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Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

Arbeitsrecht – Erbrecht - Schulrecht

Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

Kiel - Ostsee Newsletter

Liebe Leser, 

heute erwartet Sie eine spannende Reise durch aktuelle rechtliche Entscheidungen:

Im Erbrecht bestätigte das OLG Brandenburg die Testierfähigkeit eines Erblassers trotz manisch-depressiver Störung und Alkoholmissbrauchs. Im Arbeitsrecht entschied das LAG Schleswig-Holstein, dass ein freigestellter Arbeitnehmer keinen Anspruch auf zusätzliche Urlaubsabgeltung hat, wenn der Urlaub bereits gewährt wurde. Polizeidienstunfähigkeit stand im Fokus des VG München, das die Entscheidung eines Polizeipräsidiums bestätigte, eine Beamtin mit Bandscheibenprothese als dienstunfähig einzustufen. Im Schulrecht lehnte das OVG Münster den Nachteilsausgleich für einen Schüler mit Legasthenie ab, weil die Atteste die spezifischen Auswirkungen der Legasthenie nicht ausreichend darlegten. Zudem hat der BGH klargestellt, dass Versicherte Reparaturrechnungen kritisch prüfen müssen, bevor sie diese an die Versicherung weiterleiten. Viel Vergnügen bei der Lektüre und bleiben Sie informiert! 

Erbrecht

Testierfähigkeit im Erbscheinsverfahren 

OLG Brandenburg 19.03.2024 – 3 W 28/24 

 

Sachverhalt: 

In einem Erbscheinsverfahren stritten die Beteiligten über die Testierfähigkeit des Erblassers, der ein handschriftliches Testament verfasst hatte. Der Erblasser, der unter einer manisch-depressiven Störung und Alkoholmissbrauch litt, hatte seine Ziehtochter zur Alleinerbin bestimmt. Die Schwester des Erblassers stellte die Testierfähigkeit in Frage und argumentierte, dass die psychischen Erkrankungen des Erblassers seine Fähigkeit zur Erstellung eines gültigen Testaments beeinträchtigt hätten. Ein Sachverständigengutachten wurde eingeholt, welches die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestätigte. Das Amtsgericht Potsdam entschied zugunsten der Testierfähigkeit des Erblassers, woraufhin die Schwester Beschwerde einlegte. 

 
Entscheidung: 

Das OLG Brandenburg bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und wies die Beschwerde der Schwester zurück. Es stellte fest, dass die psychischen Erkrankungen des Erblassers, insbesondere seine manisch-depressive Störung und der Alkoholmissbrauch, nicht ausreichten, um seine Testierfähigkeit auszuschließen. Das Gutachten der Sachverständigen ergab, dass der Erblasser trotz seiner Erkrankungen in der Lage war, die Bedeutung seiner Willenserklärung zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln. Die Alkoholsucht des Erblassers führte nicht zwangsläufig zu einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, die seine Testierfähigkeit beeinträchtigt hätte. Eine weitere Beweisaufnahme war nicht erforderlich, da die vorhandenen Unterlagen und das Gutachten ausreichend waren, um die Testierfähigkeit des Erblassers zu bestätigen. 

Arbeitsrecht

Urlaubsgewährung während Freistellung 

LAG Schleswig-Holstein, 26.03.2024 – 1 Sa 168/23    

Sachverhalt: 
 

Ein Arbeitnehmer kündigte sein Arbeitsverhältnis und wurde von seinem Arbeitgeber bis zum Ende der Kündigungsfrist unwiderruflich freigestellt, wobei ihm überlassen wurde, seinen Resturlaub und Freizeitausgleich selbst festzulegen. Der Arbeitnehmer informierte den Arbeitgeber, dass er vom 13. Februar bis 14. März 2023 Urlaub nehmen würde. Während der Freistellungsphase wurde der Arbeitnehmer vom 1. bis 16. Juni 2023 arbeitsunfähig krank. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Arbeitnehmer die Abgeltung von 12 Urlaubstagen, die er aufgrund seiner Krankheit nicht nehmen konnte. Der Arbeitgeber argumentierte, dass der Urlaub bereits vollständig gewährt wurde und die Freistellung ab dem 1. Mai 2023 auch den Urlaubsanspruch abdeckte. 

 

Entscheidung: 
 

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschied, dass dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung zusteht, da der Urlaub bereits während der Freistellungsphase gewährt wurde. Es wurde festgestellt, dass der Arbeitnehmer das Recht hatte, die zeitliche Lage seines Urlaubs selbst festzulegen und er von diesem Recht Gebrauch gemacht hatte. Der Urlaub vom 13. Februar bis 14. März 2023 wurde als vollständig genommen betrachtet, und somit waren die Urlaubsansprüche erfüllt. Die E-Mail des Arbeitnehmers, in der er seinen Urlaub angekündigt hatte, wurde als verbindliche Festlegung interpretiert. Die nachträgliche Freistellungserklärung des Arbeitgebers vom 24. April 2023 änderte nichts daran, dass der Urlaub bereits gewährt war. 

Beamtenrecht

Zur Polizeidienstunfähigkeit und polizeiärztliche Begutachtung 

VG München, 13.03.2024 – M 5 K 23.4733  

 

Sachverhalt: 
Eine Polizeivollzugsbeamtin erhielt operativ eine Bandscheibenprothese und wurde anschließend von der Polizeiärztin als polizeidienstunfähig eingestuft. Die Ärztin argumentierte, dass trotz eines guten Ausheilungsergebnisses eine irreversible Problematik bestünde, die die Beamtin bei körperlichen Auseinandersetzungen einem erhöhten Verletzungsrisiko aussetzt. Die Beamtin legte mehrere ärztliche Atteste vor, die ihre Beschwerdefreiheit und Einsatzfähigkeit im Außendienst bestätigten. Das Polizeipräsidium erklärte sie jedoch im September 2023 offiziell für polizeidienstunfähig. Die Beamtin klagte gegen diese Entscheidung, unterstützte durch weitere ärztliche Gutachten, die ihre Dienstfähigkeit bestätigten. 

 

Entscheidung: 
Das Verwaltungsgericht München wies die Klage der Beamtin ab und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Polizeipräsidiums. Das Gericht stützte sich auf die Einschätzung der Polizeiärztin, die eine erhöhte Verletzungsgefahr durch das Bandscheibenimplantat bei polizeilichen Einsätzen sah. Es wurde hervorgehoben, dass die spezifischen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes besondere gesundheitliche Anforderungen erfordern, die bei der Klägerin nicht mehr gegeben seien. Die von der Beamtin vorgelegten ärztlichen Atteste wurden als nicht ausreichend erachtet, da sie die besonderen Risiken im Polizeidienst nicht berücksichtigten. Zudem sah das Gericht keinen Bedarf für eine weitere Beweiserhebung oder Gutachten, da die vorliegenden medizinischen Einschätzungen schlüssig und nachvollziehbar seien. 

Schulrecht

Zur Erforderlichkeit eines Attests und dessen Ausgestaltung 

OVG Nordrhein-Westfalen, 03.05.2024 – 19 B 400/24 

Sachverhalt: 

Ein Schüler mit diagnostizierter Legasthenie beantragte bei der Bezirksregierung, ihm für die Externenprüfung zum Erwerb des Mittleren Schulabschlusses einen Nachteilsausgleich in Form verlängerter Bearbeitungs- und Vorbereitungszeiten zu gewähren. Die Bezirksregierung lehnte den Antrag ab, da die vorgelegten fachärztlichen Atteste die spezifischen Auswirkungen der Legasthenie auf die schulischen Leistungsanforderungen nicht ausreichend darlegten. Der Schüler legte Beschwerde ein und argumentierte, die Atteste seien ausreichend und dokumentierten die prüfungsrelevanten Folgen der Legasthenie. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde zurück, woraufhin der Schüler vor das Oberverwaltungsgericht Münster zog. Das OVG Münster entschied ebenfalls gegen den Schüler. 

Entscheidung:  

Das OVG Münster begründete seine Entscheidung damit, dass die fachärztlichen Atteste über die Diagnose der Legasthenie hinaus auch deren konkrete und aktuelle Auswirkungen auf die schulischen Leistungsanforderungen beschreiben müssen. Die vorgelegten Atteste erfüllten diese Anforderungen nicht, da sie keine spezifischen Darstellungen der Auswirkungen der Legasthenie auf die einzelnen Unterrichtsfächer enthielten. Darüber hinaus fehlte es an einer schlüssigen Diagnose einer Legasthenie, da keine hirnstrukturellen Anomalien durch eine Magnetresonanztomografie nachgewiesen wurden. Das Gericht betonte, dass die Nachteilsausgleiche den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG entsprechen müssen. Schließlich entschied das Gericht, dass in solchen Fällen eine differenzierte Prüfung der Atteste unerlässlich sei, um den spezifischen Bedürfnissen der betroffenen Schüler gerecht zu werden. 

News diese Woche

BGH nimmt Versicherte in die Pflicht 

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass Versicherte die Rechnungen von Autowerkstätten nicht ungesehen an ihre Versicherung weiterleiten dürfen. Im konkreten Fall ging es um eine Fahrzeugdesinfektion, die 160 Euro kosten sollte, was der BGH für überzogen hielt. Die Klägerin, deren Fahrzeug nach einem Unfall repariert wurde, verlangte von ihrer Versicherung die Erstattung dieser Kosten, was abgelehnt wurde. Das Landgericht Hamburg hielt lediglich 33,18 Euro für angemessen, da die Desinfektion keine besonderen Fähigkeiten oder teure Materialien erfordere. Der BGH bestätigte diese Sicht und entschied, dass die Versicherte zumindest eine grobe Plausibilitätsprüfung der Werkstattkosten hätte durchführen müssen, um überzogene Forderungen zu erkennen und zu vermeiden. 

Für Verbraucher ist dieses Urteil relevant, da es ihre Pflicht zur Überprüfung von Reparaturrechnungen verdeutlicht und darauf hinweist, dass sie nicht automatisch auf die volle Erstattung durch die Versicherung vertrauen können. 

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