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Befugnis des Dienstherrn zur Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Befugnis des Dienstherrn zur Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung

Justicia ist blind- Unabhängigkeit

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (Beschl. v. 12.08.2025 – 6 B 724/25) hatte über einen besonders ungewöhnlichen Fall im Beamtenrecht zu entscheiden: Eine Studienrätin war seit mehr als fünfzehn Jahren ununterbrochen krankgeschrieben und hatte in dieser Zeit keinen Dienst mehr geleistet. Gleichwohl ordnete der Dienstherr erst im Jahr 2025 eine amtsärztliche Untersuchung an, die auch psychiatrische Elemente umfassen sollte. Die Lehrerin wandte sich hiergegen mit dem Argument, eine solche Maßnahme sei nach so langem Zeitablauf unverhältnismäßig und unverständlich. Das OVG stellte jedoch klar, dass das Untersuchungsrecht des Dienstherrn weder durch Zeitablauf noch durch jahrelange Untätigkeit verwirkt wird und dass auch eine psychiatrische Untersuchung zulässig sein kann, wenn entsprechende Anhaltspunkte vorliegen.


 

Sachverhalt

Eine Studienrätin war seit 2009 dienstunfähig erkrankt und seit über 15 Jahren durchgehend krankgeschrieben. Der Dienstherr ordnete im April 2025 eine amtsärztliche Untersuchung an, auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Die Lehrerin wandte sich dagegen mit Antrag und Beschwerde.


Entscheidung

  • Beschwerde zurückgewiesen, Kosten trägt die Antragstellerin (Streitwert 2.500 €).

  • Die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung ist rechtmäßig.


Zentrale Erwägungen

  1. Anlass der Untersuchung

    • Die langjährige Erkrankung und die seit 2009 bestehende Dienstunfähigkeit sind ein ausreichender Anlass.

    • Auch nach 15+ Jahren bleibt die Befugnis des Dienstherrn zur Anordnung einer Untersuchung bestehen.

    • Untätigkeit des Dienstherrn macht die Untersuchung nicht rechtswidrig, auch wenn sie „nicht nachvollziehbar“ erscheint.

    • Keine Verwirkung des Untersuchungsrechts.

  2. Art und Umfang der Untersuchung

    • Auch eine allein auf Fehlzeiten gestützte Anordnung darf eine psychiatrische Untersuchung einschließen.

    • Konkrete Anhaltspunkte (Atteste von Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie, frühere psychiatrische Befunde) rechtfertigen die Ausweitung.

    • Das allgemeine Persönlichkeitsrecht steht dem nicht entgegen, da bei entsprechenden Indizien die Maßnahme verhältnismäßig ist.

  3. Rechtliche Einordnung

    • Rechtsgrundlagen: § 26 Abs. 1 BeamtStG, § 33 Abs. 1 LBG NRW.

    • Pflicht des Dienstherrn, bei Zweifeln an der Dienstfähigkeit zu prüfen und ggf. Ruhestand anzuordnen.

    • Öffentliches Interesse: Beamte sollen nur bei tatsächlicher Dienstfähigkeit vollalimentiert werden.

  4. Verfahrensrechtliches

    • Pauschale Bezüge der Beschwerde auf frühere Schriftsätze genügen nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.

    • Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Kernaussage

Auch nach 15 Jahren durchgehender Krankschreibung darf der Dienstherr eine amtsärztliche Untersuchung — einschließlich psychiatrischer Begutachtung — anordnen. Ein Verfall oder eine Verwirkung dieses Rechts tritt nicht ein; die Untätigkeit des Dienstherrn entbindet nicht von seiner Pflicht zur Klärung der Dienstfähigkeit.


 

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