. Pensionslasten),
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Vermögensaufbau (z. B. Unternehmensbeteiligungen).
Doppische Haushaltsführung (wie in der Privatwirtschaft üblich) zeigt dagegen:
Kameralistik | Doppik (Bilanzierung) |
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Fokus auf Zahlungsmittel | Fokus auf Ressourcenverbrauch |
Keine Bilanz | Vollständige Vermögensübersicht |
Keine Rückstellungen | Bildung von Rückstellungen (z. B. Pensionen) |
Keine Abschreibungen | Erfassung von Wertverlusten (z. B. Gebäude) |
Vorteil: Nur durch Bilanzierung wird sichtbar, ob ein Land Vermögen aufzehrt, Verpflichtungen anhäuft oder Substanz aufbaut. Es ermöglicht realistischere Schuldenstandsanalysen und verbessert die intergenerationelle Gerechtigkeit.
🏛️ Bundesländer mit doppischer Haushaltsführung (Bilanzierung)
Mehrere Bundesländer haben die sogenannte doppische Haushaltsführung (teilweise im Rahmen der „Neuen Steuerung“) eingeführt oder pilotiert:
Bundesland | Doppik-Status | Bemerkung |
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Hessen | Vollständig seit 2009 | Vorreiter im Doppik-Modell |
Nordrhein-Westfalen | Doppik seit 2009 | Kommunen verpflichtend, Land bilanziert |
Baden-Württemberg | Einführung seit 2020 | Kommunen und Land, große Reform |
Bremen | Vollständig | Umfassende Bilanzierung |
Hamburg | Seit 2006 (Haushaltsmodernisierung) | Bekanntes Haushaltssteuerungssystem |
Sachsen-Anhalt | Doppik eingeführt | Seit 2012 Doppelhaushalte doppisch |
Berlin | Mischsystem, erweiterte Kameralistik | Tendenz zur Doppik, aber kein vollständiger Übergang |
Schleswig-Holstein | Keine doppische Bilanzierung auf Landesebene | Kommunen teilweise doppisch |
⚖️ Fazit:
Ein Haushaltsplan, der nicht bilanziert, blendet systematisch langfristige Risiken und die reale Vermögenslage aus. Besonders bei einem strukturell verschuldeten Land wie Schleswig-Holstein, das mit langfristigen Belastungen (HSH-Nordbank, Pensionsfonds-Entnahme) operiert, ist die Einführung einer vollständigen doppischen Haushaltsführung überfällig. Nur sie schafft die nötige Transparenz für eine wirklich nachhaltige Finanzpolitik.