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Northvolt – die Politik war gewarnt – trotzdem erfolgte Millionenzusage.

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Northvolt – die Politik war gewarnt – trotzdem erfolgte Millionenzusage.

Batterie

Die geplante Ansiedlung des schwedischen Batteriezellherstellers Northvolt in Heide, Schleswig-Holstein, entwickelte sich von einem ambitionierten Industrieprojekt zu einem politischen und finanziellen Debakel. Trotz frühzeitiger Warnungen der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) genehmigte die Landesregierung umfangreiche Fördermittel. Die anschließende Insolvenz von Northvolt wirft nun Fragen zur Sorgfalt und Verantwortung der Entscheidungsträger auf.KN  – Kieler Nachrichten


Frühzeitige Warnungen der IB.SH

Bereits im April 2023 äußerte die IB.SH erhebliche Bedenken hinsichtlich der geplanten Förderung von Northvolt. In einer E-Mail an das Wirtschaftsministerium warnte die Bank, dass unklar sei, wie die vorgesehenen Mittel in Höhe von insgesamt 520,4 Millionen Euro – bestehend aus einer Wandelanleihe des Landes, EU-Beihilfen und Eigenmitteln – konkret eingesetzt werden sollten. Es bestand das Risiko, dass die Mittel zeitlich nicht ausreichen würden, um einen erfolgreichen Projektanlauf zu gewährleisten. Die IB.SH befürchtete, dass das Land Schleswig-Holstein in der Folge um weitere Unterstützungsmaßnahmen gebeten werden könnte .(KN – Kieler Nachrichten)


Politische Entscheidung trotz Bedenken

Trotz der Warnungen der IB.SH entschied sich die Landesregierung, das Projekt zu unterstützen. Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) betonte, dass alle Beteiligten die vorliegenden Unterlagen gewissenhaft und kritisch geprüft hätten. Die Entscheidung für die Förderung basierte maßgeblich auf einem Gutachten des Beratungsunternehmens PwC. Madsen räumte jedoch ein, dass viele Umstände rund um Northvolt, die heute bekannt seien, damals nicht bekannt gewesen seien .


Insolvenz von Northvolt und finanzielle Konsequenzen

Im November 2024 beantragte Northvolt in den USA Gläubigerschutz nach Chapter 11 des US-Insolvenzrechts. Das Unternehmen ist mit rund acht Milliarden Dollar verschuldet. Trotz der finanziellen Schwierigkeiten laufen die Bauarbeiten am Northvolt-Werk in Heide laut der deutschen Tochtergesellschaft weiter. Es bestehen jedoch erhebliche Unsicherheiten bezüglich der finanziellen Belastungen für Bund und Land. Northvolt hatte rund 600 Millionen Euro von der staatlichen Förderbank KfW erhalten, für die Bund und Land je zur Hälfte bürgen .


Politische Aufarbeitung und Forderungen nach Transparenz

Die SPD-Landtagsfraktion kritisiert, dass Warnungen der IB.SH offenbar ignoriert wurden. Der wirtschaftspolitische Sprecher Kianusch Stender bezeichnete die Ansiedlung von Northvolt als Prestigeprojekt, bei dem alles ausgeblendet worden sei, was nicht ins Bild passte. Er betonte, dass die Befürchtungen der Bank zur bitteren Realität geworden seien. Oppositionsparteien fordern nun eine umfassende Aufklärung der Vorgänge und werfen der Landesregierung mangelnde Sorgfalt vor .

 


In Fällen wie dem gescheiterten Förderprojekt Northvolt stellt sich die Frage nach der politischen, wirtschaftlichen und möglicherweise auch rechtlichen Verantwortung für die entstandenen Risiken und Schäden. Die Rechtslage in Deutschland ist allerdings komplex – sowohl in Bezug auf eine staatshaftungsrechtliche Verantwortlichkeit als auch auf eine mögliche Regresspflicht innerhalb der Verwaltung.


1. Wer haftet im rechtlichen Sinn?

a) Steuerzahler – de facto Hauptbetroffener

Der Steuerzahler trägt faktisch die Last. Sobald Bürgschaften (z. B. über die KfW) oder Direktzuschüsse ausfallen, muss der Staat diese Mittel bereitstellen. In diesem Fall haften Bund und Land Schleswig-Holstein anteilig, da sie die KfW-Förderung gemeinschaftlich verbürgt haben.

Juristisch haftet nicht „der Steuerzahler“, aber ökonomisch ist er der Träger der Folgen.


b) Landesregierung bzw. verantwortliche Ressorts

Ein Regress gegen Minister oder Beamte ist rechtlich nur in Ausnahmefällen möglich:

§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG (Staatshaftung):

  • Grundsatz: Der Staat haftet für Amtspflichtverletzungen seiner Beamten.

  • Der Beamte selbst haftet nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, und selbst dann tritt zunächst der Staat in Anspruch.

  • Ein Rückgriff gegen Beamte ist nur möglich, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde – was extrem selten festgestellt wird.

Nur bei eklatanter Missachtung von Warnungen und bewusster Fehleinschätzung könnte eine Staatshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG greifen.


c) Ministerverantwortung (politisch, nicht rechtlich)

Minister haften nicht persönlich, solange sie im Rahmen ihrer Amtsausübung handeln, selbst bei grober Fehleinschätzung. Die Konsequenzen sind politischer Natur:

  • Misstrauensantrag

  • Untersuchungsausschüsse

  • Nichtwiederwahl oder Rücktritt

Politische Verantwortung ist kein Ersatz für individuelle Haftung – sie ist strukturell schwach, da sie auf parteipolitischer Machtverteilung beruht.

Mehr unter: Politikerhaftung bei Steuerverschwendung ?


2. Regress gegenüber Northvolt selbst?

Das Land könnte vertraglich Rückforderungsansprüche gegen Northvolt prüfen:

  • Subventionsrückforderung (§§ 48, 49 VwVfG): Wenn Auflagen nicht erfüllt wurden oder der Zuwendungszweck nicht erreicht wurde.

  • Insolvenzverfahren: Forderungsanmeldung gegenüber Northvolt im Insolvenzverfahren – meist ohne Substanz, da Vermögenswerte fehlen oder im Ausland liegen.

Rückgriffsmöglichkeiten sind begrenzt, vor allem bei ausländischen Tochtergesellschaften mit minimaler Kapitalausstattung.


3. Untersuchungsausschuss und strafrechtliche Komponente

Wenn sich ergibt, dass Entscheidungsträger Warnungen bewusst ignorierten oder Gutachten manipulierten, wäre ein Untersuchungsausschuss geboten. Mögliche strafrechtliche Anknüpfungspunkte wären:

  • Untreue (§ 266 StGB): Nur bei vorsätzlichem Missbrauch von Fördermitteln.

  • Subventionsbetrug (§ 264 StGB): Gegen Northvolt, wenn falsche Angaben gemacht wurden.


4. Forderung nach systemischer Reform

Der Fall Northvolt legt offen:

  • Eine fehlende Kontrolle der Fördermittelvergabe,

  • ein zu hoher politischer Druck auf symbolträchtige „Zukunftsprojekte“,

  • und eine oft mangelhafte Risikoabschätzung durch Ministerien.


Fazit

Haften müssen aktuell die öffentlichen Haushalte – also die Bürger. Juristische Regressmöglichkeiten gegen die Verantwortlichen sind äußerst begrenzt. Es bleibt bei politischer Verantwortung – es sei denn, grobe Pflichtverletzungen können im Rahmen eines Untersuchungsausschusses konkret nachgewiesen werden.

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