Überblick über Recht – Wirtschaft – Politik

Themenübersicht
Erbrecht
Inhalt des Informationsrechts eines Pflichttteilsberechtigten bei Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses
OLG München, 03.12.2024 – 33 W 1034/24 e
Sachverhalt:
Der Antragsteller forderte von der Erbin die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses über den Nachlass ihres verstorbenen Vaters, da er als Pflichtteilsberechtigter einen entsprechenden Anspruch geltend machte. Die Erbin wurde hierzu durch ein Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts Memmingen verpflichtet, kam dieser Verpflichtung aber zunächst nicht nach, weshalb der Antragsteller ein Zwangsgeld beantragte. Nachträglich legte die Erbin ein notarielles Nachlassverzeichnis samt Nachträgen vor, was das Landgericht als Erfüllung der Auskunftspflicht ansah und das Zwangsgeld aufhob. Der Antragsteller erhob daraufhin Beschwerde und argumentierte, sein Recht auf Anwesenheit bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses sei verletzt worden. Zudem kritisierte er die fehlende Übersichtlichkeit des Verzeichnisses und bemängelte unzureichende Ermittlungstätigkeiten der Notarin.
Entscheidung:
Der Bundesgerichtshof wies die Beschwerde des Antragstellers zurück und bestätigte, dass das vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis den Auskunftsanspruch erfüllt. Ein Pflichtteilsberechtigter hat grundsätzlich kein Recht, bei den Ermittlungshandlungen des Notars anwesend zu sein, da das Verzeichnis lediglich eine Tatsachenbescheinigung darstellt. Bereits erbrachte Teilinformationen müssen nach Titulierung des Anspruchs nicht erneut erbracht werden. Die Nachträge zum Verzeichnis wurden als zulässig erachtet, da sie der Vollständigkeit dienten und die Übersichtlichkeit nicht beeinträchtigten. Zudem besteht kein Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Einsicht in die zugrundeliegenden Unterlagen oder auf weitergehende Ermittlungen durch den Notar.
Arbeitsrecht
Inflationsausgleichsprämie
LAG Niedersachsen – Urteil vom 5.11.2024 – 10 SLA 225/24
Sachverhalt:
Die Klägerin war als Arbeitnehmerin bei der Beklagten beschäftigt und befand sich im Rahmen einer vereinbarten Altersteilzeit im Blockmodell seit dem 1. Dezember 2020 in der Arbeitsphase. Die Beklagte, Mitglied des Arbeitgeberverbandes Telekommunikation und IT e.V., schloss mit der Gewerkschaft ver.di eine Vereinbarung zur Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie von 1.000 Euro für tariflich Beschäftigte mit einem Jahresfestentgelt von maximal 75.000 Euro bzw. 37.500 Euro für Altersteilzeitkräfte. Die Klägerin erhielt 2022 eine Jahresvergütung von 38.725,90 Euro brutto und verlangte dennoch die Prämie, da sie die niedrigere Einkommensgrenze für Altersteilzeitkräfte als ungerecht empfand. Sie argumentierte, dass Teilzeit- und Altersteilzeitkräfte aufgrund ihres geringeren Einkommens stärker von der Inflation betroffen seien und daher die Einkommensgrenze auch für sie bei 75.000 Euro liegen müsse. Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hatte, legte die Klägerin Berufung ein und forderte weiterhin die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie.
Entscheidung:
Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung der Klägerin zurück und bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Inflationsausgleichsprämie, da ihr Jahresentgelt die für Altersteilzeitkräfte festgelegte Höchstgrenze von 37.500 Euro überschritt. Die Differenzierung zwischen Vollzeit- und Altersteilzeitkräften sei sachlich gerechtfertigt, da die Klägerin in der Freistellungsphase das angesparte Entgelt aus der Arbeitsphase erhält. Die Tarifvertragsparteien hätten einen weiten Gestaltungsspielraum, der hier nicht überschritten wurde. Zudem gelte der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht, da die Beklagte lediglich die tarifliche Vereinbarung umgesetzt habe und keine eigene Verteilungsentscheidung getroffen habe. Eine Ungleichbehandlung sei daher nicht festzustellen, und die Berufung wurde kostenpflichtig zurückgewiesen.
Beamtenrecht
Ergänzende Versorgungsabfindung
VGH München, Urteil vom 11.10.2024 – 3 BV 22.769
Sachverhalt:
Der Kläger war von 1999 bis 2019 Beamter des Beklagten, zuletzt beurlaubt zur Tätigkeit bei einer EU-Institution. Nach seiner freiwilligen Entlassung aus dem Beamtenverhältnis beantragte er eine ergänzende Versorgungsabfindung gemäß Art. 99a BayBeamtVG. Das Landesamt für Finanzen setzte zunächst eine Abfindung fest, wobei ein 15%iger Abschlag sowie die Sterbetafel für Männer zur Berechnung herangezogen wurden. Der Kläger klagte gegen den Abschlag und verlangte die Anwendung der Sterbetafel für Frauen, da dies seiner tatsächlichen Lebenserwartung näherkäme. Zudem forderte er die Berücksichtigung seiner Zivildienstzeit als ruhegehaltfähige Dienstzeit.
Entscheidung:
Das Gericht entschied, dass der 15%ige Abschlag auf die Versorgungsabfindung nicht angewendet werden darf, da dieser gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV verstößt. Ebenso wurde die Anwendung der Sterbetafel für Frauen bei der Berechnung der Lebenserwartung zugunsten des Klägers angeordnet. Die Berücksichtigung der Zivildienstzeit als ruhegehaltfähige Dienstzeit lehnte das Gericht jedoch ab, da sie nicht unter die relevanten Bestimmungen fällt. Der pauschale steuerliche Ausgleich von 40 % wurde als angemessen und rechtmäßig bestätigt. Insgesamt wurde der Beklagte zur Zahlung einer angepassten Versorgungsabfindung verpflichtet, während weitergehende Forderungen des Klägers abgewiesen wurden.
Schulrecht
Annullierung eines Fachsemesters, Rückwirkende Beurlaubung
VG München, Beschluss vom 8.10.2024 – M 3 E 24.4424
Sachverhalt:
Die Antragstellerin begann im Wintersemester 2023/2024 ein Bachelorstudium im Studiengang Management and Technology an der Technischen Universität München (TUM). Aufgrund einer Long-Covid-Erkrankung nahm sie an keiner Prüfung teil und erbrachte keine Studienleistungen. Sie beantragte später die Annullierung ihres ersten Fachsemesters oder hilfsweise dessen Anerkennung als Krankheitssemester, was von der Universität abgelehnt wurde. Die Antragstellerin begründete ihren Antrag mit einer unvorhersehbaren Verschlechterung ihres Gesundheitszustands und einer angeblichen Zusage der Universität, sich exmatrikulieren und neu bewerben zu können. Daraufhin stellte sie einen Eilantrag beim Gericht, um die Anrechnung des ersten Semesters zu verhindern.
Entscheidung:
Das Gericht lehnte den Eilantrag ab, da weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wurden. Die Antragstellerin legte nicht ausreichend dar, welche konkreten Nachteile ihr ohne die Annullierung des Semesters unmittelbar drohten. Eine Annullierung des ersten Fachsemesters sei gesetzlich nicht vorgesehen und könne auch nicht analog aus bestehenden Regelungen abgeleitet werden. Zudem habe die Antragstellerin die Fristen für eine Beurlaubung versäumt, und eine rückwirkende Beurlaubung sei ausgeschlossen. Auch die angebliche Zusage der Universität reichte nicht aus, da verbindliche Zusagen schriftlich erfolgen müssen.
News diese Woche
Lehrerinnen rechtskräftig wegen Todesfalls auf Klassenfahrt verurteilt
Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte die Verurteilung zweier Lehrerinnen wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen im Fall der 13-jährigen Emily, die auf einer Klassenfahrt an einer unbehandelten Überzuckerung infolge ihrer Diabeteserkrankung starb. Der BGH sah es als rechtsfehlerfrei an, dass das Landgericht Mönchengladbach eine Verletzung der Aufsichtspflicht festgestellt hatte, da die Lehrerinnen ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkamen, sich nicht über Emilys Gesundheitszustand informierten und Hinweise von Mitschülern ignorierten. Die Lehrerinnen hätten durch rechtzeitige ärztliche Hilfe Emilys Tod mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindern können. Der BGH bestätigte die Auffassung, dass objektiv und subjektiv gegen die gebotene Sorgfaltspflicht verstoßen wurde, was die Kausalität für den Tod begründete. Das Urteil unterstreicht die Verantwortung von Lehrkräften, sich aktiv um bekannte gesundheitliche Risiken ihrer Schüler zu kümmern.