Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

Themenübersicht
Erbrecht
Inventar schon eingereicht? Kein Anspruch auf Fristsetzung für Nachlassgläubiger
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25.06.2025 – 5 W 33/25
Sachverhalt:
Ein Nachlassgläubiger beantragte beim Nachlassgericht, dem Erben eine Frist zur Errichtung eines Inventars zu setzen, um seine Pflichtteilsforderung abzusichern. Der Erbe widersprach dem Antrag und legte ein bereits notariell erstelltes Nachlassverzeichnis vor, das er als Inventar im Sinne der §§ 2002, 2003 BGB gelten ließ. Dieses Verzeichnis war bereits im Jahr 2022 durch einen Notar im Auftrag des Erben erstellt und nun förmlich eingereicht worden. Das Amtsgericht wies den Antrag mit der Begründung zurück, es fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da bereits ein ordnungsgemäßes Inventar vorliege. Gegen diese Entscheidung legte der Gläubiger Beschwerde beim Oberlandesgericht ein.
Entscheidung:
Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde zurück, da ein Inventar im Sinne des § 1993 BGB bereits durch den Erben – vertreten durch seinen Anwalt – ordnungsgemäß errichtet und eingereicht wurde. Eine Fristsetzung nach § 1994 BGB ist nur zulässig, wenn kein den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes Inventar vorliegt. Das vorgelegte notarielle Verzeichnis erfüllte die Voraussetzungen an Vollständigkeit und Form, auch wenn einzelne Wertangaben fehlten. Die Bezugnahme auf § 2004 BGB ist in diesem Fall nicht einschlägig, da diese Vorschrift nur gilt, wenn kein Inventar durch den Erben selbst errichtet wurde. Das Gericht sah daher keinen Raum für eine gerichtliche Fristsetzung und legte dem Nachlassgläubiger die Kosten des Verfahrens auf.
Arbeitsrecht
Impfpflicht durch Arbeitgeber zulässig? – EuGH lässt nationale Spielräume offen
EuGH, Urteil vom 12.06.2025 – C 219/24
Sachverhalt:
Mehrere Rettungssanitäter aus Tallinn wurden entlassen, weil sie sich nicht gegen das SARS-CoV-2-Virus impfen ließen – trotz Aufforderung ihres Arbeitgebers und einer entsprechenden Gefährdungsbeurteilung. Die Stadt Tallinn hatte auf Grundlage nationalen Rechts eine Impfpflicht für Mitarbeitende im Rettungsdienst eingeführt und Verstöße mit Kündigung sanktioniert. Die Betroffenen klagten gegen die Kündigungen, da sie eine gesetzliche Grundlage für eine einseitige Impfpflicht vermissten. Die estnischen Gerichte gaben den Klägern zunächst Recht, bevor das Oberste Gericht Estlands dem EuGH die Frage vorlegte, ob eine solche Impfpflicht mit EU-Recht vereinbar ist. Kern der Vorlage war die Auslegung der Arbeitsschutzrichtlinien 89/391/EWG und 2000/54/EG sowie der EU-Grundrechtecharta.
Entscheidung:
Der EuGH entschied, dass die einschlägigen EU-Richtlinien lediglich Mindestvorgaben für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz enthalten und Arbeitgeber verpflichten, Schutzmaßnahmen wie Impfangebote bereitzustellen. Eine Impfpflicht sei in den Richtlinien jedoch nicht geregelt, sondern den Mitgliedstaaten im Rahmen ihres nationalen Rechts vorbehalten. Die EU-Grundrechtecharta sei auf diesen Fall nicht anwendbar, da keine „Durchführung von Unionsrecht“ vorliege. Nationale Vorschriften, die über die EU-Mindeststandards hinausgehen, seien zulässig, sofern sie deren Schutzniveau nicht unterlaufen. Damit bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, ob und unter welchen Bedingungen eine Impfpflicht am Arbeitsplatz zulässig ist.
Beamtenrecht
Corona-Impfung als Dienstunfall: Gericht stärkt Beamtenrechte bei Impfschäden
VG München, Urteil vom 2.06.2025 – M 5 K 22.855
Sachverhalt:
Ein Polizeibeamter erlitt nach einer Corona-Erstimpfung mit AstraZeneca während seiner Dienstzeit eine schwere Hirnvenenthrombose und begehrte die Anerkennung als Dienstunfall. Die Impfung war ihm zuvor durch seinen Dienstherrn im Rahmen eines offiziellen Impfangebots in Dienstgebäuden und mit polizeieigenem medizinischen Personal ermöglicht worden. Der Dienstherr hatte die Anerkennung abgelehnt mit der Begründung, es habe sich um eine private Entscheidung im Rahmen der nationalen Impfstrategie gehandelt. Der Beamte erhob daraufhin Klage vor dem Verwaltungsgericht. Er machte geltend, dass die Impfung eine dienstliche Veranstaltung gewesen sei, da sie organisatorisch und inhaltlich von der Polizei getragen und gefördert wurde.
Entscheidung:
Das Gericht gab der Klage statt und qualifizierte die Impfung als „dienstliche Veranstaltung“ im Sinne des Beamtenversorgungsrechts. Ausschlaggebend war, dass die Impfung in Räumen des Dienstherrn durch dessen Personal, während der Dienstzeit und mit dienstlicher Freistellung durchgeführt wurde. Auch hatte der Dienstherr durch Rundschreiben aktiv für die Impfung geworben und sie organisatorisch gesteuert. Das Gericht erkannte ein dienstliches Interesse an der Impfung an, da sie dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Polizei diente – ähnlich wie bei Grippeschutzimpfungen. Da der medizinische Zusammenhang zwischen Impfung und Gesundheitsschaden ebenfalls belegt war, wurde das Ereignis als Dienstunfall anerkannt.
Schulrecht
Kein Schlussstrich unter Plagiatsverdacht: Uni darf Vorermittlungen wieder aufnehmen
OVG Bautzen, Beschluss vom 13.06.2025 – 2 A 550/24
Sachverhalt:
Ein ehemaliger Wissenschaftler der Universität Leipzig klagte gegen die Wiederaufnahme eines Verfahrens wegen des Verdachts wissenschaftlichen Fehlverhaltens im Zusammenhang mit seiner Studie zur Personensuche mit Spürhunden. Zuvor war ein erstes Vorprüfungsverfahren durch die Universität 2020 mangels hinreichenden Verdachts eingestellt worden. Aufgrund späterer Hinweise eines Fachjournals, das methodische Zweifel an der Publikation des Klägers äußerte, leitete die Universität das Verfahren erneut ein. Der Kläger sah darin einen unzulässigen Eingriff in seine Rechte und begehrte die Aufhebung der erneuten Prüfung. Seine Klage wurde abgewiesen, ebenso sein Antrag auf Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht.
Entscheidung:
Das Gericht stellte klar, dass die ursprüngliche Einstellungsmitteilung kein Verwaltungsakt mit verbindlicher Außenwirkung war, sondern lediglich eine formlose Information über den Verfahrensstand. Eine verbindliche Rechtsfolge sei daraus nicht abzuleiten, sodass eine Wiederaufnahme des Vorverfahrens bei neuen Hinweisen zulässig bleibe. Die Universität sei nach ihrer Satzung verpflichtet, jedem konkreten Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten nachzugehen – auch nach Ausscheiden eines Betroffenen. Die neuen Hinweise des Fachjournals genügten als Anlass für eine erneute Prüfung. Ein Eingriff in die Forschungsfreiheit sei nicht ersichtlich, da es sich um eine interne Prüfung auf Basis neuer Verdachtsmomente handele.
News diese Woche:
Richter weisen Klage gegen US-Drohneneinsätze ab
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen US-Drohneneinsätze, die über den US-Stützpunkt Ramstein in Deutschland abgewickelt werden, abgewiesen. Zwei jemenitische Kläger hatten geltend gemacht, dass Deutschland durch die Duldung dieser Einsätze seine Grundrechte verletze, da Verwandte bei einem Drohnenangriff 2012 getötet wurden. Das Gericht stellte klar, dass Deutschland grundsätzlich Schutzpflichten für Menschen im Ausland übernehmen kann – allerdings nur bei einem hinreichenden Bezug zur deutschen Staatsgewalt und einer ernsthaften Gefahr völkerrechtswidriger Praxis. Im vorliegenden Fall sah das Gericht diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Damit bleibt Deutschland nach Auffassung der Richter nicht verpflichtet, gegenüber den USA Maßnahmen zur Einhaltung des Völkerrechts zu ergreifen.