Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

Themenübersicht
Erbrecht
Geschäftswert eines Nachlassverzeichnisses
LG Stuttgart, Beschluss vom 29.10.2024 – 19 OH 22/23
Sachverhalt:
Die Antragstellerin wandte sich gegen eine Kostenrechnung des Notars, der für die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses einen Geschäftswert ansetzte, der sowohl die Aktiva als auch die Passiva des Nachlasses berücksichtigte. Die Antragstellerin vertrat die Ansicht, dass nur die Aktiva für den Geschäftswert relevant seien und beantragte eine gerichtliche Entscheidung zur Reduzierung der Kosten. Der Notar argumentierte, dass die Verbindlichkeiten ebenfalls Teil des Nachlassverzeichnisses seien und deshalb in die Berechnung des Geschäftswerts einzubeziehen seien. Auch die Bezirksrevisorin unterstützte die Position des Notars. Die Parteien waren sich einig über die abgerechneten Kostenziffern, stritten jedoch über die Höhe des Geschäftswerts.
Entscheidung:
Das Gericht entschied, dass bei der Bemessung des Geschäftswerts nach § 115 GNotKG für die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses Verbindlichkeiten nicht zu berücksichtigen sind. Es stützte sich dabei auf den Wortlaut, die Gesetzessystematik und die Gesetzgebungsgeschichte, die eine Addition von Verbindlichkeiten nicht vorsehen. Die Gebührenberechnung des Notars wurde entsprechend angepasst, und der Geschäftswert wurde ausschließlich auf Grundlage der Aktiva des Nachlasses mit 2.188.106,10 € festgesetzt. Höherer Aufwand durch die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten rechtfertige keine Erhöhung der Gebühren, da diese ausschließlich vom Geschäftswert abhängen. Die Antragstellerin hatte somit teilweise Erfolg, allerdings wurde ihr weitergehender Antrag aufgrund eines Rechenfehlers abgelehnt.
Arbeitsrecht
Keine Aussetzung des Verfahrens im Fall von vermeintlicher Verletzung der Fürsorgepflicht
LAG Hamm, 30.10.2024 – 9 Ta 336/24
Sachverhalt:
Die Kläger, Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers, fordern von dessen ehemaligen Arbeitgeber und Geschäftsführer Schmerzensgeld sowie die Feststellung einer Ersatzpflicht für materielle und immaterielle Schäden infolge eines Arbeitsunfalls. Der Unfall ereignete sich im März 2020, als im Betrieb heiße Schlacke austrat, sich explosionsartig verteilte und schwere Verletzungen verursachte, an denen der Arbeitnehmer später verstarb. Die Kläger werfen den Beklagten vor, ihre Fürsorgepflicht verletzt und den Tod des Arbeitnehmers zumindest billigend in Kauf genommen zu haben, wodurch die Haftungsfreistellung nach § 104 SGB VII entfalle. Die Berufsgenossenschaft hatte den Fall als Versicherungsfall anerkannt und Leistungen erbracht, was jedoch außerhalb des Streitgegenstands liegt. Das Arbeitsgericht setzte das Verfahren mit Verweis auf § 108 Abs. 2 SGB VII aus, wogegen die Beklagten Beschwerde einlegten.
Entscheidung:
Das Landesarbeitsgericht hob die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf und stellte fest, dass eine Verfahrensaussetzung gemäß § 108 Abs. 2 SGB VII unzulässig war. Zwar regelt § 108 SGB VII die Bindungswirkung und Aussetzung bei Fragen zum Versicherungsfall und den Leistungen der Unfallversicherung, doch ist die Klärung eines vorsätzlichen Verhaltens davon ausgenommen. Da die Kläger den Vorsatz der Beklagten und damit die Entsperrung des Haftungsausschlusses nach § 104 SGB VII geltend machen, liegt diese Entscheidung allein in der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts. Die Berufsgenossenschaft hatte ihre Zuständigkeit und den Versicherungsfall bereits anerkannt, wodurch diese Aspekte im Verfahren nicht mehr relevant sind. Folglich war die Beschwerde der Beklagten begründet, und das Verfahren ist durch das Arbeitsgericht ohne Aussetzung fortzuführen.
Beamtenrecht
Kein Mitbestimmungsrecht für Schulleiterstellen an Berliner Grundschulen; Täuschung durch Unterlassen nur bei Aufklärungsverpflichtung; Ursachenzusammenhang zwischen Täuschung und Verbeamtung
VG Berlin, 15.10.2024 – VG 5 L 433/24
Sachverhalt:
Die Antragstellerin, eine seit 2005 angestellte Lehrerin des Landes Berlin, wurde 2024 zur Beamtin auf Lebenszeit als Rektorin ernannt. Bereits seit 2019 betrieb sie eine Unternehmung, die Bildungsreisen und -projekte organisierte, ohne diese Tätigkeit im Personalfragebogen offenzulegen. Zudem beantragte sie Fördergelder für ein Schulprojekt, die ausschließlich ihrer Unternehmung zugutekamen, wodurch private Einnahmen generiert wurden. Beschwerden über die Qualität der Kurse führten zur Offenlegung ihrer Doppelrolle als Schulleiterin und Unternehmerin. Die Senatsverwaltung nahm daraufhin die Ernennung zurück und verbot der Antragstellerin die Weiterführung der Dienstgeschäfte.
Entscheidung:
Das Gericht bestätigte die Rücknahme der Ernennung, da die Antragstellerin arglistig wesentliche Informationen über ihre Nebentätigkeit verschwiegen hatte. Ihre Pflicht zur Offenlegung ergab sich sowohl aus dem Personalfragebogen als auch aus den allgemeinen beamtenrechtlichen Treuepflichten. Die verschwiegenen Interessenkonflikte hätten bei deren Kenntnisnahme eine Verbeamtung verzögert oder verhindert. Die sofortige Vollziehung des Bescheids wurde als notwendig erachtet, um das öffentliche Interesse an einer integren Amtsausübung zu wahren. Eine weitere Amtsausübung der Antragstellerin sei angesichts der Täuschung untragbar und würde das Ansehen des Schulwesens schädigen.
Schulrecht
Eilrechtsschutz im Rahmen der Besetzung einer Professur
VG Münster, Beschluss vom 23.09.2024 – 5 L 507/24
Sachverhalt:
Ein Antragsteller begehrte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Fortführung eines Berufungsverfahrens zur Besetzung einer W2-Professur für IT-Sicherheit, nachdem die Hochschule das Verfahren abgebrochen hatte. Er argumentierte, dass der Abbruch rechtswidrig sei und ihn in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch verletze. Das Verfahren war Teil eines Tenure-Track-Systems, bei dem die Erfüllung vereinbarter Leistungskriterien Voraussetzung für die Berufung auf die Professur war. Die Hochschule entschied auf Grundlage einer Evaluationskommission, dass der Antragsteller die geforderten Leistungen insbesondere im Bereich Forschung und Publikationen nicht erbracht habe. Der Antragsteller wandte sich dagegen, da er seine Kriterien als erfüllt betrachtete und sachfremde Erwägungen der Hochschule vermutete.
Entscheidung:
Das Gericht wies den Antrag ab, da der Abbruch des Berufungsverfahrens formell und materiell rechtmäßig war. Die Hochschule durfte aufgrund ihrer wissenschaftlichen Bewertungskompetenz feststellen, dass der Antragsteller die vereinbarten Kriterien, insbesondere im Bereich Forschung und Publikationen, nicht erfüllt hatte. Die Beurteilung der Hochschule lag im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums und wies keine Verfahrensfehler oder sachfremde Erwägungen auf. Es bestand kein Anspruch auf Fortführung des Verfahrens, da der Bewerbungsverfahrensanspruch durch den rechtmäßigen Abbruch des Verfahrens erlosch. Eine Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Rechtsschutz war nicht gerechtfertigt, da keine irreparablen Nachteile für den Antragsteller nachgewiesen wurden.
News diese Woche
Korrupter Staatsanwalt? BGH hebt Urteil in Kokain-Prozess teils auf
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil gegen einen wegen bandenmäßigen Drogenhandels verurteilten Spediteur teilweise aufgehoben und eine neue Verhandlung über das Strafmaß angeordnet. Hintergrund ist der Verdacht, dass ein korruptionsverdächtiger Staatsanwalt, der die Kokain-Bande mit Insider-Informationen versorgt haben soll, das ursprüngliche Verfahren beeinflusst haben könnte. Während der Schuldspruch selbst bestehen bleibt, sah der BGH das Recht auf ein faires Verfahren nicht als verletzt an, da zum Zeitpunkt des Prozesses nur vage Verdachtsmomente gegen den Staatsanwalt bestanden hätten. Der Spediteur wurde ursprünglich zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt, unter anderem für den Transport von Kokain aus dem Hamburger Hafen, wo 2021 rund 14 Tonnen entdeckt wurden. Sollte das Strafmaß milder ausfallen, könnte dies eine frühere Haftentlassung des Verurteilten ermöglichen.