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Ehrenamt in der Förderfalle? Was wurde aus der Kleinen Anfrage der CDU/CSU zu NGO’s?

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Ehrenamt in der Förderfalle? Was wurde aus der Kleinen Anfrage der CDU/CSU zu NGO’s?

Ehrenamt

Deutschland gilt traditionell als Land des Ehrenamts. Vom Sportverein über die Freiwillige Feuerwehr bis hin zur Nachbarschaftshilfe engagieren sich Millionen Bürgerinnen und Bürger freiwillig und unentgeltlich für das Gemeinwohl. Doch seit etwa zwei Jahrzehnten verschiebt sich das Gefüge. Während die Gesamtzahl der Engagierten laut Freiwilligensurvey stabil bleibt (ca. 40 %), verändert sich die Art des Engagements grundlegend – auch als Folge staatlicher Förderpolitik.

Ausgangslage:

Allgemeine Entwicklung des Ehrenamts

  1. Stabile Beteiligung mit Differenzierungen
    Die Engagementquoten (laut Freiwilligensurvey) sind insgesamt relativ stabil geblieben:

    • 1999: ca. 34 %

    • 2019: ca. 40 %
      Dabei haben sich die Formen des Engagements, die Tätigkeitsfelder und die Motivation verändert.

  2. Verlagerung der Ehrenamtsbereiche
    Traditionelle Ehrenämter (Feuerwehr, Sportvereine, Kirche) verlieren leicht an Boden. Zuwächse gibt es vor allem bei:

    • Umwelt- und Naturschutz

    • Bildungs- und Integrationsprojekten

    • politisch motiviertem Engagement (z. B. Klimabewegung, NGOs, Demokratieförderung)

    • projektbezogenem Engagement (z. B. Flüchtlingshilfe 2015, Corona-Hilfen)


Staatliche Förderung und ihre Wirkungen

  1. Zunahme von öffentlichen Mitteln
    Seit den 2000er Jahren hat sich die Förderung von zivilgesellschaftlichen Organisationen stark ausgeweitet, insbesondere durch:

    • Bundesprogramme wie „Demokratie leben!“, „Freiwilligendienste“, „Engagierte Stadt“, „Mehrgenerationenhäuser“

    • EU-Mittel, die durch die Nationalebene (BMFSFJ, BMUV, BMZ) verteilt werden

    • Projektfinanzierung für NGOs mit sozial-, umwelt- oder bildungspolitischer Agenda

    • Stiftungsfinanzierungen mit öffentlicher Kofinanzierung (z. B. parteinahe Stiftungen)

  2. Folgen für das Ehrenamt

    • Verschiebung hin zu Hauptamtlichkeit: Viele Organisationen bauen hauptamtliche Strukturen auf, um projektgebundene Fördermittel effizient zu verwalten – oft in Konkurrenz zur ehrenamtlichen Eigenlogik.

    • Verdrängung traditioneller Ehrenämter: In manchen Bereichen entsteht das Gefühl, dass Ehrenamtliche durch „Professionalisierung“ marginalisiert werden.

    • Konzentration der Mittel: Fördermittel konzentrieren sich oft auf große, institutionalisierte Organisationen mit Antragsexpertise – kleine, lokal gewachsene Initiativen geraten ins Hintertreffen.

    • Politisierung des Engagements: Insbesondere im Bereich der Demokratie- und Antidiskriminierungsförderung kommt es zu einer stärkeren politischen Positionierung, was wiederum Konflikte mit traditionell neutralen oder unpolitischen Ehrenamtsstrukturen erzeugen kann.


Ehrenamt vs. Fördermittel-Apparate – ein Spannungsfeld

  1. Bürokratisierung
    Das ehrenamtliche Engagement gerät zunehmend unter Druck durch Dokumentationspflichten, Förderbedingungen und Berichtspflichten. Dies kann abschreckend wirken, vor allem für ältere oder wenig digital-affine Engagierte.

  2. Verhältnis Haupt- zu Ehrenamt
    In vielen Organisationen entsteht eine Hierarchie: Hauptamtliche definieren Inhalte, Ehrenamtliche werden zu Ausführenden. Das kann zu Demotivation führen.

  3. Mangel an ideellem Antrieb
    Während klassisches Ehrenamt oft intrinsisch motiviert war, verschiebt sich der Fokus in manchen geförderten Kontexten hin zu arbeitsmarktpolitischen oder projekttechnischen Motiven (z. B. durch Bundesfreiwilligendienst, FSJ, geförderte Integrationslotsen).

 


Wirkung staatlicher Förderung:

Von der Freiwilligkeit zur Förderlogik

Der Staat hat das Ehrenamt für sich entdeckt – als Partner, aber auch als Instrument. Große Bundesprogramme wie „Demokratie leben!“, „Engagierte Stadt“ oder „Freiwilligendienste aller Generationen“ finanzieren mittlerweile Tausende Projekte im sozialen, politischen und ökologischen Bereich. Kommunen, Länder und EU-Programme ergänzen diese Mittel. Dadurch entstehen neue Förderstrukturen – jedoch nicht selten mit unbeabsichtigten Nebenwirkungen.

Denn mit der Finanzierung wachsen auch die Anforderungen: Projektanträge, Evaluationen, Wirkungsnachweise, Berichtspflichten. Was einst aus Eigeninitiative entstand, muss heute förderrechtlich dokumentiert werden. Was aus dem Inneren einer Gemeinschaft wuchs, unterliegt heute oft Drittmittel-Logiken – und orientiert sich stärker an den Erwartungen von Ministerien als an den Bedürfnissen der Bürger.

Hauptamtliche Apparate statt selbstorganisierter Hilfe

In zahlreichen geförderten NGOs entstehen professionelle Verwaltungsapparate – nicht selten mit höheren Personalkosten als dem eigentlichen Projektvolumen. Ehrenamtliche sehen sich in diesen Strukturen zunehmend als bloße Ausführende. Ihre Selbstbestimmung, ihr Gestaltungswille und oft auch ihre Sprachfähigkeit innerhalb der Organisation schwinden. Besonders kritisch ist dies dort, wo politische oder weltanschauliche Ziele mit Steuergeldern verfolgt werden – etwa bei bestimmten Demokratieprojekten, Klima-NGOs oder migrationspolitischen Initiativen.

Hinzu kommt: Wer professionelle Antragsschreiber beschäftigt, bekommt eher den Zuschlag. Kleine, lokal gewachsene Initiativen – etwa ein generationsübergreifender Nachbarschaftstreff oder ein örtlicher Naturschutzbund – geraten ins Hintertreffen. Es droht eine Zweiklassengesellschaft: finanzierte NGOs mit Verwaltungsexpertise auf der einen Seite, und die klassische Ehrenamtsträgerin mit Thermoskanne auf der anderen.

Engagement unter Vorbehalt?

Auch die inhaltliche Unabhängigkeit des Ehrenamts steht zur Debatte. Wer sich in staatlich geförderten Programmen engagiert, steht unter Beobachtung – auch ideologisch. Die Freiheit, unliebsame Meinungen zu äußern, Kritik an Behörden zu üben oder querzudenken, wird durch Förderbedingungen begrenzt. Der Zwang zur „Demokratiekonformität“ kann paradoxerweise genau jenes kritische Engagement unterbinden, das Demokratie eigentlich lebendig macht.

 


Was wurde aus der Kleinen Anfrage der CDU/CSU im Februar 2025 zu NGO’s?

Im Februar 2025, unmittelbar nach der Bundestagswahl, sorgte eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit 551 Einzelfragen für Aufsehen. Unter dem Titel „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ hinterfragte die Union die Förderung zahlreicher zivilgesellschaftlicher Akteure – vor allem politisch aktive NGOs, die sich öffentlich links der Mitte positionieren. Hintergrund waren Proteste gegen CDU/CSU-Politiker Ende Januar 2025, die teilweise von gemeinnützigen, staatlich geförderten Vereinen unterstützt wurden. Die Union unterstellte hier eine unzulässige Wahlkampfeinmischung und stellte die Gemeinnützigkeit dieser Organisationen infrage. Besonders im Visier standen politisch engagierte Vereine wie Omas gegen Rechts, die über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ Fördermittel erhielten, sowie NGOs mit angeblich einseitiger Agenda (z.B. Correctiv, Amadeu-Antonio-Stiftung). Die Anfrage verlangte Auskunft über Finanzierung, personelle Verbindungen und Aktivitäten dieser NGOs. Kritiker warfen der Union vor, die Zivilgesellschaft mit diesem Fragenkatalog an den Pranger zu stellen. Tatsächlich formierte sich breiter Protest: Innerhalb weniger Tage unterzeichneten über 1700 Wissenschaftler:innen einen offenen Brief gegen die Anfrage, und zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen – von Campact bis Attac – werteten die Aktion als politischen Einschüchterungsversuch.

Antwort der Bundesregierung und erste Konsequenzen

Die geschäftsführende Bundesregierung (Stand März 2025 noch SPD/Grüne/FDP) reagierte am 12. März 2025 mit einer ausführlichen Antwort, in der sie die Vorwürfe entschieden zurückwies. Sie stellte klar, es gebe keine Anhaltspunkte für die Behauptung, geförderte NGOs bildeten eine “Schattenstruktur” oder würden gegen die demokratische Grundordnung verstoßen. Zudem betonte das Kabinett, es sei nicht Aufgabe der Bundesregierung, umfassende Informationen über die Aktivitäten und Kontakte unabhängiger Organisationen zu sammeln oder diese zu überwachen. Entsprechend fiel die Antwort auf viele Detailfragen der Union lapidar aus: “Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.”. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann unterstrich ausdrücklich die Unterstützung der Regierung für das zivilgesellschaftliche Engagement: Dieses sei entscheidend für ein vielfältiges, demokratisches Miteinander und für die Prävention von Radikalisierung und Extremismus.

Eine unmittelbare Sanktion oder strukturelle Änderung folgte aus der Anfrage nicht. Keine der angefragten NGOs wurde etwa finanziell beschnitten oder ihrer Gemeinnützigkeit enthoben – im Gegenteil, die Regierung stellte sich demonstrativ vor die geförderten Vereine. Sie verwies darauf, dass gemeinnützige Organisationen sich selbstverständlich politisch – im Sinne ihres Satzungszwecks – äußern dürfen, solange sie nicht parteipolitisch agieren. In der politischen Debatte isolierte die Union sich mit ihrer Aktion: Vertreter aller anderen Bundestagsparteien sowie Fachleute für Demokratieförderung kritisierten das Vorgehen scharf. Selbst die Bundesregierung deutete an, dass ein Großteil der 551 Fragen am parlamentarischen Fragerecht vorbeigehe, da sie sich weniger auf Regierungsbelange als auf die internen Angelegenheiten der NGOs richteten. Somit blieb die Anfrage politisch ohne konkrete Folgen – außer der Signalwirkung, dass die kommende Opposition (CDU/CSU) das Thema NGO-Förderung kritisch beobachtet.

Debatte um Gemeinnützigkeitsrecht und Demokratiefördergesetz

Parallel zur Anfrage rückte die grundsätzliche Frage in den Fokus, wie politisches Engagement von gemeinnützigen Vereinen rechtlich geregelt sein sollte. Die vorherige Ampel-Regierung hatte ursprünglich eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts und ein Demokratiefördergesetz angestrebt. Ein entsprechender Gesetzentwurf („Gesetz zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung…“) wurde im März 2023 im Bundestag in erster Lesung beraten. Dieses Gesetz sollte Projekte zur Stärkung der Demokratie dauerhaft fördern und Rechtssicherheit schaffen, damit gemeinnützige Organisationen sich innerhalb ihrer Zwecke politisch betätigen dürfen, ohne ihre Steuerbegünstigung zu riskieren. Allerdings geriet das Vorhaben ins Stocken – vor allem aufgrund von Forderungen der FDP (und Zustimmung der Union) nach zusätzlichen Auflagen wie einer „Extremismusklausel“. Bis zum Ende der Ampel-Koalition 2024 wurde das Demokratiefördergesetz nicht verabschiedet. Ebenso scheiterte die im Koalitionsvertrag 2021 vereinbarte Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts: Die geplante Klarstellung, dass politisches Einmischen im Rahmen gemeinnütziger Zwecke zulässig ist, landete Ende 2024 im “parlamentarischen Mülleimer”. Mit Verabschiedung des Jahressteuergesetzes ohne diese Änderungen blieb die Rechtslage unverändert. Das bedeutet, die strikte BFH-Rechtsprechung (z.B. im Fall Attac) gilt fort – politisch engagierte Vereine bewegen sich weiterhin in einem Graubereich. Zwar hatte die Ampel-Regierung die Reform bis zuletzt in Aussicht gestellt, doch fehlte eine parlamentarische Mehrheit dafür. Hier zeigte sich bereits, dass eine konservative Blockadehaltung gegenüber erweiterten NGO-Rechten bestand. Konkrete Konsequenzen aus der Anfrage ergaben sich insoweit, dass die politische Frontstellung geschärft wurde: Die Union machte deutlich, dass sie einer großzügigeren Förderung politisch aktiver NGOs skeptisch gegenübersteht, während SPD und Grüne deren Arbeit als schützenswert hervorhoben.

Neue Bundesregierung 2025: Kurswechsel bei der NGO-Förderung?

Nach der Bundestagswahl 2025 bildeten CDU/CSU und SPD eine Große Koalition. Im Koalitionsvertrag 2025 bekennt sich diese neue Bundesregierung zwar zur Bedeutung der Zivilgesellschaft, nimmt aber auch Anpassungen an der Förderpraxis vor. Positiv hervorzuheben ist: Das seit 2015 bestehende Bundesprogramm „Demokratie leben!“ – das zentrale Förderinstrument für politisch engagierte NGOs in den Bereichen Demokratieförderung, Extremismusprävention und politischer Bildung – wird weitergeführt. Wörtlich heißt es, man müsse „verstärkt in die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie investieren“ und unterstreiche die Bedeutung gemeinnütziger Organisationen und engagierter Vereine als zentrale Säulen der Gesellschaft. Damit erteilte die Koalition Überlegungen eine Absage, die Förderung politisch missliebiger Vereine komplett zu streichen. Auch eine pauschale Kürzung der Mittel ist nicht vorgesehen – im Gegenteil, Investitionen in die Demokratieförderung sollen eher verstärkt werden. Dieser Kurs ist insofern bemerkenswert, als CDU-Politiker im Wahlkampf 2025 noch laut über ein Ende staatlicher „Millionenzuschüsse“ für linke NGOs nachgedacht hatten. Die Verhandlungsergebnisse zeigen jedoch den Einfluss der SPD: Das Programm „Demokratie leben!“ bleibt im Familienministerium angesiedelt (und wurde nicht ins Innenressort verlagert, wie zeitweise von der Union gefordert). Somit dürfte die Förderung inhaltlich breit aufgestellt bleiben – sie richtet sich weiterhin gegen alle Formen von Extremismus (Rechtsextremismus, Islamismus, Antisemitismus etc.) und fördert demokratische Teilhabe.

Gleichzeitig hat die neue Regierung einige Neuerungen und Auflagen vorgesehen. So kündigt der Koalitionsvertrag eine unabhängige Überprüfung des Programms „Demokratie leben!“ hinsichtlich Zielerreichung und Wirkung an. Auf Basis dieser Evaluation will man „weitere Maßnahmen für rechtssichere […] Arbeit gegen Extremismus und Menschenfeindlichkeit“ prüfen. Konkret soll auch sichergestellt werden, dass geförderte Projekte verfassungstreu sind. Diese Passage deutet faktisch auf eine Rückkehr zur umstrittenen „Extremismusklausel“ hin, wonach Empfänger staatlicher Fördermittel eine Loyalität zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bestätigen müssen. Zwar wird eine solche Klausel nicht explizit genannt, doch die Verpflichtung zur Verfassungstreue dürfte in der Praxis genau darauf hinauslaufen. Aus Sicht vieler zivilgesellschaftlicher Akteure signalisiert dies einen Klimawandel: Vertrauen wird durch Kontrolle ersetzt. Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, lobte zwar, dass Union und SPD sich formell zu „Demokratie leben!“ bekennen und jede Kooperation mit Rechtsextremen ausschließen. Gleichzeitig kritisierte er jedoch die angekündigte Überprüfung und betonte, dass scheinbar harmlose Begriffe wie “rechtssichere Arbeit” und “Verfassungstreue” politisch genutzt werden könnten, um engagierten Trägern Steine in den Weg zu legen. Wer Demokratieförderung mit Misstrauen statt Rückendeckung begegne, „schwächt jene, die tagtäglich unsere Demokratie gegen Nazis, Rassisten und Antisemiten verteidigen“, so Reinfrank warnend. Ähnlich äußern sich weitere Akteure: Zwar wird das deutliche Bekenntnis zur Zivilgesellschaft begrüßt, doch bleibt abzuwarten, wie die angekündigte Prüfung umgesetzt wird und ob daraus Einschränkungen für bestimmte (insbesondere linksgerichtete) NGOs erwachsen.

Unterm Strich zeichnet sich jedoch kein radikaler Kurswechsel ab, sondern eher eine justierte Förderpolitik: Die neue Regierung will die politische Förderung von NGOs fortführen, erkennt ihren Wert für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt an, setzt aber auf mehr Kontrolle und Neutralitätsauflagen. Gesetzgeberisch sind aktuell keine neuen Gesetze oder tiefgreifenden Reformen geplant, welche die Gemeinnützigkeitsregeln grundlegend ändern würden – insbesondere die von der Ampel angestrebte Klarstellung zum politischen Engagement wurde im neuen Bündnis nicht konsensfähig vereinbart. Stattdessen erfolgen die Anpassungen eher auf Verwaltungs- und Programmebene: durch Evaluierungen, Auflagen im Zuwendungsrecht und möglicherweise strengere Prüfung der geförderten Projekte. Erste Haushaltsentscheidungen der Koalition (etwa im Bundeshaushalt 2026) werden zeigen, ob finanzielle Umschichtungen stattfinden. Beobachter erwarten, dass Projekte gegen Rechtsextremismus weiterhin gefördert bleiben, jedoch eventuell stärker darauf geachtet wird, keine Organisation zu unterstützen, der eine parteipolitische Schlagseite nachgesagt werden könnte. Die Förderung politisch aktiver NGOs – von Bildungsinitiativen über antifaschistische Vereine bis zu pro-demokratischen Bündnissen – bleibt also bestehen, steht aber künftig unter einem verstärkten Neutralitätsvorbehalt. Insgesamt lassen sich als Konsequenz der Anfrage und des Regierungswechsels folgende Tendenzen festhalten:

  • Keine unmittelbaren Einschnitte, aber ein Ende der Reformdynamik: Die große Anfrage führte nicht zu akuten Förderstopps, doch die geplante Ausweitung des Handlungsspielraums von NGOs (Demokratiefördergesetz, Gemeinnützigkeitsreform) wurde vorerst zu den Akten gelegt.

  • Weiterführung der Programme: Zivilgesellschaftliche Projekte werden weiterhin mit Bundesmitteln unterstützt, insbesondere über „Demokratie leben!“, dessen Etat zuletzt kontinuierlich gewachsen war. Das neue Kabinett stellt außer Frage, dass dieser Bereich wichtig bleibt.

  • Erhöhte Aufsicht und Transparenz: Künftig soll genauer hingeschaut werden, wie geförderte NGOs agieren. Eine unabhängige Evaluationsstudie soll Wirksamkeit und Zieltreue überprüfen. Zudem wird von den Trägern verlangt, die Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung strikt einzuhalten – faktisch eine Präventivmaßnahme gegen etwaige extremistische Tendenzen.

  • Keine Förderung von „Parteipolitik“: Die Regierung betont weiterhin das Gebot der parteipolitischen Neutralität für gemeinnützige Organisationen. Sollte eine NGO direkt Wahlkampf für oder gegen eine Partei betreiben, würde dies ihren Förderstatus gefährden. Hier gibt es jedoch keine neuen gesetzlichen Definitionen, man bleibt im Rahmen der bestehenden Abgabenordnung (§52 AO) und ihrer Auslegung.

  • Fortgesetzte politische Debatte: Das Thema bleibt politisch brisant. CDU/CSU haben signalisiert, auch aus der Regierung heraus ein Auge auf mögliche „politische Schieflagen“ bei der Mittelvergabe zu haben. Demgegenüber mahnen SPD und zivilgesellschaftliche Akteure, die Unabhängigkeit und Vielfalt der NGOs nicht zu beschneiden, da diese ein Fundament der wehrhaften Demokratie seien. In der Praxis wird die Zusammenarbeit von Bund und NGOs daher einer Balanceakte gleichen: Förderung ja – aber mit Nachdruck auf Transparenz, Mäßigung und Verfassungstreue.

Fazit

Konkrete legislative Konsequenzen im engen Sinne hat die CDU/CSU-Anfrage vom Februar 2025 zunächst nicht gezeitigt – kein Gesetz wurde direkt aufgrund dieser Debatte geändert. Allerdings fiel die geplante Liberalisierung zugunsten politisch engagierter NGOs dem Regierungswechsel zum Opfer. Die neue Bundesregierung ab 2025 hat klar gemacht, dass sie zwar an der Förderung politisch aktiver zivilgesellschaftlicher Gruppen festhält, diese Förderung aber stärker regulieren und überprüfen will. Politisch aktive NGOs – etwa Initiativen für demokratische Bildung, gegen Rechtsextremismus oder für Menschenrechte – können weiterhin mit staatlicher Unterstützung rechnen, müssen sich aber auf ein Umfeld einstellen, in dem ihre Arbeit häufiger auf Neutralität und Rechtskonformität abgeklopft wird. Offizielle Verlautbarungen und Dokumente wie die Regierungsantwort auf die Kleine Anfrage oder der Koalitionsvertrag 2025 zeigen diesen zweigleisigen Ansatz deutlich: einerseits Wertschätzung und finanzielle Unterstützung für die Zivilgesellschaft, andererseits eine deutliche Erwartung von politischer Mäßigung und Verfassungstreue. In Regierungserklärungen wird betont, dass die Demokratie auf ein lebendiges zivilgesellschaftliches Engagement angewiesen ist – zugleich soll der Staatsanteil an diesem Engagement transparent und neutralitätswahrend gestaltet werden. Konkrete Umsetzungen dieser Linie (zum Beispiel neue Förderrichtlinien, Berichtspflichten oder Prüfgremien) werden sich in den kommenden Monaten entfalten. Die Analyse aller vorliegenden Hinweise deutet darauf hin, dass es keine drastischen Einschnitte, aber wohl feinjustierte Reformen geben wird: mehr Monitoring, eventuell eine formalisierte Selbstverpflichtung der geförderten NGOs zur demokratischen Grundordnung (ähnlich früheren “Demokratie-Erklärungen”) und eine Evaluierung der Förderprogramme. Damit reagiert die Politik auf die kontroverse Diskussion, ohne die förderpolitische Infrastruktur für NGOs fundamental zu verändern. Die Förderlandschaft für politisch aktive NGOs in Deutschland bleibt im Kern intakt, erfährt jedoch eine neue Akzentuierung zwischen Förderung und Aufsicht, die sich direkt auf die Arbeit dieser Organisationen auswirken dürfte.

 


Links zu diesem Thema:

DLRG: Lebensrettung im Ehrenamt – mit Mitgliedsbeiträgen und Spenden

Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen: Ein Überblick

Finanzierung von NGOs – Teil 2: Politische Neutralität im Fokus

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