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Klimaklage aus Peru – Zurückweisung der Berufung II

Arbeitsrecht – Erbrecht - Kommunalrecht

Klimaklage aus Peru – Zurückweisung der Berufung II

CO2 aus fossilen Energie

Klimaklage aus Peru: Eine Analyse der Rechtslage

 

Einordnung des Verfahrens OLG Hamm – Az. 5 U 15/17


I. Sachverhalt und Verfahrensgang

Der Kläger, ein peruanischer Landwirt aus der Andenregion, hatte gegen den Energiekonzern RWE geklagt. Er verlangte, dass sich das Unternehmen – als einer der größten CO₂-Emittenten Europas – anteilig an möglichen zukünftigen Schutzmaßnahmen gegen die Bedrohung durch einen Gletschersee in seiner Heimat beteiligt. Der Kläger stützte sich dabei auf einen möglichen präventiven Abwehranspruch analog § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Eigentumsrecht gemäß Art. 14 GG und dem allgemeinen Deliktsrecht.

In erster Instanz hatte das Landgericht Essen die Klage abgewiesen. In der Berufung vor dem Oberlandesgericht Hamm wurden umfangreiche Beweiserhebungen durchgeführt – u.a.:

  • eine mehrtägige Ortsbesichtigung in Peru (Mai 2022),

  • und eine zweitägige Sachverständigenanhörung in Hamm (März 2025).

Am 30. Mai 2025 entschied das Oberlandesgericht Hamm, dass die Berufung des Klägers zurückgewiesen wird. Die Entscheidung ist rechtskräftig, da eine Revision nicht zugelassen wurde.


II. Juristische Bewertung des Urteils

1. Zulässigkeit und grundsätzliche Reichweite des § 1004 BGB im Klimakontext

Das Gericht bestätigt im Grundsatz die abstrakte Möglichkeit eines präventiven zivilrechtlichen Unterlassungs- oder Kostentragungsanspruchs gegen Großemittenten von Treibhausgasen. Dabei erkennt das OLG Hamm an, dass:

  • CO₂-Emissionen als mittelbare Beeinträchtigungen des Eigentums in Betracht kommen können (§ 1004 BGB analog),

  • und dass eine Haftung nicht an der globalen Ferne zwischen Verursachung (Deutschland) und Eintrittsort der Gefahr (Peru) scheitern muss.

Zugleich stellte das Gericht klar, dass Privatpersonen nicht haftbar gemacht werden können, da ihre individuellen Emissionsbeiträge zu geringfügig seien, um eine rechtlich relevante Verursachung zu begründen. Ebenso wurde der Versorgungsauftrag von RWE nach deutschem Recht nicht als Rechtfertigung anerkannt, Eingriffe in Eigentumsrechte im Ausland zu dulden.

Diese Aussagen markieren eine juristisch bedeutsame Klarstellung im Spannungsfeld zwischen Klimawandel, globaler Kausalität und individueller zivilrechtlicher Verantwortlichkeit.

2. Zur Kausalitätsprüfung und zur konkreten Gefahrenlage

Entscheidend für die Abweisung der Berufung war jedoch die tatsächliche Beurteilung der Gefahrenlage am Grundstück des Klägers. Das Gericht stellte auf folgende Punkte ab:

  • Die Eintrittswahrscheinlichkeit einer flutbedingten Schädigung des klägerischen Hauses innerhalb der nächsten 30 Jahre liege unter einem Prozent.

  • Selbst wenn es zu einer Flut käme, sei die physische Wirkung auf das Haus vernachlässigbar (geringe Wasserhöhe, geringe Strömungsgeschwindigkeit).

  • Die vom Kläger vorgebrachte Kritik an den Berechnungsannahmen des Sachverständigen wurde vom Gericht nicht geteilt. Die angewandte Methodik wurde als sachgerecht anerkannt.

Das Gericht betonte zudem, dass selbst bei konservativen Annahmen (zugunsten des Klägers), wie:

  • einer niedriger angesetzten Schutzbarriere,

  • einem ungehinderten Wellenverlauf,

  • und ohne Berücksichtigung administrativer Maßnahmen zur Senkung des Seepegels,
    das Risiko weiterhin unterhalb der Rechtserheblichkeitsschwelle verbleibe.

Ein zusätzlicher „Klimafaktor“ zur Erhöhung der Eintrittswahrscheinlichkeit wurde verworfen, da er nicht auf konkreten lokalen Bedingungen, sondern auf global-statistischen Prognosen beruhe.


III. Bedeutung der Entscheidung

  1. Zivilrechtliche Klimahaftung bleibt grundsätzlich denkbar
    Das Urteil lässt ausdrücklich offen, ob Großemittenten unter bestimmten Voraussetzungen zur anteiligen Kompensation herangezogen werden könnten. Es bejaht grundsätzlich die Übertragbarkeit von delikts- und eigentumsschutzrechtlichen Normen auf klimabezogene Eingriffe.

  2. Aber: Es ist eine konkrete, erhebliche Gefahr notwendig
    Die Rechtsprechung des OLG Hamm stellt jedoch klar, dass ein bloß abstraktes Risiko – auch im Kontext des Klimawandels – nicht genügt, um einen zivilrechtlichen Anspruch zu begründen. Eine greifbare, individuell zurechenbare und konkrete Beeinträchtigung ist erforderlich.

  3. Juristische Weichenstellung im transnationalen Klimaschutzrecht
    Das Urteil ist in der internationalen Klimaklagepraxis bedeutsam, da es erstmals in Deutschland eine zivilrechtliche Klage eines ausländischen Betroffenen gegen einen deutschen Emittenten mit einer substanziellen juristischen Auseinandersetzung würdigt.


IV. Veröffentlichungsstand

Das anonymisierte Urteil des OLG Hamm sowie das erstinstanzliche Urteil des LG Essen werden zeitnah in der Rechtsprechungsdatenbank www.nrwe.de publiziert.

Aktenzeichen: 5 U 15/17 – OLG Hamm
Letzte Instanzliche Entscheidung: 30. Mai 2025 (rechtskräftig)

 

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