Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

Themenübersicht
Erbrecht
Zur sog. lenkenden Ausschlagung beim Erben
BGH, Beschluss vom 04.09.2024 – IV ZB 37/23
Sachverhalt:
Der Witwer und die beiden gemeinsamen Kinder der verstorbenen Erblasserin schlugen das ihnen aufgrund eines Erbvertrags zugefallene Erbe aus und nahmen die Erbschaft im Wege der gesetzlichen Erbfolge an, um eine hohe Erbschaftssteuerbelastung zu vermeiden. Hintergrund war, dass ein ungeborenes Enkelkind als Ersatzerbe ebenfalls von der Erbschaft betroffen war. Das Nachlassgericht und das Oberlandesgericht verweigerten die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, da die Ausschlagungserklärung für das ungeborene Kind nicht familiengerichtlich genehmigt worden war. Gegen diese Entscheidung legte der Witwer Rechtsbeschwerde ein. Das Ziel war die Anerkennung der gesetzlichen Erbfolge.
Entscheidung:
Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf. Er entschied, dass die Ausschlagung der Erbschaft für das ungeborene Kind ohne familiengerichtliche Genehmigung wirksam war. Eine teleologische Reduktion des Genehmigungserfordernisses sei hier nicht zulässig, da die gesetzliche Ausnahme bei Erbfällen wie diesem bewusst getroffen wurde. Zudem verfolgte die Ausschlagung den Zweck, die Vermögensweitergabe innerhalb der Familie zu sichern und Steuerbelastungen zu minimieren. Das Nachlassgericht wurde angewiesen, dem Witwer das beantragte Nachlasszeugnis zu erteilen.
Arbeitsrecht
Klage auf Inflationsausgleichsprämie
LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.07.2024 – 7 Sa 1186/23
Sachverhalt:
Der Kläger, ein langjähriger Mitarbeiter einer GmbH, die für das deutsche Autobahnnetz zuständig ist, klagte auf die Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie. Aufgrund seines Altersteilzeitvertrags befand er sich am Stichtag der Prämienzahlung in der Freistellungsphase und war von der Prämie ausgenommen. Er argumentierte, dass diese Ausnahmeregelung willkürlich und diskriminierend sei, da er zuvor aktiv gearbeitet habe. Das Arbeitsgericht gab seiner Klage zunächst statt, worauf die Beklagte Berufung einlegte. Die Berufung führte zu einer teilweisen Abweisung der Klage, der Kläger erhielt jedoch eine anteilige Prämie.
Entscheidung:
Das Gericht entschied, dass der Kläger zwar nicht die volle Prämienhöhe erhält, jedoch ein Anspruch auf einen anteiligen Betrag in Höhe von 1.000 Euro besteht. Die Beklagte hatte eine Gesamtzusage gemacht, die nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen überprüft werden muss. Der Stichtag für die Auszahlung und die Ausgrenzung der Mitarbeiter in der Freistellungsphase wurden als unangemessen benachteiligend eingestuft. Das Gericht stellte fest, dass die Inflationsausgleichsprämie nicht ausschließlich auf zukünftige Betriebstreue abzielt, sondern auch die zuvor erbrachte Leistung honorieren soll. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Beamtenrecht
Zur Anrechnung von Elternzeit
OVG Münster Urteil vom 1.07.2024 – 6 A 1816/23
Sachverhalt:
Die Klägerin, eine Polizeihauptkommissarin, forderte die Anrechnung ihrer Elternzeiten als Dienstzeiten im Wechselschichtdienst gemäß § 114 Abs. 2 LBG NRW, um früher in den Ruhestand zu gehen. Die Kreispolizeibehörde hatte dies abgelehnt, da die Klägerin die notwendigen 25 Jahre Wechselschichtdienst ohne Anrechnung der Elternzeiten nicht erreicht habe. Ihre Widersprüche blieben erfolglos, sodass sie schließlich Klage erhob. Sie argumentierte, die Elternzeiten seien durchgehend von Wechselschichtdiensten umgeben gewesen und ihre Nichtberücksichtigung verstoße gegen das Benachteiligungsverbot. Das beklagte Land widersprach, da während der Elternzeit keine spezifischen Belastungen des Wechselschichtdienstes bestanden hätten.
Entscheidung:
Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Klägerin ab. Es entschied, dass Elternzeiten nicht als Wechselschichtdienstzeiten im Sinne des § 114 Abs. 2 LBG NRW angerechnet werden können, da sie nicht die spezifischen Belastungen dieses Dienstes mit sich bringen. Auch ein Bezug zum Benachteiligungsverbot gemäß § 69 LBG NRW wurde verneint, da dieses nur das berufliche Fortkommen, nicht jedoch den Ruhestandseintritt betreffe. Zudem stellte das Gericht fest, dass die Ungleichbehandlung durch sachliche Gründe gerechtfertigt sei. Eine verfassungskonforme Auslegung, die Art. 3 GG berücksichtigt, sah das Gericht ebenfalls nicht als geboten an. Entsprechend wurde das beklagte Land nicht zur Anrechnung der Elternzeiten verpflichtet.
Schulrecht
Kriterien für Ausnahmeauswahl an Schule
VG Karlsruhe Beschluss vom 30.7.2024 – 1 K 3353/24
Sachverhalt:
Ein Schüler beantragte die vorläufige Aufnahme in die fünfte Klasse eines auf sportliche Förderung spezialisierten Gymnasiums, das als „Eliteschule des Sports“ besondere Anforderungen für die Auswahl stellt. Aufgrund von Überkapazitäten musste die Schule eine Auswahl treffen, bei der Geschwisterkinder, Nationalkaderathleten und Schüler mit kurzem Schulweg vorrangig berücksichtigt wurden. Der Antragsteller wurde aufgrund des hohen Interesses und der begrenzten Plätze nicht aufgenommen, was er rechtlich anfocht. Der Schüler machte geltend, dass seine Ablehnung fehlerhaft sei und seine Aufnahme ermessensfehlerfrei erfolgen müsse. Der Antrag des Schülers wurde jedoch abgelehnt.
Entscheidung:
Das Gericht entschied, dass die Auswahlkriterien der Schule rechtlich zulässig und sachlich gerechtfertigt seien. Die vorrangige Aufnahme von Geschwistern diene der Entlastung der Eltern, während die bevorzugte Berücksichtigung von Nationalkaderathleten die besondere Ausrichtung der Schule unterstütze. Auch die Berücksichtigung des Schulwegs wurde als angemessen angesehen, da vergleichbare Alternativschulen verfügbar waren. Die Schule habe transparent und nachvollziehbar entschieden, wodurch keine Ermessensfehler erkennbar seien. Das Gericht sah daher keinen Anspruch des Schülers auf eine vorläufige Aufnahme in das gewünschte Gymnasium.
News diese Woche
Neuordnung und Anpassung von Vorschriften im Berufsrecht der Rechtsanwälte und weiterer rechtsberatender Berufe
Zum Referentenentwurf
In der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), der Patentanwaltsordnung (PAO) und dem Steuerberatungsgesetz (StBerG) bestehen verschiedene Probleme im Bereich der Rechtsbehelfe gegen Belehrungen, Rügen und Zwangsgelder. Die „missbilligende Belehrung“, die viele Berufskammern anwenden, ist nicht gesetzlich geregelt, sondern nur durch den Bundesgerichtshof anerkannt. Zudem bestehen Unterschiede bei den Zuständigkeiten und Verfahrensvorschriften für Rechtsbehelfe gegen diese Maßnahmen, ohne dass hierfür eine überzeugende Begründung vorliegt. Dies deutet auf den Bedarf einer kohärenten Neuregelung hin.
Zudem wurde Regelungsbedarf im Bereich der Wiederholungswahlen in Berufskammern erkannt, da die BRAO hierfür keine Vorschriften enthält. Auch bei der Ernennung und Abberufung von ehrenamtlichen Richtern und Richterinnen sind die Regelungen in den verschiedenen berufsrechtlichen Ordnungen teilweise unterschiedlich und kompliziert, sodass eine Vereinheitlichung sinnvoll wäre.
Bei der Aufbewahrung und Einsichtnahme von über 100 Jahre alten notariellen Urkunden wird vorgeschlagen, die Zuständigkeit von der Justiz auf die Landesarchive zu übertragen, um praktische Probleme zu beheben und die Zuständigkeiten klarer zu regeln.