Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

Themenübersicht
Erbrecht
Reichweite einer Vorsorgevollmacht in Erbengemeinschaft
OLG Brandenburg, Urteil vom 15.10.2024 – U3 149/22
Sachverhalt:
Der Kläger ist Mitglied einer Erbengemeinschaft, die Ansprüche gegen die verstorbene Schwester der Erblasserin geltend macht. Die Schwester, die über eine Vorsorgevollmacht verfügte, hatte kurz vor dem Tod der Erblasserin deren Immobilie verkauft und den Erlös von 150.000 € auf ihr eigenes Konto überwiesen. Der Kläger forderte die Rückführung des Betrags in die Erbengemeinschaft sowie die Rückerstattung weiterer unklarer Transaktionen, darunter 20.000 € und diverse Bargeldabhebungen. Die Beklagte argumentierte, die Erblasserin habe ihr die Beträge geschenkt, was jedoch vom Kläger bestritten wurde. Nach dem Tod der Beklagten wurde der Fall vom Insolvenzverwalter übernommen, der die Forderungen ebenfalls bestritt.
Entscheidung:
Das Gericht entschied zugunsten des Klägers, dass die 150.000 € aus dem Immobilienverkauf zurückzuzahlen sind, da keine Schenkung nachgewiesen wurde. Es wurde klargestellt, dass für eine Schenkung die notarielle Beurkundung erforderlich ist, die hier nicht vorlag. Weitere Rückforderungen über 31.136,41 € wurden bestätigt, da die Verwendung der abgehobenen Gelder nicht nachgewiesen werden konnte. Die Argumente der Beklagtenseite, die Abhebungen seien im Einklang mit der Vorsorgevollmacht erfolgt, wurden aufgrund mangelnder Beweise und Zweifel an der Zuverlässigkeit abgelehnt. Die Berufung des Insolvenzverwalters wurde zurückgewiesen, und die Ansprüche des Klägers wurden in der Insolvenztabelle anerkannt.
Arbeitsrecht
Notwendigkeit eines Präventionsverfahren im Fall der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers
LAG Köln, Urteil vom 12. September 2024 – 6 Slalom 75/24
Sachverhalt:
Der schwerbehinderte Kläger wurde im Januar 2023 als Beschäftigter im Bauhof eingestellt, wobei es sich um sein erstes Arbeitsverhältnis im regulären Arbeitsmarkt handelte. Während der Einarbeitungsphase kam es zu erheblichen Problemen mit der Arbeitsleistung, Teamfähigkeit und Einhaltung von Sicherheitsvorschriften, was durch Vermerke der Vorgesetzten dokumentiert wurde. Nach mehreren Einsatzstationen empfahlen die Vorgesetzten wegen andauernder Konflikte und Sicherheitsbedenken die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis fristgerecht während der Probezeit, ohne zuvor ein Präventionsverfahren gemäß § 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage mit der Begründung, die Kündigung sei diskriminierend und habe behinderungsbedingte Hintergründe.
Entscheidung:
Das Landesarbeitsgericht Köln entschied, dass die Kündigung rechtmäßig ist, da keine ausreichenden Hinweise auf eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung des Klägers vorlagen. Zwar stellt die Nichtdurchführung eines Präventionsverfahrens ein Indiz für eine mögliche Diskriminierung dar, diese Vermutung konnte die Beklagte jedoch widerlegen. Die Arbeitgeberin hatte bei der Kündigung keine Kenntnis über die spezifischen Hintergründe der Schwerbehinderung und konnte nachvollziehbare Gründe für die Kündigung (mangelnde Eignung, Konflikte) darlegen. Das Gericht betonte, dass die Durchführung eines Präventionsverfahrens während der Probezeit zwar grundsätzlich möglich, in der kurzen Frist hier jedoch nicht praktikabel war. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg, die Kündigungsschutzklage wurde abgewiesen, und die Revision wurde zugelassen.
Beamtenrecht
Befristete Berufung von Lehrkräften – Fahrtkosten Werbungskosten?
FG Münster, Urteil vom 2.09.2024 – 15 K 698/22E
Sachverhalt:
Die Kläger, ein Ehepaar und Beamte in Nordrhein-Westfalen, wurden von ihrem Dienstherrn für befristete Zeiträume an eine Ausbildungsstätte in T versetzt, wo sie als Lehrende tätig waren. Die Versetzungen erfolgten zunächst für vier Jahre und wurden mehrfach um zwei Jahre verlängert, wobei ein Konzept der Rotation zur Förderung der Praxisnähe und Personalentwicklung zugrunde lag. In ihrer Einkommensteuererklärung 2020 machten die Kläger Fahrtkosten zu ihrem Dienstort in T als Werbungskosten nach Reisekostengrundsätzen geltend. Das Finanzamt erkannte jedoch lediglich die Entfernungspauschale an, da es die Ausbildungsstätte in T als erste Tätigkeitsstätte der Kläger einstufte. Gegen diese Entscheidung legten die Kläger Einspruch ein und klagten schließlich vor dem Finanzgericht, da sie ihre Tätigkeit in T als befristet und nicht dauerhaft ansahen.
Entscheidung:
Das Finanzgericht entschied zugunsten der Kläger, da die Ausbildungsstätte in T nicht als erste Tätigkeitsstätte anzusehen sei. Die Versetzungen waren nach Ansicht des Gerichts nur befristet und wurden regelmäßig verlängert, ohne dass eine dauerhafte Zuordnung im Sinne von § 9 Abs. 4 EStG vorlag. Die mehrfachen Verlängerungen stellten eine sogenannte Kettenabordnung dar, bei der jeder einzelne Zeitraum unter 48 Monaten lag, was eine dauerhafte Zuordnung ausschließt. Auch die quantitativen Kriterien für eine dauerhafte Zuordnung wurden nicht erfüllt, da eine ex-ante-Betrachtung maßgeblich ist und diese keine dauerhafte Tätigkeit erkennen ließ. Das Gericht verpflichtete das Finanzamt, die tatsächlichen Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten anzuerkennen, und ließ die Revision zu.
Schulrecht
Zulassung zur nächsten Jahrgangsstufe trotzt krankheitsbedingter Versäumnisse
VG München, Beschluss vom 17.10.2024 – M3 E 24.6083
Sachverhalt:
Eine Schülerin der 9. Klasse wurde im Jahreszeugnis mit Bemerkungen in den Fächern Deutsch und Französisch bewertet, da sie krankheitsbedingt keine ausreichenden Leistungsnachweise erbringen konnte. Die Schule entschied, ihr das Vorrücken in die 10. Klasse zu verweigern, weil keine Nachtermine oder Ersatzprüfungen durchgeführt wurden. Die Schülerin machte geltend, dass sie trotz der versäumten Prüfungen die nötigen Leistungen erbracht habe, um die Versetzung zu ermöglichen. Die Eltern beantragten daher bei der Schule die Erlaubnis zum Vorrücken oder alternativ die Möglichkeit, die versäumten Prüfungen nachzuholen. Nachdem die Schule den Antrag ablehnte, stellte die Schülerin einen Antrag auf einstweilige Anordnung, um vorläufig die 10. Klasse besuchen zu dürfen.
Entscheidung:
Das Verwaltungsgericht entschied zugunsten der Schülerin und gewährte ihr den vorläufigen Besuch der 10. Klasse. Es stellte fest, dass die Bemerkungen im Zeugnis und die Entscheidung der Schule zum Nichtvorrücken rechtswidrig seien, da keine Nachtermine oder Ersatzprüfungen angeboten wurden, wie es die Schulordnung verlangt. Die Schule hätte ihre Pflicht zur Erhebung von Leistungsnachweisen erfüllen müssen, bevor sie die Bemerkungen gemäß § 39 Abs. 6 GSO einträgt. Selbst bei der schlechtesten Bewertung der nachzuholenden Prüfungen würde die Schülerin die Versetzung in die nächste Jahrgangsstufe voraussichtlich schaffen. Das Gericht verpflichtete die Schule, zeitnah Ersatzprüfungen anzusetzen und anschließend über die Versetzung erneut zu entscheiden.
News diese Woche
BGH: Gartenmärkte in NRW dürfen jeden Tag Christbaumschmuck verkaufen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Gartencenter in Nordrhein-Westfalen sonntags neben Blumen und Pflanzen auch Weihnachtsdekoration verkaufen dürfen, da diese Produkte als zulässiges Randsortiment gelten. Weihnachtsartikel wie künstliche Tannenzweige, Zimtstangen oder Christbaumkugeln ergänzen laut Gericht das Hauptsortiment und dürfen daher nach dem Ladenöffnungsgesetz NRW auch an Sonn- und Feiertagen verkauft werden. Die Klage der Wettbewerbszentrale, die den Verkauf als unlauteren Wettbewerb ansah, wurde vom BGH endgültig abgewiesen. Die Entscheidung basiert auf der Regelung, dass Läden mit Kernsortimenten wie Blumen auch ein begrenztes Randsortiment anbieten dürfen, unabhängig davon, ob die Waren auch anderweitig genutzt werden können. Das Urteil betrifft zwar nur Nordrhein-Westfalen, könnte aber Signalwirkung für andere Bundesländer mit ähnlichen Regelungen haben.