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Wege aus der Asylkrise

Arbeitsrecht – Erbrecht - Schulrecht

Wege aus der Asylkrise

Flüchtlinge nach Europa

so lautet der Titel eines Beitrages von Prof. Kay Hailbronner in der FAZ vom 5.9.2024

Kay Hailbronner, ein renommierter Experte im Bereich Ausländer- und Asylrecht, hat verschiedene Ansätze zur Bewältigung der Asylkrise vorgeschlagen. In einem Artikel in der FAZ betont er die Notwendigkeit einer effektiven Balance zwischen humanitären Schutzpflichten und der Steuerung von Migration

Prof. Hailbronner macht 8 konkrete Änderungsvorschläge für die Asylpolitik und geht damit auch auf die Frage nach Zurückweisungen von Personen an der deutschen Grenze ein, die gegenwärtig als zentrales Thema zwischen allen Parteien des deutschen Bundestages erörtert werden.

 

Hintergrund und Rechtslage

Deutschland kann Asylsuchende nach dem Grundgesetz (GG) zurückweisen, wenn sie aus einem sicheren Drittstaat einreisen, da gemäß Artikel 16a Absatz 2 des Grundgesetzes kein Asylanspruch besteht, wenn der Asylsuchende über einen sicheren Drittstaat nach Deutschland eingereist ist. Diese Regelung ermöglicht es Deutschland, Asylsuchende an der Grenze zurückzuweisen, wenn sie aus einem solchen Drittstaat kommen.

Auf europäischer Ebene jedoch gilt die sogenannte Dublin-III-Verordnung. Diese besagt, dass der Asylantrag in dem EU-Land geprüft werden muss, in dem der Asylsuchende zuerst eingereist ist. Das bedeutet, dass Deutschland grundsätzlich nicht verpflichtet ist, Asylsuchende zurückzuweisen, sondern dass die Verantwortung zur Bearbeitung des Asylantrags auf das Ersteinreiseland übergeht. In der Praxis führt dies dazu, dass Asylsuchende oft nicht direkt an der Grenze zurückgewiesen werden, sondern ihr Asylverfahren in dem Land durchgeführt wird, das nach der Dublin-Verordnung zuständig ist.

Dazu stellt Prof Hailbronner in seinem Beitrag fest:

Trotz einer verbindlichen EU-Zuständigkeitsordnung wird die irreguläre Weiterreise und Asylantragstellung im EU-Wunschstaat faktisch ermöglich. Mittels jahrelanger Verwaltungs- und Gerichtsverfahren kann der Daueraufenthalt erreicht und der Schleuserkontrakt erfüllt werden –

Die Dublin-III-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 604/2013) regelt, welches EU-Mitgliedsland für die Bearbeitung eines Asylantrags zuständig ist. Die wichtigsten Bestimmungen dieser Verordnung sind:

  1. Zuständigkeit für die Bearbeitung eines Asylantrags: Die Verordnung legt fest, dass der Asylantrag in der Regel in dem EU-Land bearbeitet werden muss, in dem der Asylsuchende zuerst eingereist ist. Dies soll verhindern, dass Asylsuchende innerhalb der EU mehrfach Anträge stellen oder sich das Land aussuchen, in dem sie ihren Antrag stellen.

  2. Familienzusammenführung: Die Verordnung enthält besondere Regelungen, um sicherzustellen, dass Familienangehörige während des Asylverfahrens nicht getrennt werden. Wenn ein Asylsuchender enge Familienangehörige in einem anderen EU-Staat hat, kann dieser Staat unter bestimmten Bedingungen für die Bearbeitung des Antrags zuständig sein.

  3. Humanitäre Klauseln: Es gibt eine sogenannte „Souveränitätsklausel“, die es einem Mitgliedstaat erlaubt, einen Asylantrag zu prüfen, auch wenn er nach den regulären Regeln nicht zuständig wäre. Dies kann aus humanitären Gründen geschehen, zum Beispiel wenn besondere persönliche oder familiäre Umstände vorliegen.

  4. Überstellung von Asylsuchenden: Wenn ein Mitgliedstaat feststellt, dass ein anderer Staat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, kann der Asylsuchende in diesen Staat überstellt werden. Es gibt dafür festgelegte Verfahren und Fristen. Die Überstellung muss innerhalb von sechs Monaten nach der Zustimmung des zuständigen Mitgliedstaats erfolgen.

  5. Wiedereinreise nach Überstellung: Wenn ein Asylsuchender in einen anderen Staat überstellt wird und danach wieder in den ursprünglichen Staat einreist, bleibt der Staat, in den er zuerst eingereist ist, weiterhin zuständig, bis das Verfahren abgeschlossen ist.

  6. Schutz der Rechte der Asylsuchenden: Dublin III enthält auch Vorschriften zum Schutz der Rechte der Asylsuchenden, einschließlich des Zugangs zu Rechtsbehelfen, der Informationspflicht und der Gewährleistung menschenwürdiger Aufnahmebedingungen während des Verfahrens.

Prof. Hailbronner attestiert dem Staat und der EU ein Versagen in der Migrationspolitik:

Schuldig ist nicht die Trägheit der zuständigen Ausländerbehörden, Gerichte und Polizisten von Bund und Ländern. Die ungesteuerte Zuwanderung von Hunderttausenden aus politisch und ökonomisch instabilen Ländern und die mangelnde Durchsetzbarkeit von Ausreisepflichten ist das Ergebnis einer hyperkomplexen, für die Bewältigung großer Migrationssträme untauglichen unionsrechtlichen und deutschen Rechtsordnung.

Hailbronner argumentiert, dass eine Reform des europäischen Asylsystems erforderlich ist, um sowohl den Schutzbedürfnissen der Asylsuchenden gerecht zu werden als auch die Kontrolle über die Migration zu behalten.

  1. Beschränkung des Asylanspruchs: Es wird vorgeschlagen, den Rechtsanspruch auf Asyl auf den Schutz vor Zurückweisung (Refoulementverbot) zu beschränken, wenn in einem Land das Leben oder die Freiheit einer Person bedroht ist. Der aktuelle, breitere Anwendungsbereich des Asylrechts soll auf Menschen reduziert werden, die unmittelbarer Gefahr durch Folter oder Todesstrafe ausgesetzt sind.

  2. Grenzverfahren: Die Asylprüfung soll hauptsächlich an den EU-Außengrenzen stattfinden. Vor der Einreise soll eine plausible Schutzbedürftigkeit anhand von Dokumenten und der Offenlegung der Identität festgestellt werden. Abschiebungen sollen Vorrang vor der Zurückweisung haben, insbesondere in Fällen, wo Asylbewerber länger im Land verweilt haben.

  3. Digitales Asylverfahren: Es wird vorgeschlagen, Asylsuchenden die Möglichkeit zu geben, per digital übermittelter Unterlagen ein Asylverfahren zu beantragen, ohne dass ein Rechtsanspruch auf Einreise oder Schengenvisa entsteht.

  4. Humanitäre Aufnahmeprogramme: Subsidiärer Schutz soll im Rahmen humanitärer Programme einzelner Mitgliedstaaten gewährt werden, abhängig von deren Integrationsressourcen.

  5. Vereinfachung der Asylprüfung: Es wird vorgeschlagen, die Anforderungen an die individuelle Überprüfung von Asylgesuchen zu senken, insbesondere durch standardisierte, EU-weit einheitliche Informationen zur Sicherheitslage in Herkunftsländern.

  6. Sichere Drittstaatenregelung: Asylbewerber, die über sichere Drittstaaten eingereist sind, sollen an der Grenze ohne Zugang zu einem Asylverfahren abgewiesen oder nach illegaler Einreise abgeschoben werden. Diese Regelung stützt sich auf Artikel 16a Abs. 2 des Grundgesetzes.

  7. Verhinderung der irregulären Weiterwanderung innerhalb der EU: Asylsuchende, die innerhalb der EU illegal weiterreisen, sollen keinen Zugang zu Asylverfahren, Sozialleistungen oder dem Arbeitsmarkt erhalten. Sie sollen ohne gerichtlichen Rechtsschutz an die zuständige Behörde abgeschoben werden.

  8. Klarstellung der Abschiebungsverbote: Es soll klarere Voraussetzungen für Abschiebungsverbote geben, insbesondere im Hinblick auf die Definition von „unmenschlicher Behandlung“. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur dynamischen Auslegung der Menschenrechte hat in der Vergangenheit zu Rechtsunsicherheiten und einer Ausweitung der Abschiebungshindernisse geführt, die künftig begrenzt werden soll.

Insgesamt streben die vorgeschlagenen Änderungen eine Verschärfung der Asylpolitik an, indem der Zugang zu Asylverfahren begrenzt und Abschiebungen erleichtert werden sollen. Es wird auch auf die Notwendigkeit hingewiesen, die dynamische Auslegung internationaler Mensch

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