GO-SH: Abwahl eines Bürgermeisters – Teil 1

Verwaltungsgericht Schleswig:
Bürgermeister Gernot Kaser erreicht keine Verschiebung des Wahltermins am 9. Juni 2024
Aus der Pressemitteilung des VG:
Bürgermeister Gernot Kaser unterlag heute in einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht (6 B 9/24) gegen die Stadt Wedel und die Stadtvertretung.
In dem Verfahren begehrte der Antragsteller die Verschiebung des für den 9. Juni 2024 angesetzten Wahlgangs der Stadt Wedel, bei welchem über seine Abwahl als Bürgermeister entschieden werden soll. Darüber hinaus begehrte er insbesondere die Einräumung einer Stellungnahmemöglichkeit auf der Plattform der Fraktionen der Stadt Wedel.
Der Antragsteller ist der Auffassung, dass das gesamte Wahlverfahren gegen die Wahlgrundsätze der Gemeindeordnung verstoße. Es lägen konkrete Anhaltspunkte für eine Verletzung des Sachlichkeitsgebotes und der Beeinträchtigung der freien Willensbildung der Wahlberechtigten durch eine öffentliche Stimmungsmache mit einem Disziplinarverfahren und Strafanzeigen wegen Untreue vor.
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass eine Verschiebung des Wahltermins wegen eines Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu erreichen sei. Im Wahlrecht herrsche der Grundsatz, dass Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren bezögen, regelmäßig allein mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen im nachträglichen Wahlprüfungsverfahren angefochten werden könnten. Einen offensichtlichen Rechtsbruch der Stadt Wedel, der ausnahmsweise im einstweiligen Rechtsschutz geltend gemacht werden könne, konnten die Richter nicht erkennen.
Die Richter entschieden ferner, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf die Einräumung einer Stellungnahmemöglichkeit auf der Plattform der Fraktionen der Stadt Wedel habe. Die Vorschrift der Gemeindeordnung, nach der die Gemeinde die Bürgerinnen und Bürger bei der Abwahl des Bürgermeisters über ihre Standpunkte und Begründungen informieren müsse, sehe keine entsprechende Stellungnahmemöglichkeit für den Bürgermeister selber vor. Eine solche sei auch nicht erforderlich, weil der Antragsteller auf den kommunalen Meinungsbildungsprozess in der hiesigen offenen Gesellschaft mit ihren zahlreichen Informations- und Äußerungsmöglichkeiten in vielfältiger Art und Weise Einfluss nehmen könne. So habe sich der Antragsteller auch bereits in der Presse, den sozialen Medien und auf seiner eigenen Homepage mehrfach zu verschiedenen Themen und Vorwürfen umfassend geäußert.
Was war beantragt worden?
Beantragt wurde die Sicherstellung der Wahlgrundsätze:
- Die Wahl muss allgemein sein.
- Die Wahl muss unmittelbar sein.
- Die Wahl muss frei sein.
- Die Wahl muss gleich sein.
- Die Wahl muss geheim erfolgen.
Beantragt wurde eine Verschiebung des Abwahlverfahrens, bis im Innenministerium eine Entscheidung zum laufenden Diszplinarverfahren getroffen worden wäre, sowie die Staatsanwaltschaft sich abschließend zu den Strafanzeigen gegen Bürgermeister Kaser – eine durch den 3. stellv. Bürgermeister der Stadt Wedel – geäußert hätte.
D.h. es ging nur um eine Verschiebung des Abwahlverfahren auf den Zeitpunkt, zu dem die wahlberechtigten Bürger valide Informationen zu den Gründen für das Abwahlverfahren gehabt hätten.
Bezugnahme auf den Bürgerentscheid
Das Verwaltungsgricht hat seinen Beschluß u.a. damit begründet, daß für die Abwahl eines Bürgermeisters in SH nicht die allgemeinen Wahlgrundsätze geltne würden, sondern das Verfahren für den Bürgerentscheid die wesentliche Grundlage bilden würde.
In § 57d GO-SH steht: Für die Durchführung des Abwahlverfahrens sind die Vorschriften über den Bürgerentscheid sinngemäß anzuwenden.
Dazu hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof, 8. Senat – 02.08.2023 –
Aktenzeichen: 8 A 616/18 festgestellt:
Gemäß § 76 Abs. 4 S. 4 HGO gelten für das Verfahren einer Abwahl einer Bürgermeisterin oder eines Bürgermeisters die Vorschriften der §§ 54 bis 57 des Hessischen Kommunalwahlgesetzes entsprechend. Diese Normen regeln das Verfahren bei einem Bürger- entscheid und verweisen gemäß § 54 KWG auf die für die Wahl der Gemeindevertretung maßgeblichen Vorschriften mit Ausnahme der §§ 25 bis 27 KWG. Indem der hessische Gesetzgeber für das Abwahlverfahren nach § 76 Abs. 4 HGO auf die Vorschriften über den Bürgerentscheid verwiesen hat, hat er unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er die Entscheidung über die Abwahl einer Bürgermeisterin oder eines Bürgermeisters als Bürgerentscheid und somit als Abstimmung im Wege eines kommunalen Plebiszits und nicht als eine Wahlhandlung im wahlrechtlichen Sinne verstanden wissen wollte.
Der Verwaltungsgerichtshof stellt aber weiter fest:
Ist eine Abwahl nach § 76 Abs. 4 HGO demzufolge als Abstimmung zu werten, obliegen Amtsträger einer Kommune im Rahmen eines Abwahlverfahrens auch nicht dem sich aus den Wahlrechtsgrundsätzen der Wahlfreiheit und -gleichheit herleitenden Neutralitätsgebot.
Aus dem ohnehin für die Tätigkeit öffentlicher Verwaltung geltenden Sachlichkeitsgebot folgt die Verpflichtung, dass mitgeteilte Tatsachen zutreffend wiedergegeben werden müssen und Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen und den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten dürfen sowie auf einem im Wesentlichen zutreffenden und zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen müssen.
Diese Grundsätze sind uneingeschränkt auch auf das Abwahlverfahren nach § 76 Abs. 4 HGO anzuwenden.