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Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen 2025 – rechtliche Analyse und demokratietheoretische Einordnung

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen 2025 – rechtliche Analyse und demokratietheoretische Einordnung

Rechtliche Analyse: AfD-Kandidat und die OB-Wahl Ludwigshafen

VG und OVG zur OB-Wahl in Ludwigshafen – Analyse der Entscheidungen

Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen – 1. Wahlgang

Teil I – Rechtliche Analyse der Oberbürgermeisterwahl

1. Wahlergebnis und Beteiligung

Am 12. Oktober 2025 fand in der Stadt Ludwigshafen die Stichwahl zur Wahl des Oberbürgermeisters statt.
Der CDU-Kandidat Prof. Dr. Thorsten Blettner erhielt 58,5 % der abgegebenen Stimmen, der SPD-Kandidat Jens Peter Gotter 41,5 %. Die Wahlbeteiligung betrug 24,1 %. Von 118 000 Wahlberechtigten gaben 28 530 Personen ihre Stimme ab.

Das Ergebnis ist nach den Bestimmungen des Kommunalwahlgesetzes Rheinland-Pfalz (KWG RLP) und der Kommunalwahlordnung (KWO RLP) rechtswirksam.
Das KWG sieht weder eine Mindestbeteiligung noch ein Quorum für die Gültigkeit einer Stichwahl vor (§ 51 KWG RLP).

2. Formale Legitimation und Zuständigkeit

Die Wahl wurde durch den zuständigen Wahlausschuss nach Maßgabe der §§ 58 ff. KWG RLP ordnungsgemäß vorbereitet, durchgeführt und festgestellt.
Die Wahlprüfung obliegt gemäß § 58 KWG RLP der Aufsichtsbehörde, gegen deren Entscheidung kann binnen der vorgesehenen Frist gerichtlicher Rechtsschutz nach § 49 KWG RLP in Verbindung mit der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) begehrt werden.

Die Wahl ist daher formell gültig und entfaltet unmittelbare Rechtswirkung.

3. Zusammenhang mit der Nichtzulassung des AfD-Kandidaten Joachim Paul

Dem Wahlverfahren vorausgegangen war die Entscheidung des Wahlausschusses Ludwigshafen vom 5. August 2025, den Wahlvorschlag der AfD und damit den Bewerber Joachim Paul nicht zuzulassen.
Rechtsgrundlage war § 53 Abs. 3 Satz 1 GemO RLP, wonach zum Bürgermeister nur wählbar ist, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten.

a) Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt (18. August 2025 – 3 L 889/25.NW)

Das VG erklärte Pauls Eilantrag auf Zulassung zur Wahl für unzulässig.
Begründung: Nach ständiger Rechtsprechung könne in Wahlangelegenheiten Rechtsschutz regelmäßig nur nach der Wahl im Rahmen des Wahlprüfungsverfahrens gewährt werden; einstweiliger Rechtsschutz sei nur bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit einer Entscheidung zulässig („Offenkundigkeitsprinzip“).
Eine solche Offenkundigkeit sei nicht erkennbar, da die Zweifel an Pauls Verfassungstreue auf dokumentierten Tatsachen beruhten (Verfassungsschutzbericht Rheinland-Pfalz 2024, Einstufung der AfD als Verdachtsfall, Veranstaltungen im „Quartier Kirschstein“).

b) Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (25. August 2025 – 10 B 11032/25.OVG)

Das OVG wies die Beschwerde zurück und bestätigte die Entscheidung des VG.
Es stellte klar, dass

  • das Wahlprüfungsverfahren gemäß § 58 KWG RLP den Vorrang vor Eilrechtsschutz hat,

  • § 53 Abs. 3 GemO RLP eine verfassungsgemäße Einschränkung des passiven Wahlrechts darstellt,

  • der Bürgermeister als kommunaler Wahlbeamter in seiner Funktion Teil der vollziehenden Gewalt ist und daher der beamtenrechtlichen Treuepflicht (Art. 33 Abs. 5 GG, § 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG) unterliegt.

Das Gericht führte aus, es bestünden hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, die Zweifel an Pauls Verfassungstreue begründeten, insbesondere seine mehrfachen Äußerungen zur sogenannten Remigration und die Nutzung seines Wahlkreisbüros für Veranstaltungen rechtsextremer Akteure.

Da keine offenkundige Rechtswidrigkeit vorliege, blieb der Eilantrag ohne Erfolg.

4. Zusammenfassung des rechtlichen Befundes

  • Das Wahlverfahren war formell ordnungsgemäß.

  • Die Nichtzulassung des AfD-Kandidaten erfolgte unter Berufung auf § 53 Abs. 3 GemO RLP.

  • Die gerichtliche Kontrolle im Eilrechtsschutz blieb auf die Prüfung der Offenkundigkeit beschränkt.

  • Beide Gerichte betonten den Vorrang der Wahlbeständigkeit gegenüber individuellem Eilrechtsschutz.


Teil II – Wahlbeteiligung, Ausschlussverfahren und das Konzept der wehrhaften Demokratie

1. Ausgangspunkt

Das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) beruht auf der Mitwirkung der Bürger an der politischen Willensbildung.
Die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die „ordnungsgemäße, auf den Menschenrechten beruhende demokratische Staatsform“.

Wehrhafte Demokratie bedeutet, dass die Verfassungsordnung berechtigt ist, sich gegen ihre Gegner zu verteidigen, ohne die Freiheitsrechte des Einzelnen aufzugeben.

2. Niedrige Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung von 24,1 % in Ludwigshafen ist rechtlich unbeachtlich, da das Kommunalwahlrecht kein Beteiligungsquorum kennt.
Aus demokratietheoretischer Sicht zeigt eine so geringe Beteiligung jedoch, dass das Prinzip der Volkssouveränität formal erfüllt, faktisch aber nur schwach realisiert wurde.
Ein erheblicher Teil der Wahlberechtigten blieb ohne Einfluss auf die Zusammensetzung der Exekutive.

3. Verbindung zwischen Wahlbeteiligung und Ausschlussverfahren

Das Ausschlussverfahren gegen Joachim Paul und der damit verbundene Ausschluss einer relevanten Partei aus dem kommunalen Wahlwettbewerb wirkten sich unmittelbar auf den Wahlverlauf aus.
Die AfD konnte keinen eigenen Kandidaten aufstellen; ihre Wähler nahmen nur eingeschränkt an der Wahl teil.
Damit wurde die Chancengleichheit politischer Kräfte im Wahlprozess de facto reduziert, obwohl sie formell gewahrt blieb.

Diese Konstellation verdeutlicht eine strukturelle Spannung:
Das Instrument der wehrhaften Demokratie soll die FDGO sichern, kann aber zugleich Teile der politischen Partizipation einschränken, wenn schon der Verdacht verfassungsfeindlicher Tendenzen genügt, um Kandidaturen auszuschließen.

4. Grenzen der wehrhaften Demokratie

Das Konzept der wehrhaften Demokratie wird in Deutschland durch zwei Normbereiche konkretisiert:

  • Art. 21 Abs. 2 GG (Parteiverbot durch das Bundesverfassungsgericht),

  • Art. 33 Abs. 5 GG (Treuepflicht der Beamten und öffentlich Bediensteten).

Das Verfahren in Ludwigshafen bewegte sich nicht im Rahmen eines Parteiverbots, sondern innerhalb der zweiten Kategorie: der individuellen Treuepflicht.
Es erfolgte keine richterliche Hauptsacheprüfung, sondern lediglich eine summarische Prüfung im Eilverfahren.

Damit beruht der Ausschluss auf einer prognostischen Bewertung durch Verwaltung und Sicherheitsbehörde, nicht auf einer abschließenden gerichtlichen Tatsachenfeststellung.
Ein solches Vorgehen ist rechtlich zulässig, wirft jedoch die Frage auf, ob damit das Ziel der FDGO – die Sicherung freier, offener und chancengleicher demokratischer Prozesse – tatsächlich gestärkt wird.

5. Ergebnis

Das Verfahren zur OB-Wahl in Ludwigshafen erfüllt alle formalen Vorgaben des Kommunalwahlrechts und der Gemeindeordnung.
Die Wahl ist rechtswirksam, und die Anwendung der Verfassungstreueklausel entspricht der bestehenden Rechtsprechung.

Gleichzeitig zeigen sowohl die geringe Wahlbeteiligung als auch der Ausschluss eines Bewerbers aufgrund nachrichtendienstlicher Verdachtsmomente, dass das Konzept der wehrhaften Demokratie in der praktischen Umsetzung kein Garant für eine lebendige freiheitlich-demokratische Grundordnung ist.

Die rechtliche Sicherung der Demokratie ersetzt nicht die gesellschaftliche Legitimation durch aktive Partizipation.
Ein demokratisches Gemeinwesen bleibt nur dann freiheitlich, wenn es nicht nur rechtlich gegen seine Gegner geschützt ist, sondern auch politisch von den Bürgern getragen wird


 

2 Antworten

  1. Jürgen Sandvoss sagt:

    Die Altparteien versuchen mit allen Mitteln, chancenreiche, neue Konkurrenten auszuschließen.
    Die Demokratie in Deutschland ist kaputt.Die Altparteien sind alle extrem korrupt und alle halten gegen die AfD zusammen.
    Dieses eins tolle Deutschland wird im Chaos versinken.

  2. Jochima Datko sagt:

    1) Die repräsentative Demokratie an sich kennt keinen Ausschluss von Kandidaten. Durch den Ausschluss des AfD-Kandidaten war die OB-Wahl keine demokratische Wahl in einer repräsentativen Demokratie.
    2) In vielen Parteiendiktaturen unterbindet man den demokratischen Wettbewerb durch den Ausschluss von Kandidaten. Das ist in Ludwigshafen auch geschehen.
    ++ Joachim Datko – Physiker, Philosoph – Regensburg – AfD-Stammwähler ++

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