RKI und die Pandemie der Ungeimpften

Die Veröffentlichung der ungeschwärzten Sitzungsprotokolle des Robert-Koch-Instituts (RKI) hat großes Aufsehen erregt. Diese Protokolle stammen aus der Anfangszeit der Corona-Pandemie und wurden ursprünglich von der Zeitschrift „Multipolar“ erfolgreich eingeklagt. Das RKI hatte zunächst nicht freiwillig vor, diese Protokolle zu veröffentlichen, und bestand darauf, diverse Passagen unkenntlich zu machen, um personenbezogene Daten, geistiges Eigentum und Geschäftsgeheimnisse zu schützen. Trotz dieser Maßnahmen wurde die vollständige Transparenz des RKI in Frage gestellt.
Im Juli 2023 veröffentlichte eine Gruppe um die Journalistin und Aktivistin Aya Velázquez die Protokolle aus den Jahren 2020 bis 2023 komplett ungeschwärzt. Diese Aktion wurde begleitet von Stefan Homburg, der die Politik während der Pandemie stark kritisiert hatte. Diese vollständigen Protokolle bieten detaillierte Einblicke in die Arbeitsweise des RKI, zeigen die Teilnehmerzahlen und die Häufigkeit der Krisenstabssitzungen und verdeutlichen die Interaktionen zwischen dem RKI und der Politik.
Die Protokolle offenbaren, dass der erste Lockdown im Frühjahr 2020 eine politische Grundsatzentscheidung war und nicht vom RKI ausführlich vorbereitet wurde. Der Begriff „Lockdown“ taucht in den Protokollen erst nach Beginn des öffentlichen Lebensstillstands auf, und das RKI analysierte später die Wirkung des Lockdowns auf das Infektionsgeschehen. Das RKI betonte, dass die veröffentlichten Dokumente weder geprüft noch verifiziert wurden, und wies darauf hin, dass es keine Hinweise auf Fälschungen gibt. Die Entscheidung, was veröffentlicht wird, lag oft beim Bundesgesundheitsministerium.
Die Protokolle zeigen auch, dass das RKI häufig zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und politischen Entscheidungen abwägen musste. Ein Beispiel ist die Verwendung des Begriffs „Pandemie der Ungeimpften“, der wissenschaftlich umstritten war, aber aus politischen Gründen verwendet wurde, um die Impfkampagne zu unterstützen. Dies zeigt die Spannungen zwischen den fachlichen Empfehlungen des RKI und den politischen Botschaften.
Insgesamt verdeutlichen die Protokolle die komplexen Entscheidungsprozesse während der Pandemie und die Schwierigkeiten, wissenschaftliche Erkenntnisse und politische Entscheidungen in Einklang zu bringen. Es gibt Hinweise darauf, dass sensible Informationen nicht immer sofort an die Öffentlichkeit weitergegeben wurden, um ein einheitliches Kommunikationsbild zu wahren.
Kritische Perspektiven
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Missbrauch des Begriffs: Kritiker argumentieren, dass der Begriff dazu missbraucht wurde, um weitreichende Eingriffe in die Grundrechte zu rechtfertigen. Diese Maßnahmen umfassten Bewegungs- und Versammlungsfreiheit sowie die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, die für Ungeimpfte stark eingeschränkt wurden. Die Verwendung eines solchen Begriffs kann als Versuch gesehen werden, die Zustimmung der Bevölkerung für diese Maßnahmen zu gewinnen, indem ein stark negatives Bild von Ungeimpften gezeichnet wird (Mimikama).
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Wissenschaftliche Ungenauigkeit: Experten wie Christian Drosten wiesen darauf hin, dass die Formulierung wissenschaftlich ungenau ist, da auch Geimpfte das Virus übertragen können, wenn auch in geringerem Maße. Die übermäßige Vereinfachung der komplexen epidemiologischen Situation könnte als irreführend betrachtet werden und diente möglicherweise mehr politischen als wissenschaftlichen Zielen (www.t-online.de) (Mimikama).
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Rechtliche und ethische Bedenken: Es wurde auch diskutiert, ob die mit dem Begriff begründeten Maßnahmen verhältnismäßig und rechtlich gerechtfertigt sind. Einige Juristen und Ethiker argumentieren, dass die spezifische Benachteiligung von Ungeimpften eine Diskriminierung darstellen könnte und die Maßnahmen nicht immer im Einklang mit den Grundrechten stehen (www.t-online.de) (Mimikama).
Die Verwendung des Begriffs „Pandemie der Ungeimpften“ war ein Instrument der politischen Kommunikation, das sowohl unterstützende als auch kritische Reaktionen hervorrief. Während es den Zweck erfüllte, die Impfbereitschaft zu erhöhen und bestimmte Maßnahmen zu rechtfertigen, wurde es auch als ein Mittel betrachtet, das zu einer Polarisierung der Gesellschaft und möglichen Missbrauch führte, um tiefgreifende Eingriffe in Grundrechte zu rechtfertigen.
Das Bundesinnenministerium hatte ein 17-seitiges Strategiepapier mit dem Titel „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“ verfasst und nach dem 18. März 2020 an Ministerien sowie das Bundeskanzleramt verteilt. In der Studie fordern die Autoren, zu denen offenbar Wissenschaftler gehören, unter anderem eine massive Ausweitung von Tests.
Dieses Papier muß im Zusammenhang mit den jetzt voriegenden Protokollen des RKI gesehen werden, wenn es dominante politische Handhabung der Corona-Pandemie geht im Gegensatz zu den Empfehlungen und Erkenntnissen des RKI.
Strategiepapier des BMI 2020
Zitate aus dem Papier:
Die meisten Virologen, Epidemiologien, Mediziner, Wirtschafts-und Politikwissenschaftler beantworten die Frage «was passiert, wenn nichts getan wird» mit einem Worst-Case-Szenario von über einer Million Toten im Jahre 2020 – für Deutschland allein. Ein Expertenteam von RKI, RWI, IW, SWP, Universität Bonn/University of Nottingham Ningbo China, Universität Lausanne und Universität Kassel bestätigt diese Zahlen mit einem für Deutschland entwickelten Gesamtmodell.
Die Autoren des Strategiepapiers fordern, dass Behörden eine „Schockwirkung“ erzielen müssten, um Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die menschliche Gesellschaft zu verdeutlichen. Es solle klar gemacht werden, dass bei einer Infizierung mit dem COVID-19-Virus eine Todesart das „qualvolle“ Ersticken sein könne. Zudem seien auch Kinder Opfer des Virus und auch bleibende Folgeschäden bei einer Erkrankung seien nicht ausgeschlossen. Unter Bezug auf vorige Krisen solle zudem „historisch argumentiert“ werden. „2019 = 1919 + 1929“, heißt es in dem Papier. Im schlimmsten Fall drohe, „dass dies die Gemeinschaft in einen völlig anderen Grundzustand bis hin zur Anarchie verändert“.
Um die verschiedenen Szenarien eines Krisenverlaufs darzustellen, nehmen die Autor:innen offenbar Bezug auf den vielzitierten Artikel „Hammer and Dance“ des Managers Tomas Pueyo. Er schlägt unter anderem eine massive Senkung von sozialen Kontakten vor – eine Maßnahme, die nur Wochen dauere.
Quelle: https://www.abgeordnetenwatch.de/recherchen/informationsfreiheit/das-interne-strategiepapier-des-innenministeriums-zur-corona-pandemie