Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

Themenübersicht
Erbrecht
OLG Saarbrücken – 21.08.2024 – 5W 46/24
Beginn der Ausschlagungsfrist – Mögliche Hemmung
Sachverhalt:
Am 21. August 2024 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken im Beschluss 5 W 46/24 über die Ausschlagungsfrist bei einer angeordneten Vor- und Nacherbfolge. Im vorliegenden Fall hatte der Erblasser eine Vor- und Nacherbfolge verfügt, wobei der Nacherbfall eintrat. Der Nacherbe erlangte jedoch erst später Kenntnis von diesem Ereignis. Daraufhin stellte sich die Frage, wann die Frist zur Ausschlagung der Nacherbschaft zu laufen beginnt. Das Nachlassgericht hatte hierzu eine Entscheidung getroffen, gegen die Beschwerde eingelegt wurde.
Entscheidung:
Das OLG Saarbrücken stellte klar, dass gemäß § 2139 in Verbindung mit § 1944 Abs. 2 BGB die Ausschlagungsfrist für den Nacherben frühestens mit der Kenntnis des Nacherbfalls beginnt. Dies bedeutet, dass die Frist nicht bereits mit dem Eintritt des Nacherbfalls zu laufen beginnt, sondern erst, wenn der Nacherbe von diesem Kenntnis erlangt. Das Gericht folgte damit der allgemeinen Meinung in der Rechtsprechung. Diese Auslegung dient dem Schutz des Nacherben, der andernfalls ohne sein Wissen in die Erbenstellung geraten könnte. Die Beschwerde wurde entsprechend zurückgewiesen.
Arbeitsrecht
Annahmeverzug – böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes
LAG Baden-Württemberg – 11.09.2024 – 4 Sa 10/24
Sachverhalt:
Am 11. September 2024 entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg im Fall 4 Sa 10/24 über die Frage, ob ein Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs böswillig anderweitigen Verdienst unterlassen hat. Der Kläger war nach einer Kündigung nicht weiter beschäftigt worden und forderte Annahmeverzugslohn. Der Arbeitgeber argumentierte, der Kläger habe es böswillig unterlassen, sich um eine zumutbare anderweitige Beschäftigung zu bemühen, und forderte die Anrechnung fiktiven Verdienstes. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, woraufhin der Arbeitgeber Berufung einlegte. Das LAG hatte nun zu entscheiden, ob dem Kläger Annahmeverzugslohn ohne Anrechnung fiktiven Verdienstes zusteht.
Entscheidung:
Das LAG Baden-Württemberg entschied zugunsten des Arbeitgebers und hob das erstinstanzliche Urteil auf. Es stellte fest, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich während des Annahmeverzugs um zumutbare anderweitige Beschäftigung zu bemühen. Unterlässt er dies böswillig, kann fiktiver Verdienst angerechnet werden. Das Gericht betonte, dass eine erweiterte Darlegungslast des Arbeitnehmers nicht über den Rechtsgedanken der Bedingungsvereitelung begründet werden kann, und wich damit von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 7. Februar 2024 (5 AZR 177/23) ab. Somit wurde die Klage des Arbeitnehmers auf Annahmeverzugslohn ohne Anrechnung fiktiven Verdienstes abgewiesen.
Beamtenrecht
OVG Münster – 21.10.2024 – 6A 1430/22
Sachverhalt:
Ein Beamter beantragte nach seinem Eintritt in den Ruhestand die finanzielle Abgeltung von nicht genommenem Erholungsurlaub aus den Jahren 2001 bis 2012. Der Kläger führte an, dass ihm dieser Urlaub während einer Disziplinarsuspendierung und späterer Dienstunfähigkeit nicht gewährt worden sei. Das beklagte Land lehnte dies ab, da die Ansprüche aufgrund von Verfall und fehlenden Voraussetzungen nicht mehr bestünden. Der Kläger argumentierte, dass die Suspendierung und die mangelnde Information des Dienstherrn über den Verfall den Anspruch begründeten. Vor Gericht wurde zudem ein Teil des Urlaubsanspruchs für die ersten Tage des Jahres 2001 anerkannt und die Hauptsache insoweit erledigt.
Entscheidung:
Das Oberverwaltungsgericht wies die Berufung des Klägers weitgehend zurück. Es entschied, dass ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die Jahre der rechtmäßigen Suspendierung nicht bestehe, da in dieser Zeit kein Urlaubsanspruch entstanden sei. Auch für die Jahre 2001 bis 2012 sei ein Verfall der Ansprüche eingetreten, da der Dienstherr den Kläger hinreichend über die Möglichkeit des Verfalls informiert habe. Lediglich für drei Urlaubstage im Januar 2001 erkannte das Gericht eine Abgeltungspflicht an, da diese aufgrund mangelnder Mitwirkungsobliegenheit des Dienstherrn nicht hätten verfallen dürfen. Die Kosten des Verfahrens wurden überwiegend dem Kläger auferlegt, und die Revision wurde nicht zugelassen.
Schulrecht
Wiederholung einer Jahrgangsstufe
VG Hamburg, 02.09.2024 – 5 E 3807/24
Sachverhalt:
Ein Schüler beantragte im Wege eines Eilverfahrens die Wiederholung der Jahrgangsstufe 10 an einer Hamburger Stadtteilschule. Er hatte aufgrund einer psychischen Belastung, die zu einer mittelgradigen depressiven Episode führte, im Schuljahr 2023/2024 erhebliche Lern- und Leistungsprobleme. Trotz dieser Einschränkungen konnte er den mittleren Schulabschluss erreichen, jedoch ohne die Versetzung in die gymnasiale Oberstufe. Die zuständige Behörde lehnte seinen Antrag auf Wiederholung ab und begründete dies mit unzureichendem Nachweis der Krankheit und der Verbesserung seiner Leistungen im Vergleich zum Vorjahr. Der Schüler führte an, dass sich seine Leistungen durch die Belastungen verschlechtert hätten und eine Wiederholung seine Chancen auf die gymnasiale Oberstufe verbessern würde.
Entscheidung:
Das Verwaltungsgericht Hamburg verpflichtete die Schule, den Schüler vorläufig die Jahrgangsstufe 10 wiederholen zu lassen. Es stellte fest, dass die Ablehnung der Behörde sowohl formelle Mängel aufwies als auch materiell rechtswidrig war. Das Gericht erkannte eine schwerwiegende Belastung des Schülers aufgrund einer attestierten psychischen Erkrankung und sah diese als ursächlich für die Lernprobleme an. Zudem hob das Gericht hervor, dass der Schüler durch die fortschreitende Stabilisierung seiner psychischen Gesundheit nun bessere Leistungen erbringen könne, sodass eine Wiederholung sinnvoll sei. Der Beschluss basiert auch auf der Erwartung, dass die Wiederholung die Chance auf eine gymnasiale Versetzung erhöht, was die Grundlage der Entscheidung bildete.
News diese Woche
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass in Deutschland online geschlossene Ehen, die über Videotelefonie mit ausländischen Behörden erfolgen, unwirksam sind (Az. XII ZB 244/22). Im verhandelten Fall hatte ein in Deutschland lebendes Paar per Videocall vor einem Standesbeamten im US-Bundesstaat Utah geheiratet, was die deutsche Meldebehörde nicht anerkannte. Das Gericht stellte klar, dass Eheschließungen in Deutschland nur in der gesetzlich vorgeschriebenen Form möglich sind, nämlich „persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit“ vor einem deutschen Standesbeamten. Eine im Ausland geschlossene Ehe wird nur anerkannt, wenn sie auch tatsächlich dort vor Ort persönlich stattgefunden hat. Das Urteil öffnet für das betroffene Paar den Weg zu einer erneuten Eheschließung nach deutschem Recht.